Heute ist Karfreitag. Aber seid nicht traurig. Zwei Tage später war dann alles wieder gut. Jedenfalls anders. Besser. Besser als am Freitag.
Ansonsten weiß ich nicht, wie das gesehen wird, ob der Himmel besser ist als das Leben auf der Erde. Ich hatte ja in der Schule kein Religionsunterricht und kenne mich da nicht so aus. Ich könnte mal meine Kinder fragen, die hatten das ja jahrelang. Obwohl: Während der Corona-Zeit hatten sie keinen. Das lag daran, dass der vom Land Berlin bezahlte Religionslehrer fand, die Kinder hätten es schon schwer genug, da müsse man mit diesem Online-Kram nicht auch noch anfangen. Also hat er einfach keinen Religionsunterricht gemacht. Der kommt garantiert in die Hölle.
Man müsste mal die Klimawissenschaftler*innen und die Meterolog*innen fragen, wie das Wetter im Himmel werden wird, vielleicht wird es in Zukunft dort auch nicht mehr schön sein. Bei der Hölle bin ich mir relativ sicher, dass es da einigermaßen erträglich sein wird. OK. Es wird warm sein, das wussten wir ja schon immer, aber es wird besser als an den meisten Stellen auf der Erde sein. Das kann ich indirekt erschließen, weil die Verantwortlichen von Exxon, Shell, Total Energies, Wintershall DEA, usw. alle in die Hölle kommen werden und die hatten in den 70er Jahren gute Forschungsabteilungen, die das alles bestens erforscht haben.
Wenn es in der Hölle schlimmer wäre als auf Erden, würden sie nicht so handeln, wie sie handeln. Ich vermute also, dass es in der Hölle ungefähr so heiß sein wird, wie in den Hitzesommern zur Zeit in Berlin. Nicht angenehm, aber ganz ok, wenn man den Rest der Welt im Jahre 2050 zum Vergleich nimmt.
Wie das mit dem Himmel wird, ist mir nicht ganz klar. Ich konnte bei einer Kurzrecherche im Netz nichts dazu finden. Hier gibt es scheinbar noch Forschungsbedarf. Es ist jedoch jetzt schon absehbar, dass auch der Himmel nicht mehr das sein wird, was er mal war. Denn unsere Erde liefert schon jetzt nicht immer einen schönen Anblick. Wer möchte denn schon zurückblicken und dieses Jammertal sehen, das man doch immer hinter sich lassen wollte.
Oder wird es bestimmte Zonen im Himmel geben? VIP-Lounges, Bereiche für Privilegierte, wo immer Wolken den Blick nach unten verhindern? Oder advanced, so eine Art Content-Warning. Wenn man gut drauf ist, kann man die Wolken beiseite schieben und sich unten die Dürre angucken, aber man ist eben nicht gezwungen, das Leiden anzusehen.
Also wie nun? Was im Himmel kommt, weiß man nicht. Man weiß nicht mal, ob es da noch etwas gibt (obwohl ich ja zumindest einen Gottesbeweis erbracht habe). Vielleicht sollten wir uns also doch alle bemühen, es hier auf der Erde erträglich zu halten. Bewahrung der Schöpfung und so. Aber wenn es dann einen Himmel gibt und wir von dort nach hier gucken können, dann wäre es doch auch sehr schlau, vorsorglich schon mal dafür zu sorgen, dass der Blick nach unten nice wird.
Sag’s mit Musik
Du kennst Dir nich mehr aus mit den janzen Jewimmel? Kiek nach oben! The Sky is der Himmel.
Ich habe am Sonnabend eine Farbattacke von Jugendlichen der Letzten Generation auf das Bundeskanzleramt fotografiert. Dabei bin ich in eine Farbpfütze getreten und hatte dann einen Schuh komplett mit Farbe voll.
Zuhause habe ich den Schuh mittels eine Bürste in einer Minute gereinigt.
Er war sicher weniger porös als das Brandenburger Tor.
Auf dem Weg zur Massenblockade am Nachmittag stellte ich fest, dass auch der andere Schuh einige wenige Farbspritzer abbekommen hatte. Und guckt mal, das ist doch das Firmenlogo von Nike. Ein Zufall?
Wer in Zeiten an Zufälle glaubt, in denen nach Demonstrationen von Millionen Menschen gegen Rechtsextremismus, plötzlich eine RAF-Rentnerin auftaucht, die schon jahrelang Bilder von sich auf Facebook postet und wo dann nach der dritten Durchsuchung ihrer Wohnung plötzlich eine Kalaschnikow, eine Pistole und eine Panzerfaust gefunden wird, der ist naiv. Wo hätten diese Gegenstände denn versteckt worden sein sollen? Die Eierhandgranate passt nicht in den Eierbecher, die Panzerfaust nicht in den Schirmständer und Spülkästen, in denen man die Pistole hätte verstecken können, gibt es nicht mehr. Das alles ist so unplausibel, das kann kein Zufall sein!
Aber was dann? Ein Zeichen? Von wem? Von Gott? Und was sollte es bedeuten? Just Do It? Und für wen war es? Für mich, für die Aktivist*innen? War ich mitgemeint? War es ein Fehler? Hatte sich Gott vertan? Wollte er eigentlich den Aktivist*innen einen Nachricht schicken und hatte meinen linken Schuh erwischt? Aber Gott fehlt nie, oder? Oder doch? Die Weltkriege? Die Konzentrationslager, die aktuellen Kriege in Israel und Gaza, Putins Krieg? Ach, was weiß ich, ich kenn‘ mich da nicht so aus. (Mit fehlen meinte ich Fehler machen, nicht blau machen. Ach, egal, im Endeffekt läuft das wohl auch auf Dasselbe hinaus.)
Ich hatte ja im letzten Jahr einen Gottesbeweis geführt. Und ich hatte nicht nur die Existenz Gottes bewiesen, ich hatte ihn sogar gesehen! Ich will Euch hier nicht mit den Details langweilen, das müsst Ihr im Blog-Post selbst noch mal nachlesen.
Also, dass Gott da irgendwo am Kanzleramt abhängt, war klar. Aber ich hatte ihn an der anderen, der linken Seite, gesehen. Vielleicht war hier – bei der Farbaktion, an der rechten Seite – gar nicht Gott am Werke sondern sein Gegenspieler: der Teufel.
Dafür spricht leider so Einiges: Einer der Polizisten kniete auf den Hälsen oder Köpfen all derjenigen, die er fesselte. Diese jammerten und schrien und weinten, wie man auch auf Videos sehen kann.
So wie Gott damals versuchte auch er, die Pressefreiheit einzuschränken, aber sein Vorgesetzter wies ihn in die Schranken. Moment, jetzt wird es unübersichtlich, der Vorgesetzte vom Teufel? Wie geht das denn? Ach so: Bei Gott gibt es niemanden, der über ihm steht, aber der Teufel ist ganz unten, so dass alle über ihm stehen. Die Frage, wie das mit dem Gehorsam ist, lasse ich hier offen. Irgendwie war das mit dem Gottesbeweis damals einfacher. Beim Teufel ist es schwierig. Der Teufel steckt im Detail.
Vielleicht war es aber auch nicht der Teufel selbst sondern sein Auszubildender. Irgendwann fragte einer der umstehenden Polizisten, warum die denn alle gefesselt werden müssten. Das fragte ich mich auch. Die Antwort war: Um sie von weiteren Straftaten abzuhalten. (Die Wand war da schon überall mit Farbe bemalt und die Wand ist ohnehin nach der 573ten Farbattacke abwaschbar. Man hätte die Jugendlichen also ruhig noch ein bisschen machen lassen können.) Später fragte ich den Polizisten, der gefragt hatte, ob über 50 Polizist*innen zzgl. Zivilkräfte nicht ein bisschen viel für 16 Aktivist*innen seien und er meinte, dass das sein erster Einsatz sei und er das auch nicht wüsste. Also, vielleicht war es ja auch nicht der Teufel sondern er, der für die Verteilung der Zeychen verantwortlich war.
Zeychen & Wunder
„Wir lebten in Tagen von Zeychen & Wundern. Wo sind sie hin? Keiner sah sie gehn. […] Trotz alldem verbleiben noch 1 … 2 Sekunden. In denen wird vielleicht noch so ein Wunder geschehn.“ AG Geige: Zeychen und Wunder, 1988.
Wir konnten damals lesen. Sogar zwischen den Zeilen. Heute braucht man den Platz zwischen den Zeilen nicht mehr, denn es gibt genug Papier. Aber es liest niemand mehr.
Letzte Woche war ich mit meiner Kollegin, der Video-Journalistin Saskia Meyer, zum Gerichtsverfahren gegen einen Video-Journalisten, der unter dem Namen Der Pilger bekannt ist. Er hat einen Youtube-Kanal mit 5640 Followern und ich trage ihn seit letztem Jahr am Herzen. Zusammen mit zwei Polizisten. Das kommt daher, weil er mit auf meiner Visitenkarte ist.
Der Pilger war angeklagt, weil er eine Aktion der Letzten Generation geleitet haben soll. Als ich davon gehört habe, habe ich mich sehr gewundert. Der Pilger hat kein Abitur und soll jetzt einer Truppe von links-grün versifften Student*innen Kommandos geben? Konnte ich mir nicht vorstellen. (Das mit den Student*innen ist ein Klischee. Es ist falsch. Die LG ist die heterogenste Klimagruppe, die ich kenne. Es gibt Menschen aller Altersklassen, aus ganz verschiedenen sozialen Schichten und mit sehr verschiedenen Berufen.)
Der Staatsanwalt verliest die Anklage. Der Pilger soll gesagt haben: „Nicht erst die Platten, mach erst die Wand.“. Die Zeugen werden aufgerufen. Die ersten drei Zeugen sind Polizisten der Berliner Polizei. Sie berichten davon, dass es einen Zeugen gab, dass sie damit beschäftigt waren, das Video des Zeugen auf den Polizei-Computer zu überspielen. Die Polizei fuhr in Mannschaftswagen in der Gegend herum, um eventuell auftauchende Aktivist*innen der Letzten Generation stellen zu können. Letztendlich gelang das nicht und die Letzte Generation hat angefangen Gehwegplatten herauszuhebeln, um da Öl-Pipelines zu verlegen, und die Wand mit schwarzer Farbe, die Öl symbolisieren sollte, zu beschmieren. Die Bundespolizei, die die Gebäude der Bundesregierung schützt, war schnell zur Stelle und hat alles unterbunden. Es wurden jedoch keine Bundespolizist*innen als Zeugen vor Gericht geladen.
Die Aktion ist in einem Video von Spiegel-TV dokumentiert.
Der Anwalt beantragt, dass das Video von Spiegel-TV angesehen wird.
Der vierte Zeuge ist ein Rentner aus Magdeburg, der mit dem 9€-Ticket nach Berlin gefahren ist und zufällig vor dem Bundeskanzleramt war, als die Letzte Generation loslief. Der Richter weist ihn darauf hin, dass man vor Gericht die Wahrheit sagen muss. Der Zeuge behauptet, dass der Pilger gesagt hat „Nicht den Spaten, erst die Wand.“. Der Pilger soll die Aktivist*innen angewiesen haben, da oder dorthin zu gehen. Mit Gesten und über Telefon.
Mich hat das sehr gewundert. Bei den meisten Aktionen, die ich fotografiert habe, war der Pilger auch dabei. Er stand da mit seinem Handy und hat gefilmt. Ab und zu hat er etwas in seinen Bart gemurmelt, aber sonst nichts. Aber ich dachte: Das sieht jetzt wirklich schlecht für ihn aus. Der Zeuge belastet ihn stark.
Der Richter fragte, ob der Zeuge sich sicher sei, dass der Angeklagte die Person sei, die er gesehen habe. Ja, ja. Die Haare und so. Was hatte der Angeklagte denn damals an? Na so wie jetzt so. Und einen Parka. Was hatte der Angeklagte für eine Kamera? Na, so mit Teleskopobjektiv.
Der Richter entlässt den Zeugen und sagt, dass der zu ihm kommen solle, damit der Richter das Kostenerstattungsformular für die Anreise unterschreiben kann. Der Zeuge versteht erst nach dem dritten Anlauf, was der Richter von ihm will bzw. für ihn tun will.
