Stadtradeln / Mauerradweg

Ab zwei ist es eine Tradition, oder? Wir waren im letzten Jahr auf Tour auf dem Mauerradweg. Die Tour war Teil des Stadtradelns und es sind Menschen von Scientist for Future mitgefahren. Die Tour ging vom S-Bahnhof Bornholmer Straße 37 km zur Bürgerablage, wo wir schön Mittag gegessen haben. Man kann draußen im Wald sitzen und es gibt einen See mit Badestelle.

Danach sind einige mit der S-Bahn ab Henningsdorf (7 km entfernt) und andere quer durch die Stadt zurückgefahren und ein Viererteam ist sogar noch bis zur Wannseefähre nach Kladow weitergefahren (insgesamt 78km).

In Kladow gibt es die Fähre über den Wannsee. Wenn man sie gerade verpasst hat, kann man in einem Cafe Eis essen oder etwas trinken. Auf der anderen Seite liegt der S-Bahnhof Wannsee, von dem aus man mit der S-Bahn zurück nach Wo-auch-immer fahren kann. Im letzten Jahr war es der heißeste Tag im Jahr und wir haben in dem Ausflugslokal auf der S-Bahn-Seite noch schön ein paar große Apfelsaftschorlen getrunken, aber in diesem Jahr fahren vielleicht einige noch weiter? Muss nicht, aber alles ist möglich.

Weil es letztes Jahr so schön war, fahren wir dieses Mal zweimal: am 11.06.2023 und am 18.06.2023. Treffpunkt 9:00 S-Bahnhof Bornholmer Straße (Nordseite). Ich werde eine Life-Karte mit unserer Position tweeten und tröten, so dass man uns auch später noch finden kann. Man kann auch am S-Bahnhof Wilhelmsruh noch dazukommen, das sind dann 5km weniger.

Das ist die Tour vom letzten Jahr. So könnt Ihr sehen, wo sie exakt langgeht und wie schnell wir gefahren sind.

GPX-Dateien und Informationen bei Komoot:

Vorher noch mal Lager und Kette fetten und aufpumpen! Den Unterschied merkt man bei längeren Strecken schon. =:-)

Packliste:

  • viel zu trinken
  • Essen (Stullen, Brötchen, Riegel)
  • Sonnenschutz
  • Ersatzschlauch
  • geladenes Telefon
  • Powerbank
  • Badesachen
  • Monatskarte/FahrCard/Deutschlandticket für die Wannseefähre
  • wenn Ihr lange fahren wollt: Fahrradbeleuchtung

Haut rein!

Hier noch ein paar Bilder von früher. Klick für groß.

Die Letzte Generation vor den Kipppunkten tötet! Einen Baum!

Jetzt ist es passiert. Die Letzte Generation vor den Kipppunkten hat getötet. Ein Lebewesen. Einen Baum. Ich finde das nicht gut und denke darüber nach.

Aktivisten der Letzten Generation haben vor dem Bundeskanzleramt einen Baum gefällt: Die Bundesregierung sägt den Ast ab, auf dem wir sitzen. Links Lina Schinköthe, rechts Franz Winter, Berlin, 21.02.23, Bild: Stefan Müller, CC-BY

Letztendlich haben sie aber nur das gemacht, was sie schon immer gemacht haben: Sie haben Essen auf die Straße geworfen, um auf die Verschwendung hinzuweisen.

Aktivisten vom Aufstand der Letzten Generation blockieren die A100. Auf der Straße liegen Lebensmittel, die von Supermärkten weggeworfen wurden. Die Polizei fegt sie von der Straße. Ernst Hörmann (72, 8 Enkel) sitzt vorn rechts. Samuel Koch links daneben. Beide sind angeklebt. Berlin, 04.02.22, Bild: Stefan Müller, CC-BY

Das Essen war aus dem Müll, also geschenkt. Bzw. geklaut. Denn Containern ist eine Straftat!

Henning Jeschke zeigt Polizei Folge vom Browserbalett zum Containern. Der Polizist dreht sich vom Handy weg. Lager der Gorillas, Berlin, Residenzstraße, 08.01.22

(Die Container-Aktion hat sich übrigens genau so zugetragen wie im Video vom Browser-Balett, nur dass die Aktivist*innen das von der Polizei zurück in den Container gebrachte Essen noch mal geklaut haben.)

Dann haben sie Öl verschüttet, um gegen Erschließung neuer Ölvorkommen in der Nordsee zu protestieren. OK. War kein Öl, sondern nur angedickte Pampe.

Aktivistinnen vom Aufstand der letzten Generation in Olaf Scholz-Kostümierung vergießen Öl vor dem Bundeskanzleramt, um auf die Unsinnigkeit der Erschließung neuen Erdöls in der Nordsee hinzuweisen. Berlin, 09.07.22, Bild: Stefan Müller, CC-BY

Dann haben sie Bilder mit Kartoffelbrei beworfen, um darauf hinzuweisen, dass auch die Kunst verloren gehen wird, wenn unsere Gesellschaften im Chaos versinken werden. Die Bilder sind hinter Scheiben, also nichts wirklich passiert. Mich hat es aber dennoch geschockt. Ich mag Bilder. Ich glaube, diese Bilder-Aktionen waren für mich. Die Staus auf der Autobahn sind mir egal und vielleicht empfinde ich sogar ein bisschen Schadenfreude. Ich habe zwar eine LKW-Fahrerlaubnis, hatte aber noch nie ein Auto.

Nun also haben sie einen Baum abgesägt. Das ging zu weit: Sie haben ein Lebewesen umgebracht. Eine Grenze überschritten. Bin ich Spießer? Ein komischer Öko? Ein Tree-Hugger? Ja, echt. Ich hätte den Baum zum Abschied noch umarmt, wenn er nicht so dünn gewesen wäre. Na, nu isser hin.

Warum finde ich es schlimm, dass dieser Baum sterben musste? Warum finde ich es nicht viel schlimmer, dass der ganze Harz tot ist? Die Vogesen? Die Sächsische Schweiz? Der Thüringer Wald.

Torfhausmoor am Brocken – Dying Forest, 30.05.2020, Bild: Frerk Meyer, CC-BY-SA

Schnirps, schnirps frisst sich er Borkenkäfer durch die von der Hitze geschwächten Bäume. Wir haben überlegt, wo wir in den Osterferien hinfahren. Harz oder Ostsee standen zur Diskussion. Die Bilder der Ferienunterkünfte zeigen den herrlichen Wald um Thale und Schierke. Aber: Davon ist nichts mehr übrig. Und es kommt auch so schnell nichts mehr wieder. Neue Bäume anzupflanzen ist nicht trivial, wenn das Wasser fehlt. Vielleicht wächst im Harz ein besser an die klimatischen Bedingungen angepasster Mischwald, wenn das Wasser reicht. Und in Brandenburg? Nach den Waldbränden in den Hitzesommern? Brandenburg hat zu wenig Wasser. Der Grundwasserpegel sinkt, Seen trocknen aus.

Warum nehmen wir das hin? Warum machen wir einfach so weiter? Warum fahren wir einfach nicht mehr in diese Gebiete, sondern dahin, wo die Folgen noch nicht so sehr zu sehen sind?

Ich möchte eine Vorhersage machen: Die Letzte Generation vor den Kipppunkten wird im Juni vor dem Kanzleramt eine Katze köpfen. Begründung: Katzen-Content geht immer auf Social Media und die Katzen werden auch unter der Hitze leiden, wenn wir so weitermachen. Die Polizist*innen vor dem Kanzleramt sollten also nicht nur auf Menschen mit Sägen, sondern auch auf solche mit Katzen in Rucksäcken oder auch Katzenboxen achten. Und auf Menschen mit Hunden. Besonders kleine niedliche Hunde. Hundehalter*innen sollten intensivst durchsucht werden. Auch aufpassen muss man natürlich bei Pferden, Schafen und Kühen.

OK. Das mit dem Vieh ist ernst: Durch Dürren verhungern Kühe und Schafe. Die betroffenen Menschen können nicht einfach neue zaubern. Sie sind ihrer Lebensgrundlage beraubt und es bleibt nur die Flucht.

tagesschau, 27.01.2022

Also: Zusammenfassung. Wenn Ihr nicht wollt, dass die Letzte Generation vor den Kipppunkten Katzenbabys köpft, dann macht irgendwas anderes, was die Regierung dazu bringt, das Klimaschutzgesetz einzuhalten und endlich massivst Transformationen anzukurbeln. Sie könnten ja zum Beispiel mit den Bürgerräten anfangen, die im Koalitionsvertrag auf S. 8 stehen.

Ihr wisst nicht, was Ihr tun könnt? Dann geht wenigstens zum Klimastreik von FFF. Der nächste ist am 3.3. Irgendwo auf diesem Planeten direkt vor Eurer Haustür.

PS: Ich hoffe inbrünstig, dass die Letzte Generation vor den Kipppunkten diese Vorhersagen nicht wahr werden lässt. Sonst könnte noch jemand denken, ich hätte das geplant oder mich verantwortlich machen, weil ich sie inspiriert hätte.

BILD lügt

Es wird ja immer behauptet, dass die Aktionsformen der Letzten Generation von den inhaltlichen Fragen ablenken. Interessanterweise gibt es jetzt sogar schon in der BILD-Zeitung in Artikeln über Klimakleber Karten zu den Folgen des Klimawandels (BILD, 29.11.2022):

Irreführende Karte in der BILD Berlin mit angeblichen ökologischen Bedrohungen vom Institute for Economics & Peace (IEP).

Komplett ohne Einordnung. Ich Frage mich auch was sie uns damit sagen wollen. Wir, die Mega-Verschmutzer (USA, Australien, Europa), sind safe? Alles gut?
Ich habe mal ein bisschen recherchiert, wo die Karte her ist. Ich dachte erst so was wie EIKE, aber die Karten gibt es in der Tat beim Institute for Economics & Peace,
nur dass sie dort aktuell sind und ganz anders aussehen: vision of humanity. Fast die ganze Welt ist von hohen ökologischen Bedrohungen betroffen.

