Warum individuelle Verhaltensänderungen wichtig sind

Zuletzt geändert am 11. September 2022

In der Klimabewegung wird immer wieder darauf hingewiesen, dass der individuelle Fußabdruck Teufelszeug ist und dass angeblich individuelle Verhaltensänderungen nichts bringen würden, da die Lösung der großen Probleme um Größenordnungen wichtiger ist (z.B. Mau, 2022). Das sind verschiedene Punkte, die mitunter vermischt werden.

Fußabdruck vs. Handabdruck

Der CO2-Fußabdruck ist ein Maß dafür, wie viel CO2 einer konkreten Person zugerechnet werden können. Heizung, Ernährung, Mobilität, Konsum spielen eine Rolle. All das kann man reduzieren bzw. umstellen, aber auf bestimmte Faktoren hat die Einzelperson keinen Einfluss. In Mietwohnungen gibt es normalerweise keine Möglichkeit, den Vermieter dazu zu bringen, dass er eine Wärmepumpe einbaut oder eine Solaranlage auf dem Dach installiert.

Psycholog*innen sehen deshalb den so genannten Handabdruck als besseres Maß. Dabei geht es darum, wie viele Menschen man dazu bringt, weniger CO2 auszustoßen. Während man beim eigenen Fußabdruck an Grenzen kommt und zur Frustration, sorgt man beim Handabdruck letztendlich dafür, dass andere ihren Fußabdruck reduzieren und bis man da an Grenzen stößt, werden noch einige Jahre ins Land gehen.

Bleibt, wie Ihr seid, macht, was Ihr immer macht. Ist schon OK. Not.

Nun findet man aber auch Äußerungen in der Presse oder in sozialen Medien, dass es nicht darum geht, dass Einzelpersonen ihre Gewohnheiten ändern sollen. Ich habe einen Extremfall aus dem Freitag bereits diskutiert. Hier ist ein anderes kurzes Beispiel:

Lang ging es in der Klimakommunikation darum zu vermitteln dass es einen anthropogenen Klimawandel gibt. Das scheint (weitgehend) erreicht. Nun folgt der nächste Marathon: zu vermitteln dass es nicht um „weniger Fleisch und mal das Auto stehenlassen“ geht.

Ich würde ein „nur“ zwischen „nicht“ und „um“ einfügen, aber so wie es oben steht, halte ich die Aussage für falsch. Es gibt ein ganz einfaches Argument. Wir müssen unseren CO2-Ausstoß auf null Gramm CO2 senken (oder Null Tonnen, Null ist Null, nichts). Da die Fleischerzeugung dafür sorgt, dass große Mengen CO2 freigesetzt werden, muss das reduziert werden. Genauso sieht es bei Verbrenner-Autos und kerosinbetriebenen Flugzeugen aus.

Jetzt kann man sagen: Jo, ist aber alles egal, wenn weiter Kohlekraftwerke laufen, Ölfelder erschlossen werden usw. Das stimmt: #CarbonBombs. Und wenn es darum geht, Massen zu mobilisieren, oder Massen die Angst vor einer grünen Regierung zu nehmen, dann ist es vielleicht taktisch geschickt zu sagen: Hej, Ihr seid großartig. Bleibt wie Ihr seid. Wählt uns, wir machen das dann für Euch. Es ist nun aber so, dass wir gewählt haben. Wir haben die bestmögliche Regierung. Drei Parteien mit 1,5°-Ziel im Parteiprogramm und noch 270 Gt Restbudget. Diese Regierung wird das 1,5°-Ziel krachend reißen. Die nächsten Wahlen sind weit weg. Wir haben ein CO2-Restbudget von 27,7t pro Person, wenn wir 1,5° mit 83% Wahrscheinlichkeit halten wollen. Das heißt, das reicht noch für knapp drei Jahre. Mit Autofahren und viel Rumfliegen ist da nichts. Das Ernährungssystem muss umgestellt werden, wenn wir die Weltbevölkerung ernähren wollen. Man kann sich jetzt auf den Standpunkt stellen, dass das die Regierung machen muss. Es muss Vorgaben geben, die für alle gelten.