Dann gibt es eine Befragung des Angeklagten durch den Staatsanwalt. Er stellt erstaunliche Fragen. Zum Beispiel: Fotografieren sie öfter Menschen, die Straftaten begehen? „Ehm. Ja.“, denke ich, „Das ist die Aufgabe der Presse. dpa, reuters, ap, Funke, Ostkreuz schicken Fotograf*innen.“ Die kleine Agentur, für die ich arbeite, leitet meine Bilder auch an dpa und ddp weiter. Hat der Staatsanwalt noch nie einen Fernsehbeitrag über Tierschützer in Schweinemastställen gesehen? Eine Doku über Greenpeace? Wo kommen die Bilder her? Wer macht das? Das sind normalerweise Profi-Fotograf*innen und Kammeramänner oder -frauen. Spiegel TV war bei der Besetzung des Hauses des Wirtschaftsrates im Haus mit den Aktivist*innen unterwegs. Und Moment: Das Video von Spiegel-TV hatte er doch gerade gesehen. Er fragte, warum er denn so nah rangegangen sei. Mir fiel spontan dazu der Kriegsfotograf Robert Cappa ein: „If your pictures are not good enough, you are not close enough!“. Der Pilger geht immer nah ran. Ich weiß das, weil er mir immer im Weg steht. Man kann keine Übersichtsbilder machen. Der Pilger ist auf allen Bildern drauf. Sogar auf meiner Visitenkarte. Er ist immer nah dran, denn er hat kein „Teleskop-Objektiv“ oder Tele-Objektiv, wie wir Fotograf*innen und Kamerafrauen sagen, sondern nur ein extremes Weitwinkel-Objektiv. Außerdem hatte der Staatsanwalt gerade das Video von Spiegel-TV gesehen, die auch nah dran waren:
Der Staatsanwalt fragte, woher der Pilger denn von den Aktionen wüsste. Der Pilger antwortete, dass die Presse vorher informiert würde. Das ist richtig und ganz normal. Man konnte das sogar schon im Fernsehen sehen. Der NDR hat darüber berichtet.
Im Beitrag ist zu sehen, wie das abläuft. Zum Beispiel bei der Luftballon-Aktion am BER haben die Journalist*innen in Parkhäusern gewartet. Nach Anruf oder SMS sind sie dann zum Aktionsort gekommen. Im Filmbeitrag sieht man auch den reuters-Fotografen und mich. Pro 7 war, glaube ich, auch noch vor Ort. Normaler Presse-Alltag.
Der Richter stellt Fragen, wie lange der Pilger gefilmt hat. Ob er durchgehend gefilmt habe. Der Pilger gibt an, dass er in der polizeilichen Maßnahme, also kurz nach dem Einschreiten der Berliner Polizei, nicht mehr gefilmt habe. Sein Anwalt beantragt, das Video vom Handy des Angeklagten zu sehen. Das Handy war von der Polizei beschlagnahmt worden. Der Richter weist das zurück und sagt, er habe jetzt die Evidenz, die er zur Einschätzung des Falles bräuchte. Ich dachte: Oh, jetzt werde ich Zeuge eines Fehlurteils! Auf der Zuschauerbank gibt es Volksgemurmel, weil die Zuschauer das vorliegende Missverständnis erkannt haben. Der Richter bringt das Volk energisch zum Verstummen. Der Pilger hatte gesagt, dass er die gesamte Aktion von Beginn an gefilmt hatte, weshalb er natürlich auch keine Anweisung per Telefon hätte geben können, und auch sonst müssten Anweisungen von ihm ja auf dem Video zu hören sein. Der Anwalt weist noch einmal nachdrücklich darauf hin, dass das Video ein wichtiges Entlastungsdokument ist. Es kann alle Zeugenaussagen sofort entkräften.
Der Pilger wird gebeten, das Video zu entsperren, und Staatsanwalt, Richter, Pilger und Anwalt schauen das Video an. Der Pilger hat die Aktion von Anbeginn bis zum Eintreffen der Berliner Polizei gefilmt. Er hat keine Anweisungen gegeben. Der Zeuge hat nicht die Wahrheit gesagt. Case closed.
Der Staatsanwalt hält sein Plädoyer. Er stellt fest, dass sich herausgestellt hat, dass der Schaden nicht so groß war, wie angenommen. Bestimmte Straftatbestände seien nicht erfüllt, aber dennoch finde er, dass das beantragte Strafmaß zu niedrig sei und er deshalb eine höhere Strafe von 70 (check) Tagessätzen a 15€ beantrage. Mir blieb der Mund offen stehen. Hatten sie nicht gerade das Video gesehen, aus dem hervorging, dass der Pilger die ganze Zeit gefilmt hatte und zwar ohne etwas zu sagen? Gab es nicht dieses Spiegel-TV-Video, in dem man sehen konnte, wer per Telefon das Signal zum Start gegeben hatte? Was war denn hier los? Und was würde jetzt passieren?
Dem Anwalt ging es genau so. Er sagte recht deutlich, dass er in diesem Verfahren schon mehrfach geglaubt hatte, im falschen Film zu sein. Hätte die Polizei das Handy sofort ausgewertet, hätte es den Strafbefehl und das sich daraus ergebende Verfahren gar nicht geben müssen. Die Polizei hatte das Handy nicht ausgewertet und aufgrund eines Missverständnisses hätte auch fast der Richter das Video nicht gesehen.
Urteilsverkündung: Der Richter wartete, bis wir uns erhoben hatten, und verkündete dann den Freispruch. In der Urteilsbegründung erklärte er, dass, wenn Aussage gegen Aussage steht, besondere Anforderungen an die Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen würden. Die Beschreibung der Kleidung des Angeklagten war nicht sicher. Die Polizeizeugen hatten berichtet, dass die Aktivist*innen sich haben wegtragen lassen. Die letzten seien aber wegen der großen Hitze dann von selbst in den Schatten gegangen. (Man kann ja auch auf dem Spiegel-Video sehen, dass alle leicht bekleidet waren.) Ein Parka hätte da nicht gepasst. Handy statt Kamera mit Teleskop-Objektiv. Auch die Aussage, die der Pilger laut Zeuge gemacht haben sollte, passte nicht zu dem, was in der Anklage stand (Erst die Wand, …). Der Richter machte dem Zeugen keinen Vorwurf. Er meinte, das könne schon mal passieren, wenn man in die große Stadt käme und total überwältigt sei. Ich lächelte in mich hinein. Letztendlich zeige das Video des Angeklagten aber auch, dass dieser unschuldig sei.
Twitter ist unerträglich geworden. Also noch unerträglicher. Also so, dass man es nicht mehr ertragen kann und gehen muss. Ich habe beschlossen einige der langen Threads für die Nachwelt zu erhalten. Hier der #Gottesbeweis. Hashtags lasse ich drin, die Threadzahlen habe ich entfernt. Der ursprüngliche Tweet ist vom 21.02.2023
Wow! Ich habe #Gott gesehen. Aber der Reihe nach. Ich habe dieses Bild gemacht und wurde dadurch zum Gegenstand einer polizeilichen Maßnahme. Die Polizei hat mich über 20 Minuten festgehalten und an meiner Arbeit gehindert. #Pressefreiheit So wie andere Journalisten auch.
Das Bild zeigt einen Aktivisten der #LetzteGeneration neben der am besten bewachten Wand in Deutschland: der Wand am Kanzleramt. Es ist völlig legitim, dieses Bild zu machen. Nicht nur für Menschen mit Presseausweis. Die Polizei hatte da schon mehrere Journalisten gekesselt und war gerade dabei, deren Personalien festzustellen. Das ist ein massiver Eingriff in die #Pressefreiheit und nicht zulässig. Ein Polizist schickte mich auch in den Kessel und wollte meine Personalien aufnehmen. Ich habe ihm gesagt, dass ich hier fotografieren könne und ich mit seinem Vorgesetzten sprechen möchte. Er: Ich bin der Vorgesetzte. Ich: Ich möchte mit Ihrem Vorgesetzten sprechen. Er: Ich bin mein Vorgesetzter. Die einzige Möglichkeit, wie diese Aussage wahr sein kann, ist, dass er #Gott ist. Ich habe hiermit also bewiesen, dass es Gott gibt. Ich habe ihn sogar selbst gesehen! #Gottesbeweis#Logik Und obwohl er nicht nett zu mir war, bin ich ab heute katholisch und verabschiede mich jetzt in den #Karneval.
Ein Journalist war von dpa und dpa wird wohl auch eine diesbezügliche Pressemitteilung machen. Es schockiert mich, dass die Polizist*innen nicht über die rechtliche Lage Bescheid wissen. Da ist dringend Weiterbildung nötig. Übrigens war auch eine Polizistin da, die die Lage richtig beurteilt hat. Aber sie war nicht Gott. Letztendlich war aber Jörg Reichel von #Verdi wieder mal die Rettung, und hat bei den entsprechenden Stellen angerufen, so dass das insgesamt nicht so lange gedauert hat. Danke!
Das hier ist die am zweitbesten bewachte Wand in Deutschland (die rechte vom #Kanzleramt). Hier hat es der Aktivist geschafft ein #Herzchen ans #Kanzleramt zu malen. Dauert halt ein paar Sekunden, bis man aus dem Auto raus ist. #LetzteGeneration
Wenn man sich zu so gesellschaftliche relevanten Themen positioniert und glaubt einen #Gottesbeweis gefunden zu haben, dann muss man sehr, sehr vorsichtig sein. Die Materie ist nicht einfach und vielleicht gibt es irgendwo einen Denkfehler oder irgendetwas, was man übersehen hat. Ich hatte zwar in mathematischer Logik im Studium eine 1 und habe Logik auch oft unterrichtet, aber man weiß ja nie. Ich habe also bzgl. Gott noch einmal eine zweite Meinung eingeholt. Mein Bekannter meinte, der Chef des Polizisten, der sein eigener Vorgesetzter sei, wäre Scholz. (So auch @IlaiAnton in den Kommentaren). Das hat mich kurz verunsichert. Aber 1) hätte Scholz keinen weltlichen Chef, da der Bundeskanzler nicht dem Bundeskanzler unterstellt ist, und zweitens ist Gott der Chef von Scholz. Natürlich! Ich habe dann gleich noch mal nachgeguckt, wie Scholz seinen Amtseid geleistet hat, aber er hat nicht „So wahr mir Gott helfe!“ gesagt. Letztendlich ist das aber völlig irrelevant, ob Scholz an Gott glaubt oder nicht. Die Hindus, Muslime usw. glauben ja auch nicht an unseren Gott. Ich habe dann auch gleich noch einen Beitrag von meinen neuen katholischen Freunden gefunden:
Und die wissen, ohne Gottes Hilfe geht gar nichts!
Corona, Klimawandel, geht alles nur mit Gott. Mir wird jetzt einiges klar! 1) Gott hat Scholz die #FDP geschickt. Oder war es der Teufel? 2) Und ich bin heute morgen abgelenkt worden, so dass ich das Hauptmotiv verpasst habe. Wäre ich heute morgen schon katholisch gewesen, dann wäre das sicher nicht passiert. Mein Bekannter hat mir dann auch noch erzählt, dass seine Partnerin heute (!!!) aus der Kirche ausgetreten ist. Aus der katholischen. Hab ich mir nicht ausgedacht. Ich schwöre!
Kannste Dir nicht ausdenken! Nach weiterem intensiven Nachdenken habe ich eine Stelle gefunden, an der mein Gottesbeweis evtl. problematisch ist. Es könnte sein, dass die Aussage des Polizisten „Ich bin mein Vorgesetzter.“ falsch war. Das würde aber bedeuten, dass es Polizisten gibt, die nicht die Wahrheit sagen. Das ist aber ausgeschlossen, denn Polizist*innen sagen immer die Wahrheit. Sie sind verbeamtet und schwören auch, ihre Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen. Eventuell hat Gott, also der Beamte, aber bei seiner Verbeamtung auf Gottes Hilfe verzichtet, so dass ihm heute ein Fehler unterlaufen ist. Eine große Gefahr bei Gottesbeweisen ist übrigens, dass sie zirkulär werden. Aber meiner ist ja recht einfach.
Vielleicht könnte auch @TheTweetOfGod mal kurz bestätigen, dass er heute am Kanzleramt war. Kann Gott Deutsch? Ist #Gott auch auf #Mastodon? Hat er noch Zugang zum API? Jetzt mache ich erst mal Mittagsschlaf. Als Katholik darf ich das ja.