Interaktive Karte vom Institute for Economics & Peace, bei der man sich verschiedene Arten von Bedrohungen anzeigen lassen kann. Stand 2022

Es gibt verschiedene Indikatoren, die man sich einzeln anzeigen lassen kann. BILD hat sich eventuell den softesten rausgesucht, die Ernährungsunsicherheit. Leider finde ich genau diese Karte nicht, wahrscheinlich weil der Bericht inzwischen aktualisiert wurde.

2022 haben wir gesehen, wie stark Missernten auch in Europa ausfallen können. Die Po-Ebene hatte praktisch kein Wasser mehr. Genauso ist der Osten Deutschlands von Dürren betroffen. Die Versorgungssicherheit ist wahrscheinlich deshalb gewährleistet, weil wir reich genug sind, auf dem Weltmarkt Nahrungsmittel zu kaufen.

Ansonsten steht auf der Seite:

On the other hand, 80% of the countries with the worst ETR scores are also among the world’s least resilient. This indicates that these nations may not be able to mitigate the impacts of their rapidly changing environment. The 30 countries facing the highest level of ecological threat are home to 1.26 billion people.

Highlighting the gravity of the situation, 90% of the 20 least peaceful countries face at least one catastrophic ecological threat, while 80% have low societal resilience. Ten of the twelve countries with the highest ecological threat rating, in all four domains, currently suffer from conflict deaths, while 11 of these countries have moderate to high ratings for the intensity of the internal conflict.

Auf Deutsch: Viele Länder werden sich nicht anpassen können und unter den 20 am wenigsten friedlichen Ländern sind fast alle von mindestens einer ökologischen Bedrohung betroffen.

Zusammengefasst: Die BILD-Grafik hat mit den gesamten ETR-Scores nichts zu tun und ist eine extreme Falschdarstellung. Die Lage ist ernst.

Quellen

Institute for Economics & Peace. 2022. Ecological Threat Report 2022: Analysing Ecological Threats, Resilience & Peace. Sydney: Institute for Economics & Peace. (https://www.visionofhumanity.org/resources/ecological-threat-report-2022/)

Flüge, CO2, Verantwortung und Mitschuld

Zur Zeit bin ich stellvertretender Institutsleiter. Bisher war die Arbeitsverteilung so, dass ich Dienstreiseanträge, die die Institutsleiterin oder ihre Arbeitsgruppe stellt, unterschrieben habe. Vor Kurzem hat mich die Institutsleiterin gebeten, alle Dienstreiseanträge zu unterschreiben, weil sie mit der Leitung genug zu tun hat und weil die Aufgabenverteilung auch früher schon so war. Nun sehe ich plötzlich alle Reiseanträge, auch die Flugreisen. Ich habe lange über die Situation nachgedacht, konkret über die Genehmigung von Flugreisen seit Juni. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich keine Flugreisen mehr genehmigen werde.

Konkret bedeutet das nur, dass die Institutsleiterin die Flugreisen genehmigen muss. Es ist keine totale Blockade von Flugreisen. Einziges Problem sind die Reisen der Institutsleiterin selber bzw. ihrer Arbeitsgruppe. Diese Reisen kann dann wahrscheinlich jemand, der hierarchisch über uns beiden steht, genehmigen. Also jemand aus dem Dekanat.

Laut Verfassung der Humboldt-Universität kann die Institutsleitung mit einer 2/3-Mehrheit im Institutsrat über alle Statusgruppen hinweg abgewählt werden. Das könnte in einer der nächsten Sitzungen passieren.

Nachtrag 14.06.2022: 1) Der Dekan hat mit mir gesprochen und versteht das. Ich bin nicht zurückgetreten oder abgewählt worden. 2) Die Kommission zu Flugreisen, die wir schon im Juni eingerichtet haben, hat getagt und ich bin optimistisch, dass wir für das Institut eine Lösung finden, die über die uniweiten Regelungen zu Flugreisen hinausgeht.

Details

Wir sind bei einer Erderhitzung von 1,2° gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter. Alle Gebiete auf der Erde sind bereits jetzt von unglaublichen Katastrophen betroffen. 180 Tote im Ahrtal, Schäden in Milliardenhöhe. 1300 Tote in Pakistan, ein Drittel des Landes überflutet, 33 Millionen Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen (Wikipedia: Überschwemmungskatastrophe in Pakistan 2022). In China stehen Menschen nach Starkregen bis zum Hals eingeschlossen in U-Bahnen. Auch in New York flutet der Starkregen die U-Bahnen. Sturmschäden in Florida, Flüsse trocknen aus, Kraftwerke können mangels Kühlwasser nicht mehr betrieben werden, Ernteausfälle. Hungersnöte. In diesem Sommer sind 10.000 Menschen allein in Deutschland den Hitzetod gestorben, wie man anhand von Übersterblichkeitsstatistiken, die mit Hitzetagen korrelieren, nachweisen kann (taz, 22.08.2022). In Europa waren es 24.000 (taz, 07.10.2022) (Zu einer Übersicht über Katastrophen siehe Katastrophen. Im Quellenverzeichnis der Seite findet man Links zu Fernsehberichten.) Das ist das, was wir jetzt haben. Bei 1,2°. Die Wissenschaft geht davon aus, dass das 1,5°-Ziel nicht zu halten ist. Derzeit steuern wir auf 2,7° zu (Klimaforscher Prof. Lucht in der taz, 17.02.2022). Ganze Bereiche der Erde werden unbewohnbar werden, woraus sich Migrationsbewegungen und Ressourcenkriege ergeben werden.

Die Themenklasse Nachhaltigkeit der Humboldt-Universität hat sich mit den Reisen des wissenschaftlichen Personals der HU beschäftigt. Sie haben Vorschläge gemacht, wie mit Flugreisen umgegangen werden sollte. Keine Inlandsflüge, ein Flug pro Jahr pro Person (Appiah-Nuamah et al. 2021). Die Veröffentlichung ist von 2021. Inzwischen ist es 2022 und wir sind einen IPCC-Sachstandsbericht weiter. Was in diesem Bericht steht, ist erschreckend. 2020 blieben nur noch 400 Gt CO2-Ausstoß, wenn man das 1,5°-Ziel mit einer Wahrscheinlichkeit von 67% erreichen will. Bei 83% waren es nur noch 300 Gt.

Tabelle mit den verbleibenden CO2-Mengen und den entsprechenden Temperatursteigerungen und Wahrscheinlichkeiten. Quelle: IPCC, 2021. 6. IPCC-Sachstandsbericht. S. 32

Seitdem haben wir aber weitere 70 Gt verbraucht, d.h. es bleiben 230 Gt, wenn wir das 1,5°-Ziel mit 83%iger Wahrscheinlichkeit erreichen wollen (siehe Zu unserem CO2-Restbudget bzw. Sachverständigenrat Umweltfragen, 2022).

Svenja Schulze hat 2019, als sie noch Umweltministerin war, einmal gesagt, als sie auf die Restmenge CO2 angesprochen wurde: „Unter diesen ganzen Tonnen und so kann sich doch keiner was vorstellen.“ (Kontraste, ARD, 30.09.2019). Um zu zeigen, was diese ganzen Tonnen bedeuten, kann man die Restmenge unter allen Menschen aufteilen. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen, ein Gremium aus Professor*innen, das die Bundesregierung berät, hat das gemacht und kommt auf 24t pro Person bei einer Wahrscheinlichkeit für 1,5° von nur 67%. (Es gibt mehrere Berechnungsmöglichkeiten. Das ist hier schon eine der günstigeren. Historisch gesehen, haben wir schon alles verbraucht. Zu den Details siehe Zu unserem CO2-Restbudget bzw. Sachverständigenrat Umweltfragen, 2022). Da wir als Deutsche einen durchschnittlichen Ausstoß von 11t pro Jahr haben, heißt das, dass in weniger als drei Jahren unser Restbudget aufgebraucht sein wird.

Vor diesem Hintergrund muss man nun das Fliegen betrachten. Unser CO2-Restbudget ist praktisch aufgebraucht und für Interkontinentalflüge ist kein Budget mehr vorhanden. Zur Kompensation habe ich in Dienstliche Flüge und CO2-Kompensation u.a. Folgendes geschrieben: Wir stehen kurz vor dem Erreichen von Kipppunkten, so dass es nicht angeht, das CO2 auszustoßen mit dem Versprechen, es in ein paar Jahren durch Projekte wieder einzusparen (atmosfair verspricht Projektumsetzung innerhalb von zwei Jahren). Wir müssen als Gesellschaften jetzt radikal umsteuern und dazu gehört eben auch, nicht mehr oder sehr viel weniger zu fliegen.

Parncutt (2019) hat in seinem Aufsatz in frontiers in Psychology die 1000-Tonnen-Regel aufgestellt, nach der 1000 Tonnen verbrannter Kohlenstoff einen Klimatoten bedeuten. Das heißt, dass wegen einem Flug von Berlin nach Sydney 0,61 Menschen sterben. Bei zwei solchen Reisen (oder mehreren kleineren Reisen) sind die 329 Passagiere also gemeinschaftlich für den Tod eines Menschen verantwortlich.

Vor drei Jahren haben Monika Schäfer, Gisbert Fanselow und ich eine Selbstverpflichtungskampagne für den Verzicht auf Kurzstreckenflüge gestartet und an der HU haben sich 21,4% der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen verpflichtet, Strecken, die unter 12h mit der Bahn zu bewältigen sind, nicht mehr zu fliegen. Seit dem hat sich einiges getan. Die HU hat zwei Klimamanager*innen, es gibt eine Klimasteuerungsgruppe, es gibt die Empfehlungen der Nachhaltigkeitsklasse, aber es gibt leider immer noch keine Änderung der Reisebestimmungen der HU. Diese sind nach dem Bundesreisekostengesetz gestaltet, so dass sich an dieser Stelle wahrscheinlich erst etwas ändern wird, wenn das Bundesreisekostengesetz angepasst wird.