Das Problem ist nun aber, dass Regierungen, egal welcher Art (meine Vorhersage ist, dass die nächste Regierung Grün-Schwarz sein wird), nur das tun, was sie für opportun und durchsetzbar halten.

Monika Herrmann, ehem. Bezirksbürgermeisterin von Friderichshain/Kreuzberg spricht beim Klimamontag, Wrangelkietz: „Wir müssen die Straßen zerstören.“, Berlin, 02.0.522

Wenn also alle SUV fahren, Rindfleisch essen und nach Thailand fliegen toll finden und für unverzichtbar halten, werden sich Regierungen schwer damit tun, SUVs zu verbieten, Fleisch zu versteuern, die Subventionen für das Fliegen abzubauen und die ökologischen Schäden in Tickets einpreisen zu lassen. Wenn alle ihre Autos benutzen wollen, wird ein Umbau der Städte in Schwammstädte und ein verkehrsreduziertes Leben nicht möglich werden. Wenn dagegen 70 Prozent der Deutschen ohnehin vegetarisch leben würden, der Rest nur – wie früher – einen Sonntagsbraten essen würde und 60 Prozent der Deutschen in Bayern, Thüringen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg Urlaub machen würden, kämen die Regierungen vielleicht auch auf die Idee, das zu fördern.

Experimente haben gezeigt, dass Menschen andere Menschen beeinflussen. Dieser Einfluss wirkt nicht nur direkt (Person A beeinflusst Person B) sondern auch über mehrere Stufen hinweg: Person A beeinflusst Person B, wodurch Person C beeinflusst wird. Dabei haben Person A und Person C keinen unmittelbaren Kontakt, sie müssen sich nicht einmal kennen. Die folgende Abbildung veranschaulicht das.

Fowler & Christakis (2010: 5337): Verhaltensausbreitung über drei Stufen hinweg

In einem Experiment, in dem es darum ging, Geld zu geben, von dem dann die gesamte Gruppe mehr hat als wenn alle ihr Geld behalten (siehe Anhang), konnten Fowler & Christakis (2010) zeigen, dass der Einfluss bis zu drei Graden weiter reicht. Eleni beeinflusst Lucas, Lucas Erika, Erika Jay und Jay Brecken. Gleichzeitig beeinflussen Lucas und Erika und Jay aber auch noch andere Menschen. Es ist zu vermuten, dass das auch in realen sozialen Kontexten so funktioniert. Das Ergebnis wäre dann, dass sich zukunfstkompatibles Verhalten weiter verbreitet. Das muss natürlich durch die Politik ermöglicht und gefördert werden. Es ist eine komplexe Interaktion nötig. Aber die Menschen komplett zu entlasten und zu sagen: „Ej, mach ma wie Du immer machst, wir kriegen das schon irgendwie hin!“ (Mau, 2022), wird nicht funktionieren.

Anhang

In dem von Fowler & Christakis (2010) beschriebenen Experiment hat jeder Teilnehmerin 20 MU (money units). Wenn er oder sie eine MU in die Kasse einer Gruppe einzahlt, bekommt jeder in der Gruppe 0,4 MU (Es entstehen also 1,6MU). Wenn alle all ihr Geld abgeben, bekommt jede/r 32 MU. Wenn jemand asozial ist und 20 MU für sich behält, während alle anderen alles einzahlen, bekommt er 44 MU. Man kann nun feststellen, dass das Verhalten der Teilnehmer*innen sich über mehrere Personen hinweg in Richtung Kooperation verbessert. Menschen tun, was andere Menschen tun.

Quellen

Fowler James H. & Christakis Nicholas A. 2010. Cooperative behavior cascades in human social networks. Proceedings of the National Academy of Sciences. Proceedings of the National Academy of Sciences 107(12). 5334–5338. (doi:10.1073/pnas.0913149107)

Mau, Katharina. 2022. Wer rettet das Klima: Ich oder wir? der Freitag. (https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/klimawandel-kann-der-einzelne-wirklich-einen-unterschied-machen)

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