Mein Gott! Ich wollte gerade sagen, so schnell könnt Ihr das gar nicht lesen, wie das geliket wurde:
Aber Twitter ist halt Betrug:
Die Katholiken oder Gott sollten noch mal darüber nachdenken, wie sie ihre Bots programmieren. Denn in diesem tweet ging es um Kirchenaustritte. Da sind Likes wohl unangebracht.
Also eigentlich ging es wohl um diese Aktion, das Herzchen war nur die Ablenkung.
Hat mich auch abgelenkt. In der Pressemitteilung der #LetzteGeneration steht dazu: „Dort, im Machtzentrum Deutschlands, fällten sie heute einen Baum mit einer Handsäge. Der tote Stumpf vor der Haustüre des Kanzlers stehen dort nun als Mahnmal für das, was eigentlich längst offenkundig ist, aber trotzdem jeden Tag wie ganz selbstverständlich geschieht: „Die Bundesregierung treibt ganz aktiv die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen weiter voran. Sie sägt an dem Ast, auf dem wir alle sitzen.”“ Hier das ganze Album: https://www.flickr.com/photos/stefan-mueller-climate/albums/72177720306165190
So: Ich trolle jetzt meine eigenen Tweets! Liebe #LetzteGeneration, es heißt Haustür und nicht Haustüre. Türe steht im Duden als „landschaftlich“. Ja, ich weiß, auch die Aufzüge in Berlin sagen „Türe“. Die kommen auch aus Landschaften ….
Also das ist ja wirklich vertrackt! Ich habe mit meinem Sohn über #Gott und meinen #Gottesbeweis gesprochen und er hat mich darauf hingewiesen, dass ich in die #Hölle komme, denn ich habe ja ein Abbild Gottes geschaffen und das ist verboten. Das Fatale an der Sache: Gott, also der Polizeibeamte, hatte Recht: Ihn abzubilden war verboten. Aber wie hätte ich das denn wissen können? Er sah halt aus wie ein normaler Polizist. Und muss man für die Höllenvorbereitung die Personalien aufnehmen? Und geht das nicht eigentlich schneller als ’ne Stunde? Und wenn ich beichte? Komme ich dann trotzdem noch in die Hölle? Mein Sohn meinte, ich solle auf alle Fälle noch was spenden. Ich bedauere es wirklich sehr, dass ich im Gegensatz zu meinen Kindern kein #Religionsunterricht hatte. Ich werde versuchen, das an der #Volkshochschule nachzuholen. Bieten die überhaupt so was an?
Und leider ist bei diesem ganzen Durcheinander ganz unter den Tisch gefallen, wer auf dem Bild bei 23 ist. Das sind Lisa Schinköthe und Franz Winter. Aber sie mögen es mir verzeihen, #Gott sieht man ja schließlich nicht jeden Tag, die #LetzteGeneration dagegen schon.
Nachgedanke: Wie ist das mit #Datenschutz? Wenn #Gott, also die Polizei, Listen mit Personen führt, die in die Hölle kommen, was passiert dann bei einem Datenleck? #Scheuer, #Dobrindt, #Wissing, #Lindner? Würde die noch jemand wählen, wenn klar ist, dass die in die #Hölle kommen?
Kommentare auf Twitter
Leider gehen der Welt auch die lustigen Kommentare verloren, wenn ich meinen Account lösche:
Nachtrag
Seit dieser Zeit hat sich viel getan. Ich war nur sehr kurz katholisch, war aber viel in Kirchen unterwegs. Viele evangelische Kirchen unterstützen die Letzte Generation, in dem sie die Kirchen für Veranstaltungen zur Verfügung stellen oder sogar auch durch Beteiligung an Protestmärschen.
Ich bin neuerdings auch großer Papst-Fan geworden, denn mit Laudate Deum hat er ein Dokument zur Klimakrise verfasst, in dem wirklich alles drin ist. Eine Diskussion der individuellen Verantwortung und des Versagens unserer Staatengemeinschaft.
Wow. Ich habe gerade die Welt gerettet. Ich musste vor dem Bahnhof auf einen Zug warten, weil ich jemanden abholen wollte, und da war ein Mann in einem Bus, der den Motor laufen ließ. Ich saß da und dachte: „Nee, da gehe ich jetzt nicht hin. Ich setzte mich hier auf die Bank und drücke an meinem Taschentelefon rum.“ Aber ich habe es nicht ausgehalten. Der Gedanke, dass jetzt zehn Minuten oder länger der Motor läuft. Für nichts und wieder nichts. Obwohl ich ein bisschen Angst hatte – es war ein kräftiger Mann –, bin ich hingegangen. Und nach einigem Hin und Her hat er sogar den Motor ausgemacht. Wir haben uns zehn Minuten über die Klimakatastrophe unterhalten. Bis der Zug kam. Zum Schluss haben wir uns fröhlich winkend voneinander verabschiedet. Das Gespräch kann man sich nicht ausdenken, weshalb ich es hier für die Nachwelt festhalten möchte. Zu einigen Punkten habe ich korrigierende bzw. weiterführende Anmerkungen und/oder Quellenangaben. Diese sind mit „(NB)“ im Text markiert. Im folgenden bin ick icke und er ist er. Allet klar, oder?
Das Gespräch
Icke: „Könnten Sie bitte den Motor abstellen?“
Er: „Warum? Stört Sie das Geräusch?“
Icke: „Nein, aber …“
Er: „Ach, wegen dem CO2?“
Icke: „Ja.“
Er: „Das ist doch alles Quatsch! Ich mach den Motor nicht aus. Lieber fahr ich noch ein paar Runden.“
Icke: „Nein, is kein Quatsch.“
Er: „Doch das stimmt alles nich. Deswegen mach ich den Motor nich aus. Und ich will mich auch gar nicht mit Ihnen unterhalten.“
Icke: „Na gut. Aber mekren Sie sich das Gespräch und denken Sie in zehn Jahren noch mal drüber nach!“
Er: „In zehn Jahren, da bin ich ja 88!“
Icke: „Oh, da haben Sie sich aber gut gehalten!“
Er: „Nee, hab mich verrechnet, dann bin ich 78.“
Icke: „Aber wenn Sie den Motor laufen lassen, verbraucht das doch auch Benzin. Das kostet Geld!“
„Ha“, dachte ich, „jetzt hab ich ihn.“
Er: „Ich bin mehrfacher Millionär, dit is mir egal.“
Icke: „Mit dem Klimawandel das stimmt aber wirklich, ich habe gestern gerade die Daten für Brandenburg rausgesucht. Temperatur und Niederschlag, kann ich Ihnen zeigen.“ (NB) Handyrumfuchtel.
Er: „Moment mal, ich mach jetzt doch erst mal den Motor aus.“
Icke (innerlich): \ő/
Er: „Das mit den Temperaturen ist alles Quatsch, glauben Sie das? Der Lauterbach erzählt doch nur Unsinn.“
Icke: „Was hat der denn damit zu tun? Das ist doch ein Mediziner.“
Icke: „Aber meine Schwester ist Klimaforscherin. Die weiß genau Bescheid.“
Er: „Ach, dann kriegt se ihr Geld für nüscht.“
Icke: „Nee, die hat bestimmt mehr gearbeitet als Sie. Die ist promoviert, das ist harte Arbeit. 60 Stunden die Woche, ich weiß das, war bei mir auch so, bin Professor.“
Er: „Na, wenn ich nur 60 Stunden die Woche gearbeitet hätte, hätte ich schon Mittwochs Feierabend gehabt.“
Icke: „Ehm. Wie das?“
Er: „Ich war Fernfahrer. 16, 17 Stunden. Manchmal sogar 19.“
Icke: „OK, dann nehme ich alles zurück. Aber ist das nicht auch verboten, so lange zu fahren? Wegen Arbeitsschutz und so?“
Ich glaub, er fand das cool, dass ich das wusste.
Er: „Dis war noch davor. Bin überall rumgefahren.“
Icke: „Aber dann ham se doch zum Ausgleich ganz viel Urlaub gehabt?“
Er: „Nee, hab ich mir alles auszahlen lassen. Ich bin überall gewesen im Süden. Da war es schon immer warm. Das ist alles Quatsch. Ich bin da überall gefahren. Unten in Griechenland bis rüber zum Aralsee.“
Icke: „Ja, und der ist jetzt weg. Ausgetrocknet.“
Er: „Ja, aber der hatte auch damals schon wenig Wasser.“
Icke: „Ja, aber jetzt isser weg. Man kann sich ja auf so historischen Satellitenkarten angucken, wie er kleiner wurde. Wie erklären Sie denn das?“ (NB)
Er: „Ja, das weiß ich jetzt auch nicht. Irgendwo muss das Wasser ja sein.“
Icke: „Ja. Ich weiß wo.“ Fuchtel, zeig. „Da oben. Wegen der höheren Temperaturen kann die Atmosphäre mehr Feuchtigkeit aufnehmen und dann kommt es irgendwann gesammelt runter an einem Ort, wo wir es nicht brauchen.“
Icke: „Und in Sizilien waren es 48°!“
Er: „Das stimmt nicht, ich habe einen Aufsatz von einem anderen Klimaforscher gelesen und das war die Bodentemperatur, nicht die normale Temperatur. Die wird 20 cm über dem Boden gemessen, die Bodentemperatur aber nur fünf cm über dem Boden (NB) und da ist es natürlich wärmer. Wenn die Formel 1 fährt sind es auch 33°, aber der Asphalt ist 45°, oder so.“
Icke: „Ja, is klar, der ist ja auch schwarz. Aber das mit Sizilien war so, dass es erst diese Berichte von der Bodentemperatur gab und einige Tage später war die richtige Temperatur auch bei 48°.“ (NB)
Er: „Ja, aber ich war da früher überall und da war es schon immer heiß.“
Icke: „Aber jetzt: Diese Woche sind dort die Stromkabel in der Straße geschmolzen, weil es zu heiß war. Wenn es schon immer so heiß gewesen wäre, dann hätten die ja auch früher schon schmelzen müssen, aber es waren die alten Kabel, die bis jetzt gehalten haben.“
Er: „Aber glauben Sie denn denen da oben denn? Die sind ja zum Teil blöder als ich. Baerbock und so.“
Icke: „Ja, die mag ich auch nicht so.“ (NB)
In diesem Moment rief Mausi an (Name geändert). Es ging um den Zug. Ich wusste, dass der 18:12 (Zeit auch geändert. Aber am Bahnhof war ich wirklich.) ankommt, denn ich wartete ja auf denselben.
Chemtrails
Wo kamen die Chemtrails denn jetzt her? Irgendwie tauchten die mitten im Gespräch auf. Keine Ahnung wieso. Aber wahrscheinlich hätte genauso gut ich ihn nach Chemtrails fragen können. Er musste mich wohl für einen halten, der an die Klimakatastrophe glaubt und Chemtrails als Verschwörungstheorie abtut.
Er: „Und glauben Sie auch nicht an Chemtrails?“
Icke: „Nee. Ist Quark. Ich habe mir das genau angeguckt. Ich habe in der Einflugschneise von Tegel gewohnt und war da in einer Bürgerinitiative aktiv. Da haben auch welche gedacht, die Flugzeuge würden über bewohnten Gebieten vor der Landung Kerosin ablassen, aber was so aussieht an den Tragflächen ist kein Kerosin und das wäre auch ökonomisch Unsinn, denn der Treibstoff kostet ja Geld.“
Er: „Nee, das meine ich nicht. Die machen so Aluminium-Partikel in die Luft. Wegen Klimawandel.“
Icke: „Hm. Ja, Geoengeniering, hab ich von gehört, von solchen Plänen. Und die machen das? Wegen Klimawandel? Dann gibt es also doch Klimawandel?“
Er: „Nee, aber das sagen die. Als Tarnung. Sagt man. Sie müssen mal gucken, auf flight-Dings, da fliegen Flugzeuge, die sind so ganz hoch, nach Warschau oder so und dann fliegt noch ein zweites Flugzeug und das versprüht die Chemikalien. Dieses Flugzeug taucht nicht auf dem Radar auf! Der Streifen von diesem Flugzeug sieht auch ganz anders aus, viel weicher und weiter verteilt.“
Irgendwann kamen die ersten Menschen aus dem Zug. Leider kam ich deshalb nicht mehr dazu, ihn zu fragen, warum uns die Regierung denn seiner Meinung nach umbringen wolle. Ich fragte ihn aber noch, was denn passieren müsse, damit er, wenn wir uns in zehn Jahren wieder träfen, eingestehen würde, dass das mit dem Klimawandel und dem CO2 ein Problem sei. Er meinte, dass es schon sein könne, dass er das einsehen würde, aber er sei noch nicht überzeugt.