Moral und Weigerung

Nachdem ich meinen Kolleg*innen mitgeteilt habe, dass ich keine Flüge mehr genehmigen werde, bekam ich von einer eine Antwort, in der stand, dass das gar nicht ginge, denn rechtlich könne ich nur solche Reisen nicht genehmigen, die gegen dienstliche Interessen verstoßen würden.

Der Punkt hier ist kein rechtlicher, es ist ein moralischer. Ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, dass durch mein Handeln Menschen zu Tode kommen. Mein letzter privater Flug war 2008. Mein letzter Interkontinentalflug war 2016 nach Seoul, mein letzter innereuropäischer Flug 2017. In Seoul war ich eingeladener Sprecher auf einer Computerlinguistikkonferenz und habe zwei Vorlesungen gehalten. Es war eine schöne Reise und wichtig für den Lebenslauf. 2017 bin ich nach Oslo geflogen, um dort zwei Tage lang Anträge für Forschungesgelder zu besprechen und zu bewilligen. Eine verantwortungsvolle Tätigkeit und ebenfalls wichtig für den Lebenslauf. (Und die Lebensläufe vieler Sprachwissenschaftler*innen in Norwegen.) Im August 2019 habe ich nun beschlossen, überhaupt nicht mehr zu fliegen. Weder privat noch dienstlich (siehe Ich fliege nicht mehr). Die Abwägung der Vorteile (für mich) und Nachteile (für andere) hat ergeben, dass Flüge nicht zu rechtfertigen sind. Ein Vortrag über eine tolle Theorie vs. eine hungernde Familie, ein weggerissenes Haus, ein Mensch, der bis zum Hals im Wasser in einer gefluteten U-Bahn steht?

Durch die neue Konstellation im Institut bin ich jetzt in die Lage gekommen, dass ich, obwohl ich nicht selbst fliege, dafür verantwortlich bin, dass andere fliegen. Diese Verantwortung lehne ich ab. Ich bin nicht bereit, sie zu übernehmen. Wenn ich damit gegen Gesetze verstoße, dann ist das so. Ich kann nicht anders handeln.

Einige Beispiele dazu, die in ihrer Dimension und teilweise den Auswirkungen für die Betroffenen verschieden sind, aber verdeutlichen, wie Menschen in großen Apparaten handeln oder nicht handeln oder entgegen allgemeinen Erwartungen handeln.

Menschen, die nicht tun, was sie sollen / die tun, was sie nicht sollen

  • Todd Smith ist Pilot, d.h. er war Pilot. In Großbritannien. Dort muss man die Piloten-Ausbildung selbst bezahlen und er hat sein gesamtes Gehalt, das er in fünf Jahren verdient hat, und das Geld, das seine Großmutter durch den Verkauf ihres Hauses bekommen hat, in die Ausbildung zum kommerziellen Piloten gesteckt. Die Großmutter ist bei ihnen eingezogen. Wegen einer Magenentzündung konnte er nicht fliegen und sein Arzt hat ihn dazu überredet, auf Fleisch zu verzichten. Er hat sich dann mit Veganismus beschäftigt und von da war es nicht weit zu den Klimafakten. Das Ergebnis war, dass er seinen Beruf an den Nagel gehängt hat und Klimaaktivist geworden ist. Hier, in einem Bericht der Deutschen Welle, kann man die Details nachlesen.

He still loves flying and misses being up in the skies. But he won’t return until the industry takes its obligations seriously. In the meantime, he plans to continue honoring his own.

„As pilots, we’re trained to think, free from bias, to mitigate risks, to preserve life. I’m simply following my training and trying all that I can to get the industry to mitigate its risks. After all, safety is our No. 1 priority.“ 

Deutche Welle. 2022: Meet the pilot who stopped flying because of climate change
  • In Frankreich gab es Polizisten, die Jüd*innen vor Razzien der Deutschen gewarnt haben, obwohl sie den Befehl der Regierung hatten, den Deutschen zuzuarbeiten und die Deportationen in Konzentrationslager zur Ermordung zu unterstützen. Sie haben unter Einsatz ihres eigenen Lebens viele Menschen vor den Gaskammern gerettet. Dennoch tat sich die Polizei lange schwer damit, Polizisten zu ehren, die eigenmächtig gehandelt und gegen Befehle verstoßen haben. Heute dienen sie als Beispiele für die Gewissensbildung der Polizei (taz, 18.07.2022).
  • Ich bin Pazifist. Ich war bei der Armee, weil im Osten Verweigerung Gefängnis und den Ausschluss vom Studium bedeutet hätte, aber ich hätte niemanden erschossen. Nur mich selbst. In meiner Anverwandtschaft gab es einen Mann, der im zweiten Weltkrieg in Norwegen war. Er sollte norwegische Partisan*innen erschießen und hat sich geweigert. Daraufhin wurde er selbst erschossen. Seine Familie hat in der Nachkriegszeit in Westdeutschland nie darüber gesprochen, weil sie es für eine Schande hielten, dass ihr Sohn, Bruder, Onkel den Befehl verweigert hat. Ich denke, die meisten Menschen sehen das heute anders.

Schlussfolgerung

Alle, die die Klimakatastrophe in ihrem gesamten Ausmaß verstehen (George Monbiot (2022) spricht von weniger als 1% der Weltbevölkerung), werden verstehen, dass ganz anders gehandelt werden muss. Aus diversen Gründen handelt die Menschheit aber nicht adäquat. Wie Parncutt bereits 2019 schrieb, sollte nur noch in Notfällen geflogen werden (S. 12). Ich habe mich deshalb entschlossen, keine Flüge zu genehmigen. Wenn das Institut einfach weiter machen möchte, wie bisher, muss es mich abwählen oder die Anträge anderweitig genehmigen lassen.

Quellen

Appiah-Nuamah, Maame & Berner, Richard & Gipp, Antonia & Hohmann, Theresa & Nöfer, Johannes & Pätzke, Franka & Prawitz, Hannah et al. 2021. Wissenschaftliches Reisen: THESys Humboldt-Stipendium Themenklasse Nachhaltigkeit und Globale Gerechtigkeit 2020/2021. Humboldt-Universität zu Berlin. (doi: 10.18452/23298)

Asmuth, Gereon. 2022. Hitzetote in Deutschland: Hitzewelle mit dunklem Schatten. taz 22.08.2022. Berlin. (https://taz.de/Hitzetote-in-Deutschland/!5873299)

Holdinghausen, Heike. 2022. Studie zum Klimawandel: 1,2 Grad reichen für mehr Dürren. taz 07.10.2022. Berlin. (https://taz.de/Studie-zum-Klimawandel/!5886465/)

IPCC, 2021. Zusammenfassung für die politische Entscheidungsfindung. In Beitrag von Arbeitsgruppe I zum Sechsten Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen [Masson-Delmotte, V., P. Zhai, A. Pirani, S.L. Connors, C. Péan, S. Berger, N. Caud, Y. Chen, L. Goldfarb, M.I. Gomis, M. Huang, K. Leitzell, E. Lonnoy, J.B.R. Matthews, T.K. Maycock, T. Waterfield, O. Yelekçi, R. Yu, and B. Zhou (eds.)] (ed.), Naturwissenschaftliche Grundlagen. https://www.de-ipcc.de/media/content/AR6-WGI-SPM_deutsch_barrierefrei.pdf.

Monbiot, George. 2022. The Tipping Point that will DESTROY the World. 2022. Double Down News. (https://www.youtube.com/watch?v=lIEu-OW9_YA)

Sachverständigenrat für Umweltfragen. 2022. Wie viel CO2 darf Deutschland maximal noch ausstoßen? Fragen und Antworten zum CO2-Budget. Berlin: Sachverständigenrat für Umweltfragen. (https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2020_2024/2022_06_fragen_und_antworten_zum_co2_budget.html)

Schwarz, Susanne. 2022. Proteste der „Letzten Generation“: Zeit für Notwehr? taz, 17.02.2022. Berlin. (https://taz.de/Proteste-der-Letzten-Generation/!5831060/)

Speit, Andreas. 2022. Prozess gegen frühere KZ-Sekretärin: Menschen und Brennholz, geschichtet. taz. Berlin. (https://taz.de/Prozess-gegen-fruehere-KZ-Sekretaerin/!5861240)

Walker, Tamsin. 2022. Meet the pilot who stopped flying because of climate change. Deutsche Welle. Bonn. (https://www.dw.com/en/todd-smith-emissions-aviation-pilot-safe-landing-extinction-rebellion-climate-activist/a-61953106)

Weymann, Christoph. 2022. Judenverfolgung in der Nazi-Zeit: Widerstand in Uniform. taz, 18.07.2022. Berlin. (https://taz.de/Judenverfolgung-in-der-Nazi-Zeit/!5865427/)

Gerichtprozess gegen Henning Jeschke wegen versuchter Nötigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt

Henning Jeschke vom Aufstand der Letzten Generation steht im Amtsgericht Tiergarten wegen versuchter Nötigung vor Gericht. Er hat am 24.06. eine Straße blockiert, indem er sich festgeklebt hat. Ihm ist es als einzigem gelungen, sich festzukleben, bei anderen Aktivist*innen hat das die Polizei verhindert.

Die Verhandlung

Die Verteidigerinnen Sonja Manderbach und Carla Hinrichs wurden nicht anerkannt, weil sie nicht über ein abgeschlossenes Jura-Studium verfügen.

Henning Jeschke vom Aufstand der Letzten Generation vor Gericht wegen versuchter Nötigung. An seiner Seite Carla Hinrichs, Pressesprecherin der Letzten Generation und Jurastudentin, die ihn verteidigen wollte, aber nicht als Verteidigerin zugelassen wurde, Amtsgericht Tiergarten, Berlin, 28.09.22, Bild: Stefan Müller

Henning Jeschke muss sich also selbst verteidigen. Ich habe Aussagen stichpunktartig aufgeschrieben und, was folgt, ist daraus rekonstruiert bzw. entspricht diesen Stichpunkten. Audio- oder Videoaufnahmen sind in Deutschland nicht erlaubt. Ein Rechtsanwalt meinte dazu, dass das dazu diene Show-Veranstaltungen zu verhindern.

Jeschke: Ja, habe mich angeklebt. War richtig so, würde das wieder tun, weil wir alle die #LetzteGeneration sind, die noch handeln kann.

Jeschke trägt zu seiner Biografie vor: In der Schule wöchentliche Demokratiestunde geleitet, als Wahlhelfer gearbeitet, bei Fridays For Future Reden gehalten, nur um dann zu sehen, wie die Regierung nach der Klimastreik-Demo von 1,4 Mio Menschen ein verfassungswidriges #Klimapaket verabschiedet. Da die Politik weiß, was sie tut, handelt es sich um Massenvernichtung. Politik hat versagt. Information über Lage wird unterschlagen. In Indien gab es existenzielle Probleme für Bauern (?). Menschen sind auf die Autobahnen gegangen und haben ihre Ziele erreicht. Unsere Hände werden keine Waffen tragen und unsere Herzen werden offen sein. Wegen der Kipppunkte gilt: Es gibt keinen Mittelweg. Deswegen saß ich am 24.06. auf der Straße und werde das auch weiter machen.

Die Anklage erfolgt nach §240 Strafgesetzbuch wegen Nötigung: Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Tat zu dem angestrebten Zweck verwerflich ist. Richterin spricht von ihrer 14jähringen Tochter. Sie hat sich mit der Sache beschäftigt und auch mit anderen Richter*innen gesprochen. Sie weiß, dass die #LetzteGeneration nicht irgendwelche Spinner sind, wie in manchen Medien behauptet. Sie hat auch einen Fachartikel gelesen zum Thema Straßenblockaden gelesen, hält den rechtfertigenden Notstand aber nicht für gegeben. Sie nennt den Autor des Fachartikels nicht, aber es könnte Mathis Bönte (2021) sein. Man müsse immer die Frage stellen, ob es mildere Mittel gebe? Persönlich hält sie Straßenblockaden nicht für geeignet. Sie betont, dass das ihre persönliche Meinung ist.

Jeschke stellt einen Beweisantrag zu Klimanotstand. Richterin: Keine Beweise für Klimakatastrophe nötig, das glaube ich ihnen alles.

Jeschke stellt Antrag: #Klimawandel und #Klimaschutz sollten nicht in Verhandlung und Protokollen verwendet werden, weil dieses framing von fossilen Thinktanks kommt. Statt dessen: #Klimanotstand. Die Richterin will sich nicht vorschreiben lassen, welche Wörter sie gebrauchen soll und lehnt Antrag ab.

Jeschke stellt den Antrag, den Klimaforscher (Name habe ich nicht verstanden) vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) als Zeugen zum rechtfertigenden Notstand zu hören. Dieser halte sich unten als Zeuge bereit. Ziel der Aktionen der Letzten Generation: Abwendung der Gefahr durch Erwirkung von Aufmerksamkeit. Klimakatastrophe ist existenzielle Bedrohung. Widerstand gegen unzureichende Maßnahmen. Dadurch ist die Verwerflichkeit auszuschließen und somit die Verurteilung unmöglich.

Staatsanwalt: Der Antrag ist abzulehnen, weil es unerheblich sei, ob #Klimanotstand vorliegt.

Richterin Antrag wird abgelehnt, weil Klimafakten und #Klimakatastrophe bekannt sind.

Jeschke: Prof. Dr. Wolfgang Lucht vom PIK hat eine schriftliche Stellungname zu diesem Prozess abgegeben: Politische Kurs ist zu langsam. „Politische Ignoranz“. Jeschke will das gesamte Papier zu Protokoll geben.

Richterin: Was berücksichtigt werden soll, muss auch verlesen werden.

Jeschke verliest aus Luchts Stellungnahme: Es bleibt wenig Zeit für Reaktion. Für 1,5° müsste Deutschland rascher klimaneutral werden. Bundesregierung muss ein CO2-Budget vorlegen. Das hat die Bundesregierung bis heute nicht getan. Wahrscheinlich wird Deutschland die aktuell gültigen Klimaziele verfehlen, obwohl die ohnehin oberhalb von dem liegen, was für die Erreichung des 1,5°-Ziels nötig wäre.

Jeschke: Die Straßenblockade hat zu großem Medienecho geführt und war angemessen. Allein 41 Artikel zum 24.06. Eine gewöhnliche Demo erzeugt weniger Aufmerksamkeit. Sitzblockade ist ein mildes und geeignetes Mittel. Widerspricht Aussage der Richterin, dass Blockade nicht geeignet ist.

Jeschke: Antrag auf Kenntnisnahme der Artikel und des Medienechos.

Richterin: Abgelehnt.

Jeschke: Antrag: Bilder von Demo ansehen.

Richterin: Das wollte ich sowieso machen, das war mein Masterplan.

Jeschke: Die Polizei hat nicht beachtet, dass es sich um politische Versammlung handelt. Sie habe diese nicht verlegt oder aufgelöst, sondern Aktivisten sofort geräumt.

Richterin: Verfahren wird auf Nötigung beschränkt. Wenn mehrere Paragrafen verletzt sind, dann kann man nur eine Sache weiter verfolgen. (Ich glaube, das andere war Widerstand §115, bin aber unsicher.)

Richterin erwähnt Prozess in Lübeck (taz, 2022).

Journalistinnen bemerken Frau (nicht von LG), die mit professionellem Equipment Audioaufnahmen macht. Richterin holt Polizist, der Aufnahmegerät beschlagnahmt. [NB: Audioaufnahmen wären schon praktisch, weil so schnell alles mitzuschreiben, nicht einfach ist. =:-)]

Jeschke: Es wird alles so weitergehen im Oktober. Er zitiert Jürgen Trittin zum Erfolg der Aktionen. Trittin soll als Zeuge geladen werden: Der durch friedliche Straßenblockaden erzeugte Druck führe zu Handlungen. Der Druck von der Straße habe schon Wirkung gezeigt. Dehalb war die Nötigung nicht verwerflich, denn die Blockaden bewirken Maßnahmen zum Klimaschutz. Deshalb plädiert Jeschke auf Freispruch, denn die Tat sei somit nicht rechtswidrig gewesen.

Richterin verlässt mit weiterer Zuschauerin wegen evtl. Audioaufnahmen auf deren Handy den Gerichtssaal.

Der Antrag zur Ladung Jürgen Trittins wird abgelehnt, weil die Wirkung der Blockade so allgemein nicht überprüfbar sei.

Richterin: „Sind wir am Ende?“ Jeschke: „Ja, die gesamte Zivilisation und hier auch.“

Staatsanwalt: Die Anklage wegen Widerstand ist eingestellt. Aber der Vorwurf der versuchten Nötigung bleibt. Der Klimanotstand ist eine Krise, die uns alle betrifft. Ziel der Tat war zu erreichen, dass der Planet bewohnbar bleibt. Das steht aber nicht vor Gericht, sondern die Tat. Dafür sieht das Gesetz eine Haftstrafe oder eine Geldstrafe vor. Wegen fehlender Vorstrafe kommt nur eine Geldstrafe in Betracht. Das Notwehrrecht greift nur, wenn eine gegenwärtige Gefahr abgewendet werden kann. Personen werden Geisel der Überzeugung des Angeklagten. Wie das Blockieren das Erreichen des Gradziels bewirken soll, erschließt sich dem Staatsanwalt nicht. (Einschub StMü: Er sollte sich mit zivilem Ungehorsam beschäftigen, aber das passt wohl nicht zur Rolle des Staatsanwalts.) Angeklagte sollte andere Mittel verwenden: Wahlen, Demonstrationen, Kunstfreiheit. (Einschub StMü: Fallen Aktionen mit trojanischen Pferden unter Kunstfreiheit? In dem Pferd waren vier Personen drin.) Die Tat sei unzulässig und verwerflich. Da der Angeklagte nicht vorbestraft ist, schlägt die Staatsanwaltschaft 20 Tagessätze a 10€ = 200€ + Kosten des Verfahrens als Strafe vor. Die Sekundenklebertuben werden als Tatmittel eingezogen.

Jeschke: Ich bin schockiert. Wozu haben wir denn ein Grundgesetz? Grundgesetz heißt doch, dass wir bestimmte Sachen nicht verhandeln müssen. Ökosysteme kollabieren, nach Kipppunkten gibt es kein Zurück mehr, Zwangsmarsch ins Verderben, Verzicht auf Führung ist kriminell. Und das ist nicht von mir, damit zitiere ich den UN-Generalsekretär. Ein Alien, das von außen auf die Erde blickt, würde nicht verstehen, was wir hier machen.“ (Seine Stimme versagt.) Das Frauen-Wahlrecht, Rechte für Schwarze, das freie Wochenende wurden mit zivilem Ungehorsam erkämpft. Wir erleben, wenn Justiz nicht stark genug ist, wie eine Aushöhlung geschieht, wie Menschen sich Wahrheit konstruieren. Bei 4° wird es vielleicht noch 1 Mrd. Menschen geben vielleicht 1/2 Mrd. d.h. 7 Mrd Menschen werden verschwunden sein. Vielleicht sind wir auch schon im Atomkrieg untergegangen. (NB StMü Gletscher speisen Flüsse in Indien, Pakistan, China. China kontrolliert Tibet und damit das Wasser. Alle drei sind Atommächte. Quelle: Wasser und Zeit) 1,5° sind vorbei. Kipppunkte fallen in den nächsten Jahren. Es bleiben wenige Jahre, das Ruder herumzureißen. Regierung begegnet dem mit Ignoranz. Eine mutige Entscheidung hier kann eine Debatte auslösen, die Welt zu ändern. Damit könnte man Veränderungen im Justizapparat anschieben, wenn nicht, machen Sie sich zur Komplizin der Vernichtung der nächsten Generation. Auf Ihre Gräber werden unsere Kinder später spucken. (NB: Henning Jeschke spricht von „unseren Kindern“, vielleicht kann das Missverständnis, sie würden irgendwie behaupten, sie seien die letzten Menschen jetzt mal aufhören.) Für mich ist es gleich, was Sie machen, ich werde wieder das Gleiche tun. Sagen Sie, auf welcher Seite der Geschichte Sie stehen. Ich wollte niemanden emotional unter Druck setzen, oder vielleicht doch.