Das hörte sich gaaaanz anders an als der Beginn unseres Gesprächs.
Dann war auch Mausi da, stieg auf der anderen Seite des Busses ein und wir verabschiedeten uns lächelnd und winkten uns zu. Das war großartig!
Die nahe Zukunft
Ich habe was für seinen ökologischen Fußabdruck und für meinen Handabdruck getan. (Der Fußabdruck sind die Klimafolgen, die wir individuell zu verantworten haben. Er ist kein so gutes Maß, denn bestimmte Dinge können wir selbst nicht beeinflussen. Ich kann meinen eigenen Fußabdruck nicht mehr viel senken (kein Auto, keine Flüge, kein Fleisch, null Heizung, Solarstrom usw.). Der Handabdruck ist positiver gedacht: Dort wird bewertet, wie man andere oder gleich die gesamte Gesellschaft positiv beeinflusst. Zu Hand- und Fußabdruck siehe Sind wir individuell für die Klimakatastrophe mitverantwortlich? Ja, natürlich!)
Ansonsten denke ich, dass ich jetzt auf Tour durch die neuen Bundesländer gehen werde und mit allen, die wollen, darüber streiten werde, ob es den menschengemachten Klimawandel gibt, oder nicht. Die Grünen können in Berlin bleiben. Ich mach das schon. Der Strößenreuther kommt dann eine Woche nach mir mit dem Fleck vorbei und vertickert überall die Solarzellen und Windräder. =:-) Hey, ich hab Visionen und ich geh nicht zum Arzt!
Im Wikipedia-Artikel zum Aralsee gibt es eine Animation, die das Austrocknen zeigt. Der Aralsee war der viertgrößte See weltweit und wurde von den Einheimischen „das Meer“ genannt. Die Austrocknung ist hauptsächlich auf die jahrzehntelange Wasserentnahme für die Landwirtschaft zurückzuführen. Der Klimawandel gibt ihm jetzt den Rest. Er kann wohl nicht mehr gerettet werden. Beim SWR gibt es einen guten Radiobeitrag zum Aralsee und zu Wasser in der Region.
Annalena Baerbock
Liebe Grüne, verzeiht mir. Aber es hat ja keiner gehört.
Chemtrails
Also die Chemtrails kommen irgendwie immer im Paket mit Klimawandel-Verleugnung. Ich hatte schon vor einer Woche so was. Ein studierter Mensch. Architekt. Ich hatte dazu mal in Wikipedia nachgeguckt (Wikipedia: Chemtrails), da kann man ein bisschen dazu finden. Aber das wird natürlich nicht als Quelle anerkannt, denn die stecken ja alle unter einer Decke bzw. es ist so geheim, dass nur die eingeweihten Kreise und die Verschwörungstheoretiker*innen etwas wissen können. Der andere Verschwörer meinte übrigens, dass in der Gegend um den Flughafen in Frankfurt/Main so Quadrate mit Kondensstreifen abgedeckt würden. Die Flugzeuge würden immer hin und her fliegen, bis eine komplette Fläche abgedeckt wäre. Und sie würden nicht auf flightradar auftauchen.
Irgendwie scheint mir die Regierung ein bisschen blöd zu sein, dass sie die Chemtrails so offensichtlich für alle ausbringt. Wäre es da nicht besser, das Trinkwasser zu vergiften? Die Idee hatten ja damals schon die Hippies, die wollten LSD in die großen Seen kippen. Und die Hippies sind jetzt in der Regierung!! Die Vergiftung übers Trinkwasser würde niemand sehen können und es wäre sicher auch billiger, weil man sich das Rumfliegen sparen könnte und es wäre auch besser für die Regierung, weil die ja überlebt und das CO2, das beim Fliegen entsteht, ist ja schlecht für’s Klima und würde der Regierung schaden. Ach, Moment: Das mit dem CO2 wird ja als Argument nicht akzeptiert. Ehm, und noch ein Gedanke: Wie schützt sich eigentlich die Regierung vor den Chemtrails? Die laufen ja auch alle draußen rum. Außer Olaf Scholz natürlich. Wo ist der eigentlich?
Ab zwei ist es eine Tradition, oder? Wir waren im letzten Jahr auf Tour auf dem Mauerradweg. Die Tour war Teil des Stadtradelns und es sind Menschen von Scientist for Future mitgefahren. Die Tour ging vom S-Bahnhof Bornholmer Straße 37 km zur Bürgerablage, wo wir schön Mittag gegessen haben. Man kann draußen im Wald sitzen und es gibt einen See mit Badestelle.
Danach sind einige mit der S-Bahn ab Henningsdorf (7 km entfernt) und andere quer durch die Stadt zurückgefahren und ein Viererteam ist sogar noch bis zur Wannseefähre nach Kladow weitergefahren (insgesamt 78km).
In Kladow gibt es die Fähre über den Wannsee. Wenn man sie gerade verpasst hat, kann man in einem Cafe Eis essen oder etwas trinken. Auf der anderen Seite liegt der S-Bahnhof Wannsee, von dem aus man mit der S-Bahn zurück nach Wo-auch-immer fahren kann. Im letzten Jahr war es der heißeste Tag im Jahr und wir haben in dem Ausflugslokal auf der S-Bahn-Seite noch schön ein paar große Apfelsaftschorlen getrunken, aber in diesem Jahr fahren vielleicht einige noch weiter? Muss nicht, aber alles ist möglich.
Weil es letztes Jahr so schön war, fahren wir dieses Mal zweimal: am 11.06.2023 und am 18.06.2023. Treffpunkt 9:00 S-Bahnhof Bornholmer Straße (Nordseite). Ich werde eine Life-Karte mit unserer Position tweeten und tröten, so dass man uns auch später noch finden kann. Man kann auch am S-Bahnhof Wilhelmsruh noch dazukommen, das sind dann 5km weniger.
Das ist die Tour vom letzten Jahr. So könnt Ihr sehen, wo sie exakt langgeht und wie schnell wir gefahren sind.
Bernhard Pötter schreibt in der taz zu Klimathemen. Ich schätze Ihn sehr. Zur Letzten Generation hat er geschrieben:
Verglichen mit ihrem Pathos und ihrem Störpotenzial sind ihre Forderungen fast banal: Tempolimit, 49-Euro-Ticket, Bürgerrat, Gespräche mit der Regierung, wie am Beginn der Woche mit Verkehrsminister Volker Wissing. Alles gute Ideen – aber nichts, was uns einer echten Veränderung des fossilen Systems wirklich näher bringt. Keine Disruption.
Ich denke, dass Bernhard Pötter das Potenzial der Bürgerräte kollossal unterschätzt und habe ihm deshalb diesen Brief geschrieben:
Lieber Herr Pötter,
Vielen Dank für Ihren Beitrag zur Letzten Generation. Ich schätze Ihre Beiträge in der taz sehr! Insbesondere auch Ihren Humor. Ohne Humor wäre die gesamte Situation sehr schwer zu ertragen. So ist sie nur schwer zu ertragen.
Zu Ihrem Artikel bzgl. Letzte Generation möchte ich aber ein paar Anmerkungen machen. Ich habe mich auch oft gefragt, warum die Letzte Generation so etwas wie Tempolimit fordert und verspricht, die Proteste nach Umsetzung einzustellen. Das kann doch nicht ernst sein. Die Logik dahinter ist: Es ist klar, dass die Gegenseite (Porsche und Wissing) nicht auf dieses Angebot eingehen, obwohl ein Tempolimit nichts kosten würde und sehr einfach umzusetzen wäre. Damit kann man dann immer sagen: „Selbst zu diesen einfachsten Maßnahmen wart Ihr nicht bereit.“
Das 9€-Ticket (nicht das Jetzt-noch-49€-Ticket) wäre schon eine Stufe höher, denn dafür müsste der Nahverkehr massiv ausgebaut werden. Deshalb wurde das von Wissing eben auch nicht umgesetzt.
Die dritte Forderung der Letzten Generation nennen Sie auch zu soft, dabei ist das die Hammer-Forderung schlechthin und der einzige Weg, wie wir aus der Situation kommen, in der wir sind. Fridays For Future wurde dafür gelobt, dass sie (anfänglich) eben keine konkreten Forderungen gestellt haben. Sie haben „lediglich“ die Einhaltung des Pariser Abkommens gefordert. Es ist Sache der Politik, den Prozess der Transformation zu gestalten. Sache der Gesellschaft das irgendwie auszuhandeln. Fridays for Future hat das eingefordert. Nicht viel anders ist es bei der Letzten Generation: Sie haben einige Grundforderungen, Notmaßnahmen, aber die Hauptforderung ist jetzt Klimaneutralität 2030 + Gesellschaftsrat. Das große Problem, das wir haben, ist, dass Politik immer in Legislaturperioden gedacht und gemacht wird. Lobbyist*innen beeinflussen Politiker*innen. Politiker*innen wollen wiedergewählt werden. Das führt dazu, dass nicht im Sinne langfristiger positiver Entwicklungen entschieden wird. Außerdem wählt ein Großteil der Bürger*innen überhaupt nicht mehr. Sie sind durch unser Parlament also nicht repräsentiert. Ja, ihr Wille ist nicht einmal irgendwo erfasst. Diese Probleme wären mit einem Bürgerrat gelöst, denn der würde Deutschland repräsentativ abbilden. Gelost.
Lobbyismus wäre stark erschwert. Wiederwahl egal. Es würden alle berücksichtigt. Man könnte dann – unter medialer Begleitung – aushandeln, was Deutschland bereit wäre zu tun, damit es 2030 oder wann auch immer klimaneutral wird. (Ein sehr schöner Film zum Thema ist When Citizens Assemble, der einen Bürgerrat in Irland dokumentiert. Es ging um Abtreibung, ein Thema, das mit anderen demokratischen Mitteln nicht entschieden werden konnte.)
Manche Ihrer Vorschläge würden vielleicht Ergebnis dieses Aushandlungsprozesses sein. Andere Dinge, die Sie aufgezählt haben, sind freiwillige Initiativen, die man einfach jetzt schon machen könnte, und der Steuerboykott ist eine Protestform, die man dann vielleicht nicht mehr bräuchte.
Ich möchte Sie bitten, sich die Bürgerräte doch noch einmal genauer anzugucken. Für mich scheint es die einzige Möglichkeit zu sein, wie wir aus dem Schlamassel rauskommen. Die Letzte Generation hat eine gute FAQ zum Gesellschaftsrat auf ihrer Webseite. Die Bürgerräte stehen auf S. 8 schon im Koalitionsvertrag. Frühere Bürgerräte in Deutschland hatten CDU-Schirmherren (Schäubele, Köhler). Das heißt, dass sie parteienübergreifend als mögliche Erweiterung unserer Demokratie gesehen werden.
Gisbert war nicht nur ein exzellenter Sprachwissenschaftler, was man daran ablesen kann, dass ein Workshop zu seinen Ehren, der all seine Aufsätze vorstellt, drei Tage dauert.
Gisbert war außerdem ein begeisterter Hobby-Ornithologe und von Anfang an in der Klimabewegung aktiv. Dieser Blog-Post will Gisberts Beiträge in der Klimabewegung beleuchten, die Entwicklung der Klimabewegung in Deutschland grob nachzeichnen und die Frage diskutieren, was er wohl von der Letzten Generation vor den Kipppunkten halten würde.
Das folgende Bild zeigt ihn auf der ersten größeren Demo Ende 2018. Zu einer Zeit, zu der es Fridays for Future in Deutschland noch nicht gab.
Kohle stoppen – Klimaschutz jetzt 2018
Scientists for Future 2019–
Gisbert war auch von Anfang an bei Scientists for Future (S4F) aktiv. S4F wurde gegründet, als Lindner in Bezug auf Fridays for Future sagte, die sollten das mal die Profis machen lassen.
Doch das war Gisbert nicht genug. Gemeinsam mit anderen Wissenschaftler*innen der Berliner Unis gründete er im Mai 2019 (vor vier Jahren) Researchstrejk. Das war im Prinzip – wie die Schulstreiks von FFF – eine Aktion des zivilen Ungehorsams: Eine Stunde pro Woche wurde nicht geforscht, sondern mit Passant*innen diskutiert.
Weil einige seiner Mitstreiter*innen Bedenken hatten, wurde Researchstrejk in Forschungsmittagspause bzw. Climate Wednesday umbenannt. Die Mahnwachen fanden vor verschiedenen Berliner, Potsdamer und Leipziger Unis statt. Mitunter zusammen. Immer Mittwochs.
Bei diesem Protest vor dem Bildungsforum in Potsdam kam irgendwann die Polizei.
Ich dachte: „Oh, Mist! Nicht angemeldet!“ oder sonst wie Stress. Aber sie waren nur gekommen, um uns zu sagen, dass vor dem Landtag noch eine andere Klimagruppe war, die Verstärkung brauchte.
Gisberts Idee war, dass viele verschiedene Berufsgruppen solche Aktionen machen sollten: Freitags die Schüler*innen, Mittwochs die Wissenschaftler*innen. „Auch guck mal die Bahn-Mitarbeiter*innen.“ „Nein, heute ist doch Donnerstag, das sind die Sparkassenangestellten.“ Das Medieninteresse an Researchstrejk war damals 0,0000. Aber vielleicht wussten wir auch nur nicht, wem wir wie hätten Bescheid sagen müssen.
Gisbert hat an der Uni Potsdam für Klimaschutz gekämpft, er hat sich in der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), wo er für Graduiertenkollegs verantwortlich war, und in der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft (DGfS) für Klimaschutz und eine Reduktion der Treibhausgasemissionen eingesetzt. Gemeinsam mit Prof. Dr. Dr. Martina Schäfer von der TU Berlin und mit mir hat er eine Selbstverpflichtungsaktion zum Verzicht auf Kurzstreckenflüge an den Unis in Berlin und Brandenburg gestartet. Die Unterschriften wurden dann beim globalen Klimastreik von Fridays for Future an FFF übergeben.
Die Selbstverpflichtungsaktion wurde dann auf das Bundesgebiet ausgedehnt (S4F-Link), hat 4142 Unterschriften bekommen und ist wie so vieles andere in Corona untergegangen.
FFF und das Klimapäckchen 2019
Nach dem Klimastreik mit einer Beteiligung von 1,4 Millionen Menschen in Deutschland entwickelte die schwarz-rote Regierung (mit Olaf Scholz als Finanzminister) ein Klimapaket, das von der gesamten Klimabewegung als absolut unzureichend eingestuft wurde (#Klimapäckchen).
Das Gesetz wurde im Oktober 2019 beschlossen. Nach einer Klage unter anderem von Rechtswissenschaftlern bei Scientists 4 Future wurde das Gesetz 2021 vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurde. Die schwarz-rote Regierung erarbeitet in Windeseile ein neues Klimaschutzgesetz, das Treibhausgas-Neutralität bis 2045 vorsieht und Reduktionspfade für einzelne Sektoren vorgibt. Das geschah gerade noch rechtzeitig vor den Bundestagswahlen 2021.
FFF war die einflussreichste Klimagruppe in Deutschland, aber parallel entwickelte sich auch Extinction Rebellion (XR). Diese Gruppierung ist in Großbritannien viel größer als FFF, was wahrscheinlich auf die jeweiligen Einzelpersonen, die die Organisationen in den entsprechenden Ländern geprägt haben, zurückzuführen ist. XR hat im Oktober 2019 in Berlin große Blockaden gemacht. Sie forderten Klimaneutralität 2025, was ich schon damals für sehr ambitioniert hielt. Jetzt haben wir 2023 und sind immer noch seeeehr weit von der Klimaneutralität entfernt.
All diese Bewegungen und so auch Researchstrejk habe durch Corona einen erheblichen Dämpfer bekommen. Researchstrejk wurde komplett beendet, da es sinnlos gewesen wäre, vor leeren Uni-Toren zu stehen.
Klimamontag 2020–2022
Aber es gab einen besseren Nachfolger: Berlin for Future organisierte am Alex jahrelang den Klimamontag. Einmal im Monat um 18:00 gab es Vorträge und Musik.
Parteieingründung Klimaliste Berlin 2020
Am 09.08.2020 wurde mit Radikal Klima eine Partei gegründet, die sich noch stärker für Klimaschutz einsetzen will als die Grünen.
Die Partei nennt sich später in Klimaliste um. Aktivist*innen wie Kathrin Henneberger treten in die Grüne Partei ein.
FFF, XR und Hungerstreik, Letzte Generation 2021–
FFF und XR haben aber auch in der Corona-Zeit weitergemacht. Ich habe Carla Hinrichs, Henning Jeschke und Lea Bonasera im August 2021 bei einer XR-Blockade fotografiert, ohne sie zu diesem Zeitpunkt zu kennen (Album).
Die drei waren dann später beim Hungerstreik (Album) aktiv und haben die Letzte Generation gegründet. Zu diesem Zeitpunkt waren die Entwürfe des sechsten IPCC-Reports geleakt worden und die Hungerstreikenden wussten bestens Bescheid.
Sie waren der Meinung, dass es nicht ausreichen würde, sich ab und zu mit XR zu treffen (Frühlings- und Herbstrebellion) und ein paar Straßen zu blockieren. Ihrer Meinung nach musste der Protest auf eine ganz andere Stufe gehoben werden. Die Letzte Generation begann Widerstand gegen die unzureichenden Klimamaßnahmen zu organisieren. Die erste Aktion war eine Container-Aktion. Sie verteilten gerettete Lebensmittel im und vor dem Kaufland im Wedding (Album). Die Menschen waren dankbar.
Wenig später begannen die im Gespräch mit Scholz angekündigten Autobahnblockaden. Das war aber nicht alles. Die Letzte Generation hat ein wirklich buntes Programm an Protestaktionen entwickelt. Ich glaube, dass die Öl-Aktion vor dem Kanzleramt, bei der sechs Olaf Scholzs nach Nordseeöl gruben (Album), und auch die Weihnachtsbaum-Aktion, bei der LG vor den Augen der Polizei über 20 Minuten mit einer Hebebühne agierte, um die Spitze des Weihnachtsbaums am Brandenburger Tor abzuschneiden (Album), Gisbert gefallen hätten, denn er war für Quatsch aller Art stets zu haben. So war er auch Bestandteil des Kabinetts Müller I, das ich in meinem grenzenlosen Optimismus schon zusammengestellt hatten. Ich war ja 2021 einer der 299 Kanzlerkandidat*innen der Partei Die PARTEI. Gisbert war für den Minister für Post und Fernmeldewesen vorgesehen. Wir wollten die bestehenden Telegrafenverbindungen von der Sternwarte in Mitte zum Telegraphenberg in Potsdam zur DFG nach Köln wieder aktivieren und auch Bayern modernisieren. Leider ist aus meinen Kanzlerplänen nichts geworden, aber immerhin war ich der einzige Kanzlerkandidat, der die Forderung der Hungerstreikenden nach einem Gespräch erfüllt hat.
Aktionen wie die mit den sechs Ölafs und dem Weihnachtsbaum wurden jedoch von den Medien weitestgehend ignoriert. Das einzige, was zuverlässig für Schlagzeilen sorgte, waren Autobahnblockaden.
Krieg, IPCC-Bericht, Letzte Generation, Extinction Rebellion und Scientists Rebellion 2022
Am 24.02.2022 begann Putin seinen Krieg gegen die Ukraine. Die Klimakatastrophe war medial abgemeldet. Eine spektakuläre Aktion der Letzten Generation mit Luftballons am BER ging in der Kriegsberichterstattung unter.
Der IPCC-Bericht wird in drei Teilen veröffentlicht. Der erste erscheint am 28.02.2022. Extinction Rebellion blockiert die Marschallbrücke.
Die Zeitungen sind voll mit Kriegsberichterstattung. Immerhin schafft es Antonio Guterres als einziges Nicht-Kriegsthema in die 20:00-Ausgabe der Tagesschau.
Am 5.3.22 eine erneute Blockade der Marschallbrücke durch Extinction Rebellion. Diesmal mit einem raffinierten trojanischen Pferd, in dem vier Personen versteckt und vier weitere mit Lock Ons außen verbunden sind (Album).
Zwei Aktivist*innen von Extinction Rebellion verlesen eine Rede, die man für eine typische Aktivist*innen-Rede halten könnte, aber sie ist von Antonio Guterres, dem UN-Generalsekretär (Rede).
Zur selben Zeit sind Wissenschaftler*innen auf einem Platz an der Leipziger Straße aktiv. Mitten auf dem Platz besprühen sie Kittel mit dem Schriftzug Scientist Rebellion. Sie haben einen Eimer mit roter Farbe dabei und eine Schablone mit der „Aufschrift Ukraine Climate War“. Aufgrund des Krieges ist Berlin in erhöhter Alarmbereitschaft. Botschaften und andere Einrichtungen werden besonders bewacht. Die Zentrale von Gazprom ist gleich um die Ecke, zwei Zivilpolizisten mit offen getragener Pistole sind gleich auf dem Platz und zwingen alle auf den Boden. Erkennungsdienstliche Behandlung, Platzverweise.
Am 4.4. erscheint der dritte Teil des IPCC-Reports. Scientist Rebellion hat inzwischen genug Kittel besprüht, ist besser organisiert und Wissenschaftler*innen aus ganz Europa – darunter eine hochschwangere Biologin – blockieren die Kronprinzenbrücke (Album).
Klima after work 2022
Heinrich Stößenreuter, Initiator von vielen NGOs und Ereignissen (Changing Cities, German Zero, Critical Mass Berlin) hat mit Wolfgang Oels (CEO von Ecosia), Künstler*innen von Volle Halle und Berlin 4 Future die Klima after Work-Party ins Leben gerufen.
Das war im Prinzip eine lowlevelige Variante des Klimamontags. Eine Art Party, die jeden Freitag 17:00–18:00 stattfand. Die Idee Wolfgang Oehls war, dass sich die Teilnehmerzahlen jede Woche verdoppel sollten und bei 10 Mio würde es dann sehr schnell echten Klimaschutz geben. Alle waren mal da, aber zu exponentiellem Wachstum kam es nicht.
Dieser Plan war aber wohl ohne die extreme Individualisierung und Überforderung durch Corona gemacht worden. Klima after Work lief bis Weihnachten 2022.
Volksbegehren / Volksentscheid 2022–2023
Die Initiative Klimaneustart hat über Jahre für ein Volksbegehren und einen Volksentscheid gekämpft. Da Berlin wegen Schlamperei Neuwahlen durchführen musste, hätte es nahe gelegen, den Volksentscheid gemeinsam mit den Wahlen durchzuführen. Die Politik in Berlin hätte dann gewusst, was das Volk in Berlin will, aber die SPD hat das bewusst hintertrieben, hat den Volksentscheid in den März verschoben, auf einen Tag, der wegen der Zeitumstellung eine Stunde kürzer war und an dem ein Halbmarathon stattfand.
Geht doch in eine/gründet doch eine Partei, startet eine Petition, geht wählen, macht einen Volksentscheid
Ich habe in den letzten Jahren viele Klimaaktionen fotografisch begleitet. Oft haben Polizist*innen mit Aktivist*innen diskutiert und versucht, sie auf den Pfad der Tugend zurück und vom zivilen Ungehorsam abzubringen.
Sie hatten viele Vorschläge: Geht in eine Partei! Gründet eine Partei! Startet eine Petition, geht wählen, macht einen Volksentscheid, meldet Eure Demos an. Wie ich oben gezeigt habe, machen Aktivist*innen all das ständig. Manche auch gleichzeitig. Bis zum Burnout. Die Zeit ist knapp, denn es müssen in den nächsten Jahren die Weichen gestellt werden. Im IPCC-Report steht: „Die in diesem Jahrzehnt getroffenen Entscheidungen und durchgeführten Maßnahmen werden sich jetzt und für Tausende von Jahren auswirken.“ So, wie die Weichen jetzt stehen, zeigen sie nicht in Richtung 1,5°! Übrigens: Das 1,5°-Ziel wurde einstimmig vom Bundestag beschlossen. Es ist der Kompromiss. Man muss darüber nicht neu verhandeln. Man muss handeln.