Das Urteil

Richterin verkündet Urteil: 20 Tagessätze à 10 Euro + Kosten des Verfahrens. (NB: Also das Strafmaß, dass auch die Staatsanwaltschaft gefordert hat. Allerdings ist das eine geringe Strafe.)
Richterin zum Urteil: Der Angeklagte hat sich an der Seestraße als Einziger festgeklebt, eine Spur blockiert. Dazu gilt die Zweitereiherechtssprechung vom Bundesgerichtshof. Richterin findet diese merkwürdig, aber das ist nun mal gültiges Recht. (NB: Beruhigt mich ja irgendwie, denn ich hatte von zweite Reihe in der Zeitung gelesen und fand das auch absurd.) Autofahrer fördern Klimakrise, aber das geht zu weit, weil das machen wir ja alle. (NB: Die Autofahrer*innen sind nicht das Ziel der Aktionen. Das Ziel ist maximale Disruption und die sich daraus ergebende Aufmerksamkeit für den Klimanotstand.) Es ergab sich eine Beeinträchtigung der Fortbewegungsfreiheit. Menschen auf dem Weg zur Arbeit, haben das Recht dorthinzukommen. Es ist fraglich, ob Blockaden ein geeignetes Mittel sind. Das zu sagen, fällt mir nicht leicht, habe ich schon gesagt. Schwierig auf den politischen Prozess zu verweisen, neben der Straße zu demonstrieren funktioniert auch nicht. Moralische Erwägungen gehören aber nicht in die juristische Diskussion.

Das war das Ende. Die Aktivist*innen im Gerichtsaal waren traurig, es gab Tränen aber auch Support.

Lina Eichler und Henning Jeschke vom Aufstand der Letzten Generation nach der Verurteilung von Henning Jeschke wegen versuchter Nötigung, Amtsgericht Tiergarten, Berlin, 28.09.22, Bild: Stefan Müller

Das war erst das erste in einer Reihe weiterer Verfahren, aber im Oktober geht die Letzte Generation wieder auf die Straße. Von einer Journalistin befragt, ob das denn erfolgreich sei, antwortete Henning Jeschke: Ja, am Anfang waren wir 30. Jetzt sind wir 500 in Deutschland und es gibt die Letzte Generation in 10 Ländern.

Sonja Manderbach, Henning Jeschke und Carla Hinrichs (vlnr) vom Aufstand der Letzten Generation nach der Verurteilung Henning Jeschkes wegen versuchter Nötigung mittels Straßenblockade. Carla Hinrichs und Sonja Manderbach wurden als Verteidigerinnen nicht zugelassen. Im Hintergrund Unterstützer. Eine mit einem Beutel mit der Aufschrift „Froh, dabei zu sein“, Amtsgericht Tiergarten, Berlin, 28.09.22, Bild: Stefan Müller

Nachgedanken

Dinge, die ich heute gelernt habe: Das Amtsgericht Tiergarten hat drei Standorte und ohne Aktenzeichen ist man verloren. Deshalb kein Bild vom Prozessauftakt.

Es gab auch einen Bericht in der taz von Gareth Joswig. Er schreibt: „Unsere Kinder werden auf unsere Gräber spucken, wenn wir nicht handeln.“ Ich habe mir notiert: „Auf Ihre Gräber werden unsere Kinder später spucken.“ Es ging um den Justizapparat. Die taz-Formulierung scheint mir nicht sinnvoll, denn Henning Jeschke handelt ja. Sein Ansatz mag falsch sein und vielleicht nicht funktionieren, aber es wird niemand sagen können, er habe nichts getan. Für solche Details wären Audioaufzeichnungen gut. An der einen oder anderen Stelle in der Verhandlung hätte ich auch gern Bilder gemacht. Es waren schon sehr interessante Gesichtsausdrücke. Aber ich verstehe auch, dass es so ist, wie es ist.

In der Nacht fiel mir noch diese Vorlesung von der Klimavorlesung an der TU Berlin ein.

Petra Vandrey erklärt dort, dass die nicht endenden Aktionen Politiker*innen im Tagesgeschäft immer wieder daran erinnern, dass es da ja noch ein Problem gab.

Ich habe über die Richterin nachgedacht. Wie verläuft ihr Alltag? Erzählt sie zu hause am Abendbrotstisch von ihren Verfahren? Am Tag davor? Spricht sie mit ihrer 14jährigen Tochter? „Aber, was er gemacht hat, war doch richtig. Hast Du doch selber gesagt.“ „Ja, aber juristisch war es falsch.“ „Ja, aber, sind dann nicht die Gesetze falsch?“ „Nun ja, …“ „Kann man die ändern?“ „Ja, aber ist nicht einfach.“ „Kannst Du sagen: Ich will das nicht entscheiden?“ „Nun ja, … ist nicht einfach.“ Ich habe die Richterin gefragt, wie es weitergeht und ob sie noch mehr solche Verfahren bekommt. Sie meinte, es gäbe ein Rotationsprinzip und ohnehin seien eigentlich Verkehrsrichter*innen für die Blockaden verantwortlich. Da jetzt aber so viele Verfahren anstehen, bekommt sie vielleicht ja noch eine zweite Chance.

Offene Fragen

Wenn es nur versuchte Nötigung war, weil die Straße nicht komplett blockiert war, dann müssten ja auch alle anderen Prozesse nur wegen versuchter Nötigung geführt werden, weil es immer eine Rettungsgasse gibt, über die der gestaute Verkehr abfließen kann. Die Blockade ist dennoch wirksam, weil die Polizei dann oft die ganze Autobahn für mehrere Stunden sperrt.

Die Letzte Generation besetzt Signalleitanalage und blockiert die A100, Berlin, 29.06.2022, Bild: Stefan Müller

Quellen

Bönte, Mathis. 2021. Ziviler Ungehorsam im Klimanotstand. HRRS  Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht 22. (https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/21-04/index.php?sz=6)

No logo? Logo!

Ich ärgere mich seit Jahren über Achtlosigkeit und verschenkte Chancen, weshalb ich mich entschlossen habe, einen Post darüber zu schreiben.

Zerstörte Bilder

Bei Demonstrationen und auch bei Aktionen zivilen Ungehorsams kommt es vor, dass Menschen nicht darüber nachgedacht haben, was sie zur Veranstaltung anziehen. Ich habe immer wieder Diskussionen darüber, weshalb ich hier ein paar krasse Beispiele und ein paar positive Beispiele bringen möchte.

Das erste Bild hat bei mir echt Fragen ausgelöst!

Werbung für J*e*e*p South Africa-Club

Warum hat ein Mensch mit ökologischen Einstellungen so eine Mütze? J*e*e*p stellt schwere Geländewagen her, die leider auch in der Stadt gefahren werden. Südafrika ist von Berlin nur mit einem Langstreckenflug erreichbar. Was vermittelt so ein Logo auf der Mütze? Ich war in Südafrika und habe dort eine Safari gemacht? Ich fand das so toll, dass ich mir im Souvenir-Laden des Naturparks eine Mütze gekauft habe? Ich bin in den Jeep-Club eingetreten und habe diese Mütze bekommen? Ich habe die Mütze hier in einem Laden gekauft und nicht weiter darüber nachgedacht, was ich kaufe? In jedem Fall ist die Nachricht verheerend. Sie steht direkt im Widerspruch zu dem, was das restliche Bild zeigen würde.

Beispiel zwei ist auch sehr schön. Ein Klimaaktivist macht Werbung für das amerikanische Militär. Pazifismus ist ja ein bisschen aus der Mode gekommen, aber das amerikanische Militär hat einen enormen CO2-Ausstoß (mehr als Schweden, Welt 29.08.2022). Insbesondere Flugzeuge sind klimaschädlich. Insgesamt dürfte klar sein, dass solche Aufschriften auf Demos daneben sind und von der eigentlichen Bildaussage ablenken.

Pullover mit Aufschrift Air Force Academy

Letztes Beispiel: Werbung. Diese Person macht Zigarettenwerbung:

Zigarettenwerbung

Mit Inkrafttreten des Tabakwerbeverbots haben Tabakfirmen ihre Strategien umgestellt. Sie haben versucht, Farben zu besetzen und auch Bekleidungsmarken ins Leben gerufen. Niemand, der politisch denkt, sollte seinen Körper für Tabakwerbung zur Verfügung stellen.

Menschen, die lesen können, müssen Schrift lesen. Das passiert automatisch und unbewusst. Menschen, die Kleidungsstücke mit Nachrichten tragen, transportieren diese Nachrichten, machen Firmen oder Institutionen populär.