Workshop und Berlin-Blockade 04/2023
Gisbert war ab Januar 2022 schwer krank, so dass ich ihn nicht mehr persönlich getroffen habe. Wir haben nie über die Letzte Generation vor den Kipppunkten geredet. Vom 27.–29.04.2023 fand nun der sprachwissenschaftliche Workshop zu seinen Ehren statt. Vom 24.04. an stört die Letzte Generation mit 800 Menschen den Verkehr in Berlin. Das sind Straßenblockaden mit den üblichen Klebeaktionen. Autobahnauffahrten, mit gemieteten Autos auch Autobahnen mittendrin und dann auch Kreuzungen im Innenstadtbereich. Dazu kommen so genannte Slow Walks, bei denen die Aktivist*innen einfach so die Straße langlaufen. Langsam. (Album)
Das erzeugt auch lange Staus. Je nach Situation sorgt die Polizei für gesperrte Straßen, indem sie Aktivist*innen kesselt. (Album)
Ich habe an alle Workshopteilnehmer*innen geschrieben, dass sie am besten das Rad nehmen sollten, denn beim Nahverkehr gibt es viele Baustellen und die Straßen sind dicht. Am ersten Tag, als ich auf dem Weg zum Festsaal der HU war, leitete die Polizei den Verkehr durch die kleine Nebenstraße, die ich nehme, um die Kreuzung Eberswalder/Schönhauser zu vermeiden. Ich dachte mir, diesen ganzen Verkehr tue ich mir jetzt nicht an, und bin weiter den Radweg gefahren. Auf der Kreuzung saß dann auch die Letzte Generation.
Sie haben sich dann auch unbemerkt in meinen Vortrag beim Gisbert-Workshop eingeschlichen. Sie waren einfach mittendrin auf einer Folie. Ohne Sinn und Verstand! Es hat nicht gepasst. Nur gestört. Die Bildqualität des Beamers war schlecht. Es war mir peinlich.
Einen Tag später saßen sie wieder da. Andere Menschen, gleiche Stelle:
Ich bin dann zum Ernst-Reuter-Platz zu einer angemeldeten Demonstration von Wissenschaftler*innen gefahren, die sich mit der Letzten Generation solidarisch erklärt haben (Album).
Zufällig gab es dann auch drei Straßenblockaden um den Ernst-Reuter-Platz herum.
Ganz rechts im Bild steht Dr. Hartmut Ehmler, Physiker und Energiewissenschaftler. Er war einer derjenigen, die beim Researchstrejk aktiv waren. Auch Prof. Dr. Dr. Martina Schäfer hat sich bereits bei einer früheren Solidarisierungsaktion mit der Letzten Generation solidarisiert (Album):
Ich fand die Solidarisierungsaktion am Ernst-Reuter-Platz, die genau zeitgleich mit dem Gisbert-Workshop stattfand, interessant und habe mich wieder gefragt, ob er wohl heute hier gewesen wäre.
Als ich später die Bilder ausgesucht habe, habe ich etwas gesehen, was mir vor Ort nicht aufgefallen war:
Ein großer roter Transporter von Fanselow-Berlin passierte die Blockade. Fanselow ist nun nicht so ein häufiger Name. Es kann also kein Zufall sein. Gisbert hat uns ein Zeichen geschickt und meine Frage beantwortet.
Nachwort
Ellen Brandner hat beim Workshop aus einem frühen Aufsatz von Gisbert zur Bindungstheorie zitiert: „Die Lage ist hoffnungslos aber nicht ernst“ (eine Verdrehung einer Aussage eines Kollegen). So ist es auch mit dem Klimaschutz: Die Regierung von Porschepartei, Klimakanzler und LNG-Grünen ist hoffnungslos vom Kurs abgekommen und will nun sogar auch noch das Not-Klimagesetz, das Scholz selbst mitverantwortet, so aufweichen, dass die Sektoren nicht mehr einzeln verantwortlich sind und auch nicht mehr so oft die Einhaltung überprüft wird. Das alles lässt sich nur mit Humor ertragen. Wir sind also nicht ernst. Ich glaube nicht ernsthaft daran, dass Gisbert über rote Autos mit uns kommuniziert.
Und übrigens: Das ist Ernst:
Er ist 73, hat 8 Enkel und ist bei der Letzten Generation aktiv.
Jetzt ist es passiert. Die Letzte Generation vor den Kipppunkten hat getötet. Ein Lebewesen. Einen Baum. Ich finde das nicht gut und denke darüber nach.
Letztendlich haben sie aber nur das gemacht, was sie schon immer gemacht haben: Sie haben Essen auf die Straße geworfen, um auf die Verschwendung hinzuweisen.
Das Essen war aus dem Müll, also geschenkt. Bzw. geklaut. Denn Containern ist eine Straftat!
(Die Container-Aktion hat sich übrigens genau so zugetragen wie im Video vom Browser-Balett, nur dass die Aktivist*innen das von der Polizei zurück in den Container gebrachte Essen noch mal geklaut haben.)
Dann haben sie Öl verschüttet, um gegen Erschließung neuer Ölvorkommen in der Nordsee zu protestieren. OK. War kein Öl, sondern nur angedickte Pampe.
Dann haben sie Bilder mit Kartoffelbrei beworfen, um darauf hinzuweisen, dass auch die Kunst verloren gehen wird, wenn unsere Gesellschaften im Chaos versinken werden. Die Bilder sind hinter Scheiben, also nichts wirklich passiert. Mich hat es aber dennoch geschockt. Ich mag Bilder. Ich glaube, diese Bilder-Aktionen waren für mich. Die Staus auf der Autobahn sind mir egal und vielleicht empfinde ich sogar ein bisschen Schadenfreude. Ich habe zwar eine LKW-Fahrerlaubnis, hatte aber noch nie ein Auto.
Nun also haben sie einen Baum abgesägt. Das ging zu weit: Sie haben ein Lebewesen umgebracht. Eine Grenze überschritten. Bin ich Spießer? Ein komischer Öko? Ein Tree-Hugger? Ja, echt. Ich hätte den Baum zum Abschied noch umarmt, wenn er nicht so dünn gewesen wäre. Na, nu isser hin.
Warum finde ich es schlimm, dass dieser Baum sterben musste? Warum finde ich es nicht viel schlimmer, dass der ganze Harz tot ist? Die Vogesen? Die Sächsische Schweiz? Der Thüringer Wald.
Schnirps, schnirps frisst sich er Borkenkäfer durch die von der Hitze geschwächten Bäume. Wir haben überlegt, wo wir in den Osterferien hinfahren. Harz oder Ostsee standen zur Diskussion. Die Bilder der Ferienunterkünfte zeigen den herrlichen Wald um Thale und Schierke. Aber: Davon ist nichts mehr übrig. Und es kommt auch so schnell nichts mehr wieder. Neue Bäume anzupflanzen ist nicht trivial, wenn das Wasser fehlt. Vielleicht wächst im Harz ein besser an die klimatischen Bedingungen angepasster Mischwald, wenn das Wasser reicht. Und in Brandenburg? Nach den Waldbränden in den Hitzesommern? Brandenburg hat zu wenig Wasser. Der Grundwasserpegel sinkt, Seen trocknen aus.
Warum nehmen wir das hin? Warum machen wir einfach so weiter? Warum fahren wir einfach nicht mehr in diese Gebiete, sondern dahin, wo die Folgen noch nicht so sehr zu sehen sind?
Ich möchte eine Vorhersage machen: Die Letzte Generation vor den Kipppunkten wird im Juni vor dem Kanzleramt eine Katze köpfen. Begründung: Katzen-Content geht immer auf Social Media und die Katzen werden auch unter der Hitze leiden, wenn wir so weitermachen. Die Polizist*innen vor dem Kanzleramt sollten also nicht nur auf Menschen mit Sägen, sondern auch auf solche mit Katzen in Rucksäcken oder auch Katzenboxen achten. Und auf Menschen mit Hunden. Besonders kleine niedliche Hunde. Hundehalter*innen sollten intensivst durchsucht werden. Auch aufpassen muss man natürlich bei Pferden, Schafen und Kühen.
OK. Das mit dem Vieh ist ernst: Durch Dürren verhungern Kühe und Schafe. Die betroffenen Menschen können nicht einfach neue zaubern. Sie sind ihrer Lebensgrundlage beraubt und es bleibt nur die Flucht.
Also: Zusammenfassung. Wenn Ihr nicht wollt, dass die Letzte Generation vor den Kipppunkten Katzenbabys köpft, dann macht irgendwas anderes, was die Regierung dazu bringt, das Klimaschutzgesetz einzuhalten und endlich massivst Transformationen anzukurbeln. Sie könnten ja zum Beispiel mit den Bürgerräten anfangen, die im Koalitionsvertrag auf S. 8 stehen.
Ihr wisst nicht, was Ihr tun könnt? Dann geht wenigstens zum Klimastreik von FFF. Der nächste ist am 3.3. Irgendwo auf diesem Planeten direkt vor Eurer Haustür.
PS: Ich hoffe inbrünstig, dass die Letzte Generation vor den Kipppunkten diese Vorhersagen nicht wahr werden lässt. Sonst könnte noch jemand denken, ich hätte das geplant oder mich verantwortlich machen, weil ich sie inspiriert hätte.
Kommentar von Peter Unfried zur Letzten Generation
Peter Unfried kritisiert eine Aktion der Letzten Generation vor den Kipppunkten vor dem Bundeskanzleramt, bei der diese einen Baum abgesägt haben, um auf die Zerstörung hinzuweisen.
Ehrlich gesagt, finde ich diese Aktion von all denen, die ich bisher fotografiert habe (insgesamt 32) am wenigsten stimmig, aber das ist eine andere Frage. Im Folgenden sind die Zitate aus dem Kommentar blau. Also:
Unfried schreibt:
Klimaschutz-Aktivisten haben in dieser Woche in Berlin einen kleinen Baum vor dem Kanzleramt gefällt, um die „Zerstörung der Zivilisation durch Wirtschaft & Politik sichtbar“ zu machen. Putzig, danke vielmals. Da wären wir ja ohne die pädagogisch-metaphorische Belehrung der „Letzten Generation Hänschen klein“ niemals drauf gekommen. Offenbar hält diese Truppe die Deutschen, also uns, für bescheuert, gehirngewaschen durch Konsumfetischismus und so was, und deshalb apathisch und ignorant gegenüber bösen Kapitalisten und ihren liberaldemokratisch gewählten Helfershelfern, sodass man uns wachrütteln muss.
Das ist polemisch, aber OK, es ist ja ein Kommentar. Darf ich auch polemisch sein? Ein bisschen?
George Monbiot, Journalist beim Guardian, geht davon aus, dass weniger als 1% der Weltbevölkerung die Klimakatastrophe in ihrer ganzen Schönheit verstanden haben (Video von 2022). Ich bin sehr froh, jetzt von Peter Unfried gelernt zu haben, dass dieses eine Prozent deckungsgleich mit der deutschen Bevölkerung ist. Das ist toll. Dann sind wir zumindest in Deutschland der Lösung der Probleme wahrscheinlich recht nahe. Ansonsten hier noch mal die Erinnerung von Maja Göpel von 2019, die im Prinzip dasselbe wie George Monbiot sagt: Das Ausmaß der Bedrohung durch die Irreversibilität ist von den meisten Menschen noch nicht verstanden worden.
Jetzt kann man sagen: Ah, ja. Das war 2019. Inzwischen hat es auch der/die letzte geschnallt. I doubt it. Ich kann Peter Unfried (Chefreporter der taz) nur empfehlen, einfach mal das Volk zu Klimathemen zu befragen. Ich habe mit vielen Menschen geredet, als ich Unterschriften für den Volksentscheid Berlin Klimaneutral 2030 gesammelt habe. Und: Es mag schockierend sein für einen Chefreporter einer Zeitung: Aber es gibt Menschen die nicht Zeitung lesen und keine Ahnung von der Klimakatastrophe haben.
U schreibt:
Das ist eine traditionelle Widerstandserzählung, sie stimmt halt nur so nicht. Vor allem ist sie nicht produktiv zu bekommen. Was wäre denn die Alternative zu Marktwirtschaft und parlamentarischer Demokratie?
Das ist Polemik gepaart mit Unkenntnis und Unterstellung. Die Letzte Generation möchte die parlamentarischen Demokratie nicht abschaffen. Das weiß auch der Berliner Verfassungsschutz und die Zeitung, in der Peter Unfried Chef-Reporter ist, hat darüber berichtet:
Derweil sieht der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, die Letzte Generation nicht als extremistisch an. Bei einer Diskussionsveranstaltung am Mittwoch sagte Haldenwang, er erkenne nicht, „dass sich diese Gruppierung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richtet“. Insofern seien die Aktivist:innen kein Beobachtungsobjekt für den Verfassungsschutz.
Linksautoritäre Staatswirtschaft ja wohl nicht, in der die Läden halbleer sind, die Staatskassen ganz leer und die Leute davonrennen, wenn man sie nicht erschießt. Ich chargiere jetzt auch mal etwas.
Ja, das funktioniert nicht, das will auch keiner und die geforderten Bürgerräte sind gedacht, genau das zu verhindern. Siehe unten. Zu den halb leeren Läden: Ich verweise auf Großbritannien, wo zum Teil durch den Brexit aber eben auch zum Teil durch Missernten bedingt, die Regale leer sind. (tagesschau, 2023)
Zu schaffen macht den Landwirten auch der Klimawandel. So litt Großbritannien im Sommer 2022 unter einer Hitzewelle, im Dezember unter langem, hartem Frost. Wegen des schlechten Wetters seien Karotten, Pastinaken, Kohl und Blumenkohl in Mitleidenschaft gezogen worden, sagte Tim O’Malley vom britischen Lebensmittelproduzenten Nationwide Produce. Er rechnet mit weiteren Preissteigerungen.
Wer regiert dort gerade? Ja, die Tories. So weit weg von linksautoritärer Staatswirtschaft, wie es nur geht.
Die Letzte Generation vor den Kipppunkten – und wie das Bild zeigt, nicht nur die – warnt vor Ernährungsengpässen durch Missernten, die kommen werden, und wenn wir Pech haben, kommen sie durch die sich gegenseitig verstärkenden Krisen früher und massiver als wir gedacht haben. Die Brotpreise sind im letzten Jahr bereits gestiegen (Ukrainekrieg + Missernten, Deutschlandfunk). Übrigens: Zu dem Zeitpunkt, ab dem die Läden hier leer sein werden, lohnt sich das Wegrennen nicht mehr, denn nebenan werden sie genauso leer sein.
Unfried schreibt:
Oder sorgen statt gewählter Parlamentarier ausgeloste Bürger dafür, dass es keine unterschiedlichen Interessen mehr gibt?
Das ist unglaublich und eine Schande für die taz. In mehrerlei Hinsicht. 1) scheint Peter Unfried nicht zu wissen, was Bürgerräte sind, wie sie funktionieren und was deren Ziel ist. Auch scheint er den Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung nicht zu kennen. Ich zitiere aus diesem Koalitionsvertrag (S. 8):
Lebendige Demokratie Demokratie lebt vom Vertrauen in alle staatlichen Institutionen und Verfassungsorgane. Wir werden daher das Parlament als Ort der Debatte und der Gesetzgebung stärken. Wir wollen die Qualität der Gesetzgebung verbessern. Dazu werden wir neue Vorhaben frühzeitig und ressortübergreifend, auch in neuen Formaten, diskutieren. […] Wir wollen die Entscheidungsfindung verbessern, indem wir neue Formen des Bürgerdialogs wie etwa Bürgerräte nutzen, ohne das Prinzip der Repräsentation aufzugeben. Wir werden Bürgerräte zu konkreten Fragestellungen durch den Bundestag einsetzen und organisieren. Dabei werden wir auf gleichberechtigte Teilhabe achten. Eine Befassung des Bundestages mit den Ergebnissen wird sichergestellt. Das Petitionsverfahren werden wir insgesamt stärken und digitalisieren und die Möglichkeit schaffen öffentliche Petitionen in Ausschüssen und im Plenum zu beraten.
Koalitionsvertrag 2021–2025, SPD, Grüne, FDP, S. 8
Die Bürgerräte sind nicht dazu da, dass es hinterher eine Gesellschaft mit Bürger*innen gibt, die alle die gleichen Interessen haben. [Parlamentarisch gewählte Abgeordnete übrigens auch nicht.] Bürgerräte sind dazu da, Probleme zu lösen, die man mit den normalen politischen Mitteln nicht gelöst bekommt. Zum Beispiel deshalb, weil keine Partei Maßnahme XY vorschlagen oder durchsetzen kann, ohne massive Stimmenverluste zu erleiden. Oder eben weil man Mehrheiten braucht für Regierungen und dann eine FDP mit dabei hat, die um ihre Rolle weiß und alles blockiert. Ein Beispiel für ein solches Problem war die Frage der Abtreibung im katholischen Irland. Keine Partei konnte es sich leisten, sich für Abtreibung einzusetzen. Der Bürgerrat hat Vorschläge an die Regierung gemacht. Auf Grundlage dessen gab es ein Referendum und jetzt ist die Abtreibung legalisiert:
Es gab in Deutschland schon einige Bürgerräte zu verschiedenen Themen. Einer davon zum Klima. Dieser fand unter der Schirmherrschaft des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler (CDU) statt. Hier kann man Bundestagspräsident Wolfgang Schäubele (CDU) zu einem anderen Bürgerrat sehen:
Wir haben also SPD, Grüne, FDP und CDU als Befürworter dieses Instruments zur Erweiterung der Demokratie. Die Letzte Generation vor den Kipppunkten kämpft für die Erhaltung der Demokratie, ja für ihre Verbesserung. Für einen Weg aus der Falle, in der wir uns – auch durch Einwirkung von Lobbygruppen – festgefahren haben.
Zu einem Wort im letzten Zitat muss noch etwas angemerkt werden: statt. Die Letzte Generation vor den Kipppunkten fordert in der Tat, dass die Ergebnisse des Gesellschaftsrats 1:1 umgesetzt werden. Der Grund hierfür ist, dass es bereits einen Klima-Bürgerrat gab, die Ergebnisse aber einfach ignoriert wurden. Auch Ergebnisse von Bürgerräten in anderen Ländern wurden nur teilweise umgesetzt (Frankreich, taz, 26.10.2020). Wie Umfragen zu den Ergebnissen des Klimabürgerrates zeigen, werden die Ergebnisse von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert (PHA2SE, 2021). Wenn man das noch einmal demokratisch absichern wollen würde, könnte man den Bürgerrat mit einem Volksentscheid kombinieren. Das Problem ist, dass dazu das Grundgesetz geändert werden müsste, weil dieses Volksentscheide auf Bundesebene nur zu sehr eingeschränkten Themen vorsieht (Wikipedia zu Volksentscheid). Aber: Grüne, FDP, Linke, SPD und CSU haben seit 2002 Vorschläge zur Änderung des Grundgesetzes in den Bundestag eingebracht (Zu den Details siehe auch Wikipedia). Die Einführung von Volksentscheiden liegt also im Bereich des Denkbaren.
U schreibt:
Und dann sind wir alle gute Menschen, und es kommt zu einem kollektiven moral change hin zu einem Kleinstfußabdruck-Lebensstil ganz ohne Bali-Flüge? Get a life.
Nein, sind wir nicht. Das ist genau der Punkt. Man darf die individuelle Ebene nicht mit der politischen verwechseln. Wir einigen uns gemeinsam, wie weit wir gehen wollen, was angesichts der sich verstärkenden Katastrophe nötig und möglich ist. Zum Beispiel wäre ein Tempolimit ein garantiertes Ergebnis eines Klimabürgerrates. Eine Mehrheit der Deutschen ist ohnehin dafür und der Rest muss sich dann eben der Mehrheit fügen. Flüge könnten teurer werden. Man könnte Flugreisenkontingente einführen oder stark wachsende Preise in Abhängigkeit der geflogenen Meilen pro Person. Das sind Ideen und die repräsentativ zusammengesetzten Bürgerräte können das ausdiskutieren und einen Kompromiss finden, der für die Gesellschaft tragbar ist.
2) Peter Unfried wiederholt eine Lüge, die die Bild-Zeitung in die Welt gesetzt hat, und die in der Zeitung, in der er Chefreporter ist, auf einer drittel Seite richtiggestellt wurde (taz, 02.02.2023). Die Aktivist*innen der Letzten Generation, auf die er anspielt, waren noch nie in ihrem Leben in Bali. Sie waren bzw. sind (für mehrere Monate) in Thailand.
Unfried schreibt:
Protest ist ein System und hat eine Funktion. Aber wenn die sozialökologische Transformation nach den verlorenen CDU-SPD-Jahrzehnten jetzt an Dynamik gewinnen soll (und das soll sie!), muss die Gesellschaft wissen, an welchem Punkt wir jetzt sind. Und da finde ich die These des sozialökologischen Politikers Boris Palmer (siehe Interview Seite 34) diskussionswürdig, dass wir über die Phase hinaus seien, in der es noch darum ging, politische Mehrheiten zu gewinnen und die Leute mit apokalyptischen Endzeitdrohungen zu bearbeiten. Das heißt: Wir wissen mehrheitlich, dass wir transformieren müssen, sehen die vielen Vorteile und wollen das jetzt auch tatsächlich machen.
Ach so. Werbung für das selbst geführte Interview. Na gut. Dazu später. Aber hallo? Man braucht keine Mehrheiten, man muss transformieren? Ja, wie denn? Mit der Ampel? Die Autobahnen ausbauen will? Also nicht die ganze Ampel aber die FDP. Mir fallen diverse Maßnahmen ein: Tempolimit, Abbau von Subventionen für fossile Energien: Pendlerpauschale, Dienstwagenprivileg, Kerosinsteuer. Das wären erst mal die Anreize, die in die falsche Richtung gehen und abgebaut werden müssen. Dazu kämen dann Anreize in die richtige Richtung. Wo ist das alles? Wer blockiert das? Und sollte man dagegen nicht protestieren? Oder soll man lieber doch noch drei Jahre warten und dann neu wählen? Anders? Wie denn bitte? Ich habe die FDP schließlich nicht gewählt.
Leider gehen damit die Herausforderungen erst los. Doch es sind eben andere als die, die wir bisher bearbeiteten. Und sie sind womöglich noch größer. Es braucht eine gesetzliche, digitale, unternehmerische und handwerkliche Infrastruktur des Machens. Beispiel: Wenn die entsprechende Gesetzesvorlage des grünen Wirtschafts- und Klimaministeriums durch den Bundestag ist, müssen Windräder in sehr großer Zahl produziert sein, am besten von weltmarktorientierten deutschen Firmen, und dann unverzüglich von Behörden genehmigt, von Fachkräften hingestellt und in Betrieb gebracht werden. Dito Solaranlagen, dito Wärmepumpen. Dito Ladeinfrastruktur für unsere Elektroautos. Und so weiter.
Ja, super. Energie ist ein Baustein, aber das ist nicht alles. Wir leben in zu großen Wohnungen, haben ein falsches Verkehrssystem („unsere Elektroautos“ Lieber Herr Unfried: Schon die Herstellung Ihres neuen Elektroautos verbraucht Ihr Restbudget an CO2. Siehe Car is over und Sachverständigenrat für Umweltfragen, 2022), essen zu viel Fleisch, ruinieren die Böden durch falsche Landwirtschaft. Usw. usf. Das sind alles Punkte, für die wir politische Lösungen brauchen. Diese können wir nur als Gesellschaft gemeinsam finden. Und zwar nicht durch Gleichschaltung der Interessen sondern durch Ausgleich.
Protestieren, so verständlich das in emotionaler Not sein mag, ist nicht die zentrale Aufgabe der nächsten Zeit. Es geht jetzt um eine Infrastruktur des Machens. Wir brauchen Firmen, wir brauchen Produkte, wir brauchen Installateure, wir brauchen eine funktionierende Bürokratie.
OK. Das ist neu. Statt: „Ej, hört doch mal auf die kleinen Leute auf dem Weg zur Arbeit zu ärgern! Geht lieber zu den Politikern!“, kommt jetzt, zu einer Aktion vor dem Bundeskanzleramt: „Ej, hört doch mal ganz auf zu protestieren!“ Dazu noch eine Abwertung mit „emotionaler Not“. „Ej, kriegt mal Eure Gefühle in den Griff!“
Was wir gar nicht brauchen, ist eine anachronistische Widerstandshaltung, die das Missverständnis pflegt, die postfossile Bewegung sei in der Minderheit. Ja, die FDP bremst, und andere blockieren noch. Aber wir sind die Mehrheit.