Photoshop

Wenn Ihr Fotograf*innen richtig wütend machen wollt, dann sagt ihnen: „Ach, das kann man doch alles mit Photoshop wegmachen.“ Solche Aussagen sind eine grobe Missachtung der Arbeit der Fotograf*innen, denn die Aussage ist: „Ich denke nicht nach darüber, was ich anziehe, denn Du kannst ja Deine Zeit damit verbringen, meine Gedankenlosigkeit irgendwie auszubügeln.“

Außerdem bitte ich Folgendes zu bedenken:

  • Es sind nicht nur Fotograf*innen anwesend, die der Klimabewegung wohlgesonnen sind. Ich wurde 2021 von meiner Agenturchefin gebeten, Fotos von vermüllten Demonstrationsorten zu machen. Es gäbe dafür Abnehmer.
  • Im Pressebereich zählen Sekunden. Je nach Situation/Aktion kann man nicht anfangen, jedes Bild einzeln zu bearbeiten. Problematische Bilder fliegen raus. Im schlimmsten Fall übersieht man Problemfälle und Bilder landen in Pressedatenbanken.
  • Bei langen Veranstaltungen kommen 1000–2000 Bilder zusammen, aus denen dann vielleicht mehrere Hundert ausgewählt werden. Da von Fotograf*innen zu erwarten, dass die diese bearbeiten, ist eine Sauerei. Ehm, sorry.
  • Ja, man kann einige Dinge mit Photoshop machen, aber zum Beispiel das Logo auf der Mütze gehört zu den schwierigeren Sachen, denn die umgebende Struktur ist detailliert und Manipulationen würden auffallen.
  • Die Bearbeitung von Reportagebildern ist grenzwertig.

Bei folgendem Bild habe ich die Werbung für einen Texttilkonzern so stark abgedunkelt, dass sie praktisch nicht mehr sichtbar ist.

Da war das Original:

T-Shirt-füllende Werbung für Bekleidungsmarke

Man kann nicht anders, als es von links nach rechts zu lesen. Und da steht zuerst Lee und man ist mit Gedanken irgendwo weit weg. Zum Beispiel in Indien bei den 60.000 Arbeiter*innen, die 5.000 Jeanshosen pro Tag produzieren.

Abgedunkeltes, fast nicht mehr sichtbares Firmenlogo

Das Abdunkeln des Logos ist aus Reportagesicht grenzwertig. 2013 gab es Wirbel um das Gewinnerbild des World Press Photo Awards (Süddeutsche Zeitung, 14.05.2013), weil dem Fotografen das Aufhellen von Bildstellen vorgeworfen wurde. Fotograf*innen arbeiten meist mit RAW-Dateien. Das sind die Daten, wie sie der Sensor der Kamera liefert. Da muss in jedem Fall an den Helligkeiten und Kontrasten gedreht werden, sonst würde zum Beispiel das Bild oben wie folgt aussehen:

Bilder sind also fast immer bearbeitet, aber die Frage ist, wie weit man in den Bildinhalt eingreift. In jedem Fall wäre es besser gewesen, wenn das T-Shirt keine Werbebotschaft verkündet hätte.

Nutzt die Möglichkeiten!

Wir reden über Werbung, über Nachrichten in Bildern. Die Proteste brauchen Berichterstattung in den Medien. Aktivist*innen wollen sichtbar sein und wollen ihre Anliegen sichtbar machen. Wir können von den Profis lernen. Schaut man sich Sportübertragungen und Pressekonferenzen nach Sportereignissen an, so sieht man, dass Getränke sorgfältig platziert werden, dass die Akteure Firmenlogos auf der Kleidung haben und sogar auf dem Kragen, so dass man sie auch bei Nahaufnahmen von Personen im Bild hat. Warum also nicht die eigene Message verbreiten?

Hoodies können das Logo, den Schriftzug einer Gruppe tragen:

Basti und Amelie Meyer von Extinction Rebellion bei Protest vor der FDP-Zentrale für 9-Euro-Ticket, Reinhardtstraße, Berlin, 02.09.22

Ein Anstecker ans Kleid ist möglich und reversibel:

Mütter von Mothers Rebllion demonstrieren vor einer Filiale der Deutschen Bank, um gegen die Finanzierung fossiler Projekte zu protestieren. Das war die weltweit erste Aktion von Mothers Rebellion, einer Vereinigung von Müttern, die mit zivilem Ungehorsam gegen unzureichende Klimapolitik demonstrieren. Berlin, 08.09.22

Bei dem Bild ist ein Teil des Banners zu sehen, die Logos der Deutschen Bank und es ist sehr gut, dass die Frau ein (farblich kontrastierendes) XR-Logo am Kleid hat.

Auch Gesichtsmasken oder Gesichter kann man mit Nachrichten und Logos verzieren.

Rebellin von Extinction Rebellion bei der Blockade des Landwirtschaftsministeriums, Berlin, 19.08.21
Teilnehmer am Klimastreik von Fridays For Future kurz vor den Bundestagswahlen: „Vote earth“, Berlin, Reichstag, 24.09.21

Auch Beutel kann man für Nachrichten nutzen. So steht auf dem Beutel von Isabelle Bungart: „Kapitalimus töten. Systemwandel statt Klimawandel“:

Aktivisten vom Aufstand der Letzten Generation graben die Rasenstücke vor dem Bundeskanzleramt um, um dann dort Kartoffeln und Zwiebel zu stecken (Kartoffeltüte links im Bild). Reichstag im Hintergrund, Berlin, Bundeskanzleramt, 12.02.22

Der beste Beutel ist der hier, der tragbare Politik fordert:

Rebell von Extinction Rebellion wird bei Auflösung der Blockade des Landwirtschaftsministeriums weggetragen. Er hat einen Beutel von der Partei Die PARTEI mit der Aufschrift: „Tragbare Politik“, Berlin Wilhelmstraße, 19.08.21

Zusammenfassung

Bitte lasst Kleidung, Taschen, Beutel usw. mit Firmenlogos zu hause. Zieht neutrale Sachen an, trennt Firmen-Logos ab, dreht Mützen, T-Shirts, Einkaufstüten oder -beutel um oder noch besser: Nutzt den Platz für Slogans oder Logos Eurer Bewegungen.

Danke!

Sorry, das musste mal raus.

Warum individuelle Verhaltensänderungen wichtig sind

In der Klimabewegung wird immer wieder darauf hingewiesen, dass der individuelle Fußabdruck Teufelszeug ist und dass angeblich individuelle Verhaltensänderungen nichts bringen würden, da die Lösung der großen Probleme um Größenordnungen wichtiger ist (z.B. Mau, 2022). Das sind verschiedene Punkte, die mitunter vermischt werden.

Fußabdruck vs. Handabdruck

Der CO2-Fußabdruck ist ein Maß dafür, wie viel CO2 einer konkreten Person zugerechnet werden können. Heizung, Ernährung, Mobilität, Konsum spielen eine Rolle. All das kann man reduzieren bzw. umstellen, aber auf bestimmte Faktoren hat die Einzelperson keinen Einfluss. In Mietwohnungen gibt es normalerweise keine Möglichkeit, den Vermieter dazu zu bringen, dass er eine Wärmepumpe einbaut oder eine Solaranlage auf dem Dach installiert.

Psycholog*innen sehen deshalb den so genannten Handabdruck als besseres Maß. Dabei geht es darum, wie viele Menschen man dazu bringt, weniger CO2 auszustoßen. Während man beim eigenen Fußabdruck an Grenzen kommt und zur Frustration, sorgt man beim Handabdruck letztendlich dafür, dass andere ihren Fußabdruck reduzieren und bis man da an Grenzen stößt, werden noch einige Jahre ins Land gehen.

Bleibt, wie Ihr seid, macht, was Ihr immer macht. Ist schon OK. Not.

Nun findet man aber auch Äußerungen in der Presse oder in sozialen Medien, dass es nicht darum geht, dass Einzelpersonen ihre Gewohnheiten ändern sollen. Ich habe einen Extremfall aus dem Freitag bereits diskutiert. Hier ist ein anderes kurzes Beispiel:

Lang ging es in der Klimakommunikation darum zu vermitteln dass es einen anthropogenen Klimawandel gibt. Das scheint (weitgehend) erreicht. Nun folgt der nächste Marathon: zu vermitteln dass es nicht um „weniger Fleisch und mal das Auto stehenlassen“ geht.

Ich würde ein „nur“ zwischen „nicht“ und „um“ einfügen, aber so wie es oben steht, halte ich die Aussage für falsch. Es gibt ein ganz einfaches Argument. Wir müssen unseren CO2-Ausstoß auf null Gramm CO2 senken (oder Null Tonnen, Null ist Null, nichts). Da die Fleischerzeugung dafür sorgt, dass große Mengen CO2 freigesetzt werden, muss das reduziert werden. Genauso sieht es bei Verbrenner-Autos und kerosinbetriebenen Flugzeugen aus.

Jetzt kann man sagen: Jo, ist aber alles egal, wenn weiter Kohlekraftwerke laufen, Ölfelder erschlossen werden usw. Das stimmt: #CarbonBombs. Und wenn es darum geht, Massen zu mobilisieren, oder Massen die Angst vor einer grünen Regierung zu nehmen, dann ist es vielleicht taktisch geschickt zu sagen: Hej, Ihr seid großartig. Bleibt wie Ihr seid. Wählt uns, wir machen das dann für Euch. Es ist nun aber so, dass wir gewählt haben. Wir haben die bestmögliche Regierung. Drei Parteien mit 1,5°-Ziel im Parteiprogramm und noch 270 Gt Restbudget. Diese Regierung wird das 1,5°-Ziel krachend reißen. Die nächsten Wahlen sind weit weg. Wir haben ein CO2-Restbudget von 27,7t pro Person, wenn wir 1,5° mit 83% Wahrscheinlichkeit halten wollen. Das heißt, das reicht noch für knapp drei Jahre. Mit Autofahren und viel Rumfliegen ist da nichts. Das Ernährungssystem muss umgestellt werden, wenn wir die Weltbevölkerung ernähren wollen. Man kann sich jetzt auf den Standpunkt stellen, dass das die Regierung machen muss. Es muss Vorgaben geben, die für alle gelten.

Das Problem ist nun aber, dass Regierungen, egal welcher Art (meine Vorhersage ist, dass die nächste Regierung Grün-Schwarz sein wird), nur das tun, was sie für opportun und durchsetzbar halten.