Oh, das ist ja schön. Dann ist ja alles gut. Leider kontrafaktisch. Die CDU hat gerade in Berlin einen überragenden Wahlsieg eingefahren. Und zwar mit einem Wahlkampf, in dem mit der Klimaautobahn A100 geworben wurde und die armen Autofahrer*innen als potentielle Wähler*innen direkt angesprochen wurden. Und selbst wenn alles klar wäre und wir die Mehrheit wären: Die Regierung handelt nicht. Jedenfalls nicht angemessen. Die Vorgaben aus dem Klimagesetz wurden von zwei Sektoren gerissen. Die gesetzlich vorgeschriebenen Sofortprogramme wurden im Verkehrssektor nicht geliefert. Der von der Regierung bestellte Expertenrat für Klimafragen hat die Prüfung des „Sofortprogramms“ aus dem Hause Wissing abgebrochen, weil es ein Witz ist (taz, 02.01.2023, Expertenrat Klimafragen, 2022: 81–82). Was nützte es, wenn wir die Mehrheit wären?
Und noch ein letzter Punkt: Wenn Politiker*innen oder Journalist*innen die Proteste der Letzten Generation vor den Kipppunkten kleinreden wollen, sprechen sie von „jungen Leuten“ oder gleich wie Peter Unfried von „Letzte Generation Hänschen klein“. Zum einen: Die Letzte Generation besteht aus Aktivist*innen aller Altersklassen (65 Portraits mit Name, Alter, Beruf). Zum zweiten, und das wird von den Kritiker*innen gern weggelassen: Es gibt seit April 2022, der Veröffentlichung des Sechsten Sachstandsberichts des IPCC, auch in Deutschland Scientist Rebellion.
Scientist Rebellion ist eine internationale Gruppe von Wissenschaftler*innen, die explizit die Letzte Generation unterstützen und mit denselben Aktionsformen und zum Teil auch in Koalition mit der Letzten Generation agieren.
Vor knapp zwei Wochen gab es auch eine Solidarisierung von Wissenschaftler*innen, die überwiegend nichts mit Scientist Rebellion zu tun haben.
Warum machen das Wissenschaftler*innen wohl? Meine Vermutung ist, dass sie der Meinung sind, dass die Bedrohung durch die Klimakatastrophe, in der wir uns bereits befinden, immer noch nicht verstanden worden ist. Ja, auch von Peter Unfired nicht! Über diese Solidarisierung wurde übrigens in der taz nicht berichtet. Vielleicht ja dann beim nächsten Mal.
Zwischenfazit: Dieser Kommentar von Peter Unfried ist ein Skandal in einer Zeitung wie der taz.
Interview von Peter Unfried mit Boris Palmer
So, jetzt Palmer. Das Interview führte Peter Unfried.
wochentaz: Lieber Herr Palmer, sollte man Politiker fragen, welche Elemente einer ökologischen Kultur sie in ihren Lebensstil integriert haben?
Boris Palmer: Kann man schon fragen. Das bringt nur keine großen Erkenntnisse. Die Aufgabe eines Politikers ist es, von sich selber zu abstrahieren und eine Position zu finden, die für das Gemeinwohl gut ist.
Genau richtig!
taz: Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, ihr Ministerpräsident Kretschmann, hatte in der Energiespardiskussion erwähnt, dass er auch mal zum Waschlappen greife statt zur Dusche, worauf große gespielte Empörung ausbrach.
Palmer: Die Waschlappen-Ebene, also die mediale Stilisierung von Öko-Tugenden, kann man generell vergessen. Die Leute ändern sich jetzt erst mal nicht oder nur ganz wenig.
Nun ja, nun ja. Wichtig ist die politische Ebene, aber die kann nur das machen, wozu die Menschen (mehrheitlich und mit entsprechenden politischen Mehrheiten) bereit sind. Es ist nicht wahr, dass es keine Änderungen gibt: Der Konsum an Schweinefleisch ist in den letzten Jahren gesunken (taz, 19.02.2023). Aber insgesamt ist das natürlich zu wenig und die Probleme müssen auf der politischen Ebene gelöst werden.
taz: Der Vizekanzler sagt immer, es sei bewundernswert, wie viel Gas in der Krise eingespart wurde.
Ja, weil BASF die Produktion nach China verlagert hat. Aber die Leute duschen nicht kürzer und sie machen auch die Wohnungen nicht kälter.
Diese Aussage ist falsch. Unser Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck aus der Partei, in der Palmer mal Mitglied war, hat am 27.01.2023 in einem Interview mit Peter Unfried gesagt, dass wir im vierten Quartal 2022 22% eingespart haben. Beide Aussagen können nur dann gemeinsam wahr sein, wenn BASF wirklich die Produktion verlagert hätte und vorher 22% des gesamtdeutschen Energieverbrauchs benötigt hätte. Die Pläne in Bezug auf die Abwanderung nach China betreffen aber das Jahr 2024 (tagesschau, 24.02.2023).
Die Chemie-Industrie ist im vergangenen Jahr „nur“ 1% gewachsen. Die Einsparungen sind wohl doch auf andere Bereiche zurückzuführen. Zum Beispiel wurden öffentliche Gebäude weniger geheizt. Bei Universitäten ging der Energieverbrauch bis zu 25% zurück. Bei der FU Berlin waren es 20% (Energiemonitor). Das Hauptgebäude der HU hängt an einem Gaskraftwerk. Die Angestellten haben nach eindringlichen Aufrufen die Heizung runtergedreht und auch ausgelassen, wenn keine Heizung benötigt wurde. Die Einsparungen wurden also durch ein Zusammenwirken der politischen und der individuellen Ebene erreicht. Ich kenne auch viele Menschen, die in ihren Wohnungen Temperaturen reduziert bzw. nicht geheizt haben. Viele einfach auch, weil sie arm sind.
taz: Jetzt haben wir Leute auf den Straßen, die Klimapolitik verlangen und Gesetzesbrüche mit einem höheren Ziel begründen. Hilft das?
Ich glaube, es hält mehr auf als sonst was.
taz: Begründung?
Ich habe noch niemanden getroffen, der sagt: Wegen der Klebe-Protestierer machen wir jetzt ein konkretes Klima-Projekt, damit es schneller vorangeht. Ich treffe aber viele Leute, die sagen: Das regt mich auf. Der Irrtum dieser Art Protest ist, dass er sich auf Waschlappen-Ebene bewegt und immer noch glaubt, den Leuten erklären zu müssen, wie wichtig Klimaschutz ist.
Das ist falsch. Der Protest richtet sich gegen das Nichthandeln der Regierung:
taz: Muss man nicht? [erklären, wie wichtig Klimaschutz ist]
Nein. Anders als vor zehn Jahren haben eigentlich alle wesentlichen Akteure begriffen, wie wichtig das ist. Das Problem ist nicht mehr der politische Wille.
Oh. Da bin ich froh. Aber nur mal kurz: Wieso gibt es dann noch kein Tempolimit, obwohl das massiv CO2 einsparen würde und nichts kosten würde?
Wieso kriegt die Regierung nicht mal das hin? Ach so, ja die FDP. Aber es gibt noch einen Bundeskanzler, der in der SPD ist, und einen Klimaminister, der bei den Grünen ist. Die gesamte Regierung ist für ihr Handeln bzw. Nicht-Handeln verantwortlich.
taz: Sondern? [was ist das Problem?]
Wenn Habecks Kabinettsvorlage demnächst durch den Bundestag geht, ist die jahrhundertelange Vogelprüfung beendet, dann kann man Windräder gesetzlich einfach hinstellen. Das stimmt mich zuversichtlich. Das Problem ist aber, dass du sie nicht bestellen kannst, weil sie nicht lieferbar sind. Du kannst keine Trafos bestellen, weil sie nicht lieferbar sind. Du kannst keine Solar-Monteure bestellen, weil die alle ausgebucht sind. Und die Wärmepumpe kriegst du auch nicht geliefert.
taz: Das klingt etwas zugespitzt.
Ist es auch. Nach ein, zwei Jahren kommt das Zeug schon, aber mein Punkt ist: Es ist eben nicht mehr der fehlende politische Wille, es ist die fehlende Fähigkeit von Bürokratie und Wirtschaft, es auch zu tun. Wir stehen uns selber im Weg wegen gnadenloser Überregulierung und Mangel an Fachkräften. Wir haben also ein ganz anderes Problem, als die Protestierenden adressieren.
Oh. Palmer ist also einer der Technology will fix it guys. Wenn wir nur genug Wind- oder Solarenergie haben, wird alles gut. Die Energiewende ist ein wesentlicher Bestandteil der Lösung (bzw. Abmilderung) unseres Klimaproblems, aber es ist nicht alles. Und wo ist der Wille zum Umbau unserer Landwirtschaft? Wo ist der Wille zum Umbau unsere Gesellschaften, so dass nicht mehr das obere 1% rumsaut, wie es will? Verbot/Einschränkung von Privatflügen? Ernährungswende, Verkehrswende?
taz: Was machen wir da als gesellschaftsengagierte Bürger?
Wenn man das voranbringen will, muss man jetzt in andere Positionen rein, als wir das gewöhnt sind. Wenn du etwas Gutes tun willst, gründe eine Firma, die Solaranlagen installiert und überzeuge viele deiner Kumpels, dass sie sich schnell zum Solarmonteur ausbilden lassen, damit die Dinger auf die Dächer kommen
taz: Dieser Gedanke zukunftsorientierten Unternehmertums ist rhetorisch von FDP-Politikern besetzt, die damit Klima-Protest-Leute ausschimpfen.
Ja, das tut mir jetzt leid, dass die FDP auch mal was Richtiges sagt, aber wir brauchen einen Gründungsboom von Firmen, wir brauchen Leute, die in diese Branchen reingehen, um es zu machen. Was wir nicht brauchen, sind noch mehr Leute, die sich festkleben und diskutieren. Da haben wir genug.
Na, zum Glück sagt es Peter Unfried selbst, dass das FDP-Denke ist. Boris Palmer hat übrigens Angebote von der BaWü-FDP, dort einzutreten. Diese Argumentation ist unterstes Twitter-Troll-Niveau. 1) Kann nicht jede/jeder in diesen Berufen arbeiten. 2) Verlagert das wieder alles auf die individuelle Ebene, die Waschlappenebene: Wenn Du Klimaschutz willst, werde Elektromonteur oder gründe kleine geile Firmen.
Und lustigerweise, wenn wir schon auf dieser, der individuellen Ebene sind, kann ich hier gleich noch ein Bild beisteuern. Das Bild zeigt Christoph Meiler, er ist Zerspanungsmechaniker und war bei einem deutschen Automobilzulieferer tätig, bis die ihr Werk ins Ausland verlagert haben. Er macht jetzt eine Umschulung zum Elektriker, so dass er dann im Solarbereich arbeiten kann.
Ich hatte lange Zeit, mich mit ihm zu unterhalten, denn bis der Kran da war und alle gelöst waren, hat es eine Weile gedauert.
Christoph Meiler macht also auf der individuellen Ebene genau das, was Twitter-Trolls und Boris Palmer von allen Klimaaktivist*innen verlangen. Außerdem protestiert er noch gegen das ungesetzliche Nicht-Handeln der Regierung.
Diese konkrete Aktion hat sich übrigens gegen Pläne von Regierungsparteien gerichtet, in der Nordsee nach Öl zu bohren. Ej, es ist alles in Ordnung! Niemand muss protestieren, gründet lieber kleine, geile Firmen! My ass.
So. Danke, dass Ihr bis hierher gelesen habt! Wer immer Ihr seid, was immer Ihr tut, hört nicht auf zu protestieren. Kommt zum Klimastreik von Fridays for Future am 3.3.2023! Stimmt für den Volksentscheid Berlin klimaneutral 2030!
Geht los und verteidigt Euch! Geht los! (AG Geige, Der Dirigent, 1988, gibts nicht bei Youtube, aber bei Tapeattack)
Betsch, Cornelia & Sprengholz, Philipp & Lehre, Lena. 2021. PHA2SE: Planetary Health Action Acceptance Study Erfurt: Das Klimaschutz-Monitoring für Deutschland. Erfurt: Universität Erfurt. (https://projekte.uni-erfurt.de/pha2se/summary/analysis/)