Monika Herrmann, ehem. Bezirksbürgermeisterin von Friderichshain/Kreuzberg spricht beim Klimamontag, Wrangelkietz: „Wir müssen die Straßen zerstören.“, Berlin, 02.0.522

Wenn also alle SUV fahren, Rindfleisch essen und nach Thailand fliegen toll finden und für unverzichtbar halten, werden sich Regierungen schwer damit tun, SUVs zu verbieten, Fleisch zu versteuern, die Subventionen für das Fliegen abzubauen und die ökologischen Schäden in Tickets einpreisen zu lassen. Wenn alle ihre Autos benutzen wollen, wird ein Umbau der Städte in Schwammstädte und ein verkehrsreduziertes Leben nicht möglich werden. Wenn dagegen 70 Prozent der Deutschen ohnehin vegetarisch leben würden, der Rest nur – wie früher – einen Sonntagsbraten essen würde und 60 Prozent der Deutschen in Bayern, Thüringen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg Urlaub machen würden, kämen die Regierungen vielleicht auch auf die Idee, das zu fördern.

Experimente haben gezeigt, dass Menschen andere Menschen beeinflussen. Dieser Einfluss wirkt nicht nur direkt (Person A beeinflusst Person B) sondern auch über mehrere Stufen hinweg: Person A beeinflusst Person B, wodurch Person C beeinflusst wird. Dabei haben Person A und Person C keinen unmittelbaren Kontakt, sie müssen sich nicht einmal kennen. Die folgende Abbildung veranschaulicht das.

Fowler & Christakis (2010: 5337): Verhaltensausbreitung über drei Stufen hinweg

In einem Experiment, in dem es darum ging, Geld zu geben, von dem dann die gesamte Gruppe mehr hat als wenn alle ihr Geld behalten (siehe Anhang), konnten Fowler & Christakis (2010) zeigen, dass der Einfluss bis zu drei Graden weiter reicht. Eleni beeinflusst Lucas, Lucas Erika, Erika Jay und Jay Brecken. Gleichzeitig beeinflussen Lucas und Erika und Jay aber auch noch andere Menschen. Es ist zu vermuten, dass das auch in realen sozialen Kontexten so funktioniert. Das Ergebnis wäre dann, dass sich zukunfstkompatibles Verhalten weiter verbreitet. Das muss natürlich durch die Politik ermöglicht und gefördert werden. Es ist eine komplexe Interaktion nötig. Aber die Menschen komplett zu entlasten und zu sagen: „Ej, mach ma wie Du immer machst, wir kriegen das schon irgendwie hin!“ (Mau, 2022), wird nicht funktionieren.

Anhang

In dem von Fowler & Christakis (2010) beschriebenen Experiment hat jeder Teilnehmerin 20 MU (money units). Wenn er oder sie eine MU in die Kasse einer Gruppe einzahlt, bekommt jeder in der Gruppe 0,4 MU (Es entstehen also 1,6MU). Wenn alle all ihr Geld abgeben, bekommt jede/r 32 MU. Wenn jemand asozial ist und 20 MU für sich behält, während alle anderen alles einzahlen, bekommt er 44 MU. Man kann nun feststellen, dass das Verhalten der Teilnehmer*innen sich über mehrere Personen hinweg in Richtung Kooperation verbessert. Menschen tun, was andere Menschen tun.

Quellen

Fowler James H. & Christakis Nicholas A. 2010. Cooperative behavior cascades in human social networks. Proceedings of the National Academy of Sciences. Proceedings of the National Academy of Sciences 107(12). 5334–5338. (doi:10.1073/pnas.0913149107)

Mau, Katharina. 2022. Wer rettet das Klima: Ich oder wir? der Freitag. (https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/klimawandel-kann-der-einzelne-wirklich-einen-unterschied-machen)

Die Klimakatastrophe: Dokumentation von katastrophalen Auswirkungen in der Gegenwart

Die Klimabewegung fordert immer wieder eine adäquate Berichterstattung über Klimathemen in den Medien. Ja, es ist wahr, angesichts der Bedeutung der Klimakatastrophe für die Menschheit müssten die Themen mindestens so präsent sein, wie der Ukraine-Krieg im Februar und März. Aber es ist nicht so, dass die Klimathemen gar nicht vorkämen. Wir neigen nur dazu, Dinge wieder zu vergessen. Da ich das immer wieder für Diskussionen, Vorträge und Blog-Posts brauche, habe ich beschlossen, hier eine Seite mit Medien-Berichten über Katastrophen anzulegen.

Dürre

Überall auf der Welt gibt es Gebiete, die von Dürrekatastrophen betroffen sind. In Somalia gab es 2022 die schlimmste Dürre seit 40 Jahren. Hundertausenden droht laut UN der Hungertod (tagesschau, 11.06.2022). In Indien ist es viel früher im Jahr als üblich sehr heiß. Lang anhaltende Hitzeperioden von über 40° kann der menschliche Körper nicht aushalten. (taz, 23.05.2022: Extreme Hitze in Indien und Pakistan: Gelebte Klimakrise)

Auch in Kalifornien gibt es Dürre-Katastrophen und Notstand wird ausgerufen. Wegen der hohen Brandgefahr werden Kraftwerke abgeschaltet und die Stromversorgung ist tagelang unterbrochen (tagesschau, 16.05.2022). Auch in Deutschland gab es bereits Gemeinden, in denen das Trinkwasser knapp geworden ist (Spiegel 34/2020).

Der Po in Italien ist in weiten Teilen des Landes versiegt. Die Ernte in Norditalien ist verloren.

Die gleichen Probleme gibt es in Spanien. (tagesschau: 14.06.2022: Ungewöhnlich heftige Hitzewelle lässt Spanien schwitzen; taz, 08.07.2022)

In den USA sind 40 Millionen (!) Menschen von Wassermangel bedroht, weil der Colorado River nicht mehr genug Wasser führt (Los Angeles Times, 14.06.2022: Major water cutbacks loom as shrinking Colorado River nears ‘moment of reckoning’).

“What has been a slow-motion train wreck for 20 years is accelerating, and the moment of reckoning is near,” said John Entsminger, general manager of the Southern Nevada Water Authority, which supplies the Las Vegas area.

He pointed out that Lake Mead’s water level, now at 1,045 feet above sea level, has continued to decline toward critically low levels. Hoover Dam could still release water down to a level of 895 feet, but below that, water would no longer pass through the dam to supply California, Arizona and Mexico — a level known as “dead pool.”

“We are 150 feet from 25 million Americans losing access to the Colorado River, and the rate of decline is accelerating,” Entsminger told the senators.

Avoiding “potentially catastrophic conditions,” Entsminger said, will require reductions that many water managers previously considered unattainable.

Los Angeles Times, 14.06.2022: Major water cutbacks loom as shrinking Colorado River nears ‘moment of reckoning’

Hitze

Durch die zunehmende Erwärmung werden Regionen, in denen es jetzt schon heiß ist, unbewohnbar werden. Aber auch Europa ist stark betroffen. Im Hitzesommer 2003 sind in Südeuropa 45.000–70.000 hitzebedingt gestorben (Wikipedia: Hitzewelle 2003). Eine Modellierung, die 2022 im Ärzteblatt veröffentlicht wurde, zeigt, dass 2018–2022 über 19.000 Menschen an Hitze gestorben sind (Hitzebedingte Mortalität in Deutschland zwischen 1992 und 2021).

Kälte

Ja, auch wenn Menschen wie Trump das nicht verstehen (wollen), auch Kältewellen zählen zu den Folgen der Klimaänderungen. Es gibt im Polargebiet einen starken Luftwirbel. Dieser wird klimawandelbedingt ab und zu unterbrochen, weshalb dann sehr kalte Luft in südliche Gebiete gelangt (Wille, 2021).

Brände

In Kannada, den USA, Russland, Australien gibt es riesige Waldbrände. Zum Teil gab es die auch früher schon, aber jetzt sind die Wälder trocken und die Brände nehmen enorme Ausmaße an und sind nicht mehr zu kontrollieren. Auch in Brandenburg hat es 2022 gebrannt und die Feuerwehr hat den Brand nur unter Kontrolle bringen können, weil es geregnet hat.

Flutkatastrophen

Flutkatastrophen gab es in Australien in 2022 mehrfach, es gab welche in Australien (tagesschau: 01.03.2022: Überschwemmungen in Australien: Mindestens zehn Menschen sterben), in den USA (tagesschau: 03.09.2021: Jahrhundertunwetter: Viele Opfer nach verheerenden Sturzfluten in der Region New York; tagesschau 14.06.2022: Yellowstone-Nationalpark: „Überschwemmungen wie noch nie“), Kanada (tagesschau, 18.11.2021: Überschwemmungen in Kanada: Provinz British Columbia ruft den Notstand aus), Brasilien (tagesschau 31.05.2022: Unwetter in Brasilien: Viele Tote bei Erdrutschen), in China (taz, 23.07.2021: Hochwasserkatastrophe in Henan: Zehntausende bauen Hilfsliste auf), Südafrika (Unwetter und Überschwemmungen: Mehr als 250 Tote in Südafrika), in Bangladesh und Indien (tagesschau 19.06.2022: Fluten in Bangladesch und Indien: Tote nach heftigen Überschwemmungen).

Stürme

Starkregen

Siehe Überflutungen und Quellen unten. Erinnert sei auch an das Starkregenerignis 2017 in Berlin. In China und in New York waren Menschen in der U-Bahn eingeschlossen, standen in U-Bahnwagen bis zur Brust im Wasser.

Hungersnöte

Siehe Dürre.

Erste Welt und Deutschland

Das ist doch alles weit weg und betrifft uns nicht! Oder? Selbst wenn man zynisch ist oder irgendeinen Weg sucht, die Katastrophe zu verdrängen, wird das nicht lange funktionieren, denn es ist alles verknüpft und verwoben. Die erste Welt ist auf die Lieferungen aus der zweiten angewiesen. Unsere Computer, Telefone und bald auch Autos werden in Regionen hergestellt, die massiv betroffen sind. Siehe Dürre in Taiwan verschärft Chip-Krise. Aber wie ich oben gezeigt habe, sind die USA, Kanada, Australien und auch Europa von Hitze, Waldbränden, Dürren, Kälteeinbrüchen und Überflutungen betroffen. Erinnerung: Wir sind jetzt bei 1,2°. Das 1,5°-Ziel ist nach Aussage von Wissenschaftler*innen nur noch unter höchsten Anstrengungen zu erreichen und dass die erfolgen, ist unrealistisch. Das heißt, es werden 1,6 oder sogar mehr Grad werden. Wie der UN-Generalsekretär António Guterres gesagt hat: Jeder Bruchteil eines Grades zählt. (Rede, 28.02.2022, offizielle Übersetzung)

Quellen

AFP Deutschland. 2021. Dürre in Taiwan verschärft Chip-Krise. (https://www.youtube.com/watch?v=8H4F584UYWM)

Braun, Michael. 2022a. Trockenheit in Südeuropa: Norditalien geht das Wasser aus. taz. Berlin. (https://taz.de/Trockenheit-in-Suedeuropa/!5859386/)

Braun, Michael. 2022b. Dürre in Italien: Klimawandel hautnah. taz. Berlin. (https://www.taz.de/!5862219)

Capucci, Matthew. 2022. Record heat has gripped India since March. It’s about to get worse. Washington Post. (https://www.washingtonpost.com/weather/2022/04/25/india-record-heat-march-april/)

Die Welt. 2021. Spinnenplage Australien: Nach Hochwasser hüllen teils giftige Spinnen Australien in ihre Netze. WELT Nachrichtensender. (https://www.youtube.com/watch?v=b96Q6YT4cwo)

dpa. 2022. Somalia steht vor einer Hungerkatastrophe. Frankfurter Allgemeine Zeitung. (https://m.faz.net/agenturmeldungen/dpa/somalia-steht-vor-einer-hungerkatastrophe-18087575.amp.html)

Hrishikesh, Sharanya. 2022. Heat wave in India leaves millions struggling to cope. BBC news. (https://www.bbc.com/news/world-asia-india-61242341)

Kretschmer, Fabian. 2021. Hochwasserkatastrophe in Henan: Zehntausende bauen Hilfsliste auf. taz. Berlin. (https://www.taz.de/!5787142)

Mix, Henry M. & Schwarz, Boas. 2021. Arktis im Wandel: Gefährliche Viren aus dem Permafrost und Rentiere auf Umwegen. (https://www.mdr.de/wissen/arktis-fluesse-versiegen-rentier-eisbaer-dominoeffekt-100.html)

Müller, Christoph. 2022. Klima-Schocks schreiben Geschichte. taz. Berlin. (https://www.taz.de/!5852413)

reuters. 2022a. Über 300 Tote nach starken Unwettern in Südafrika. (https://www.youtube.com/watch?v=UbiNdHDLM2k)

reuters. 2022b. Brasilien: Mindestens 79 Tote nach Unwettern. reuters. (https://www.youtube.com/watch?v=R9quTTLkkAo)

Schmidt, Thea. 2022. Hitzewelle in der Antarktis: nur ein „äußerst unwahrscheinliches“ Ereignis? RND Redaktionsnetzwerk Deutschland. (https://www.rnd.de/wissen/antarktis-temperaturen-40-grad-zu-hoch-ist-die-hitzewelle-nur-ein-aeusserst-unwahrscheinliches-3GKA6GBUIJBXHBS5OARICI2GNA.html)

Schwarz, Susanne. 2021. Hilfsorganisation warnt: Wetter wird teurer. taz. Berlin. (https://www.taz.de/!5817639)

Seidler, Christoph. 2020. Dürresommer in Deutschland: Wird sogar das Trinkwasser knapp? Der Spiegel 34. (https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/duerre-in-deutschland-wird-sogar-das-trinkwasser-knapp-a-00000000-0002-0001-0000-000172492990)

tagesschau. 2019. Rekord-Kältewelle in weiten Teilen der USA. tagesschau. (https://www.youtube.com/watch?v=21aPphgfBk4)

tagesschau. 2021a. Kältewelle in Nordamerika: Niagara-Fälle teilweise eingefroren. tagesschau. (https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-827413.html)

tagesschau. 2021b. Dürre-Notstand und höchste Brandgefahr in Kalifornien. tagesschau. (https://www.youtube.com/watch?v=aAKkJ-2ak5A)

tagesschau. 2021c. Hohe Temperaturen im Nordwesten: Hunderte Hitzetote in Kanada. tagesschau. (https://www.tagesschau.de/ausland/hitze-kanada-103.html)

tagesschau. 2021d. Wegen extremer Hitze in Kanada brennen vereinzelte Ortschaften. tagesschau. (https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-884869.html)

tagesschau. 2021e. Starkregen in China: Mindestens 12 Menschen sterben. tagesschau. (https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-893071.html)

tagesschau. 2021f. Überschwemmungen: Zahl der Flutopfer in China steigt drastisch. (https://www.tagesschau.de/ausland/asien/china-ueberschwemmungen-131.html)

tagesschau. 2021g. Jahrhundertunwetter: Viele Opfer nach verheerenden Sturzfluten in der Region New York. Welt. (https://www.youtube.com/watch?v=msLx4ZdjUFU)

tagesschau. 2021h. Mindestens 44 Tote nach Starkregen in New York. tagesschau. (https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-913415.html)

tagesschau. 2021i. Überschwemmungen in Kanada: Provinz British Columbia ruft den Notstand aus. tagesschau. (https://www.youtube.com/watch?v=3DKGoELrCN0)

tagesschau. 2022a. Wintereinbruch in Südeuropa: Seltener Schnee in Athen. (https://www.youtube.com/watch?v=tQkcJInQhiY)

tagesschau. 2022b. Überschwemmungen in Australien: Mindestens zehn Menschen sterben. tagesschau. (https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-996263.html)

tagesschau. 2022c. Unwetter und Überschwemmungen: Mehr als 250 Tote in Südafrika. tagesschau. (https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1017251.html)

tagesschau. 2022d. Unwetter in Brasilien: Viele Tote bei Erdrutschen. tagesschau. (https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1039619.html)

tagesschau. 2022e. Somalia droht Hungerkatastrophe: Dürrekrise und Folgen des Ukraine-Krieges. tagesschau 20 Uhr. (https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1044713.html)

tagesschau. 2022f. Früher, stärker, länger: Hitzewellen in Deutschland und Europa. (https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1047813.html)

tagesschau. 2022g. Fluten in Bangladesch und Indien: Tote nach heftigen Überschwemmungen. (https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1048147.html)

tagesschau. 2022h. Waldbrand außer Kontrolle: Feuer in Brandenburg Wohngebiete. (https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1048159.html)

tagesschau. 2022i. Waldbrände Brandenburg: Regen bringt etwas Erleichterung. (https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1048639.html)

tagesschau. 2022j. Historischer Wassertiefstand: Extreme Trockenheit in Norditalien. (https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1051311.html)

tagesschau. 2022k. Gletscherbruch in den Dolomiten: Mindestens sechs Tote und zahlreiche Verletzte. tagesschau. (https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1054529.html)

tagesschau. 2022l. Dürre in Italien: Notstand für fünf Regionen in der Po-Ebene verhängt. (https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1055601.html)

tagesschau. 2022m. Nach Starkregen: Massive Überschwemmungen in Ost-Australien. tagesschau. (https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1056167.html)

Vitense-Lukat, Nicola. 2022. Vielerorts fehlt auch Wasser: Tödliche Hitze: Fast 50 Grad in Indien. Panorama. ZDF. (Heute.) (https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/indien-hitze-klima-folgen-100.html#xtor=CS5-62)

Wikipedia. 2019. Hitzewelle in Europa 2003. Wikipedia. (https://de.wikipedia.org/wiki/Hitzewelle_in_Europa_2003)

Wikipedia. 2022. Hochwasser in West- und Mitteleuropa 2021. Wikipedia. (https://de.wikipedia.org/wiki/Hochwasser_in_West-_und_Mitteleuropa_2021)

Wille, Joachim. 2021. Wintereinbruch in Norddeutschland: Wenn es den Polarwirbel zerlegt. klimareporter°. (https://www.klimareporter.de/erdsystem/wenn-es-den-polarwirbel-zerlegt)

Winklmayr, Claudia & Muthers, Stefan & Niemann, Hildegard & Mücke, Hans-Guido & an der Heiden, Matthias. Hitzebedingte Mortalität in Deutschland zwischen 1992 und 2021. Ärzteblatt. (doi:10.3238/arztebl.m2022.0202)

Olympia: Startups, Sponsoring und Elon Musk

OK: Eine Kritik an Olympia kommt immer wieder: Die OrganisatorInnen sind so komische Startup-Heinis/Startup-Trullas, das ist alles nur Kommerz, um irgendwelche Firmen zu pushen und es sind auch sowieso die falschen Firmen. Ich habe in meinen Posts, die Firmen-Sache immer raus- bzw. ganz klein gehalten, möchte hier aber doch mal etwas ausführlicher schreiben.

Startups und Einhorn

Wie die OrganisatorInnen in der FAQ schreiben und wie ich auch in Warum ich Olympia gut finde erklärt habe, kann man als Einzelperson nicht das Olympiastadion mieten, da die Miete so hoch ist, dass der Vermieter (das Land Berlin) irgendwie sicher stellen muss, dass der Vertragspartner genügend groß ist, um eine entsprechende Veranstaltung zu planen und einen geregelten Verlauf abzusichern.

Waldemar Zeiler (Gründer Einhorn, Brille Bart), Irma (Fridays4Future), Thomas Loew (Scientists4Future, grau gesprekelter Pullover), Elisa Naranjo (Einhorn, Head of fairstainability), Philip Siefer (Gründer Einhorn, Mikro) und Charlotte Roche (vorn grüner Pullover) bei der Auftaktveranstaltung zur Crowdfunding-Aktion zur Mietung des Olympiastadions für die größte BürgerInnenversammlung der Welt mit bis zu 90.000 Menschen, Berlin, 18.11.19

Die Firma, die die Anmietung des Stadions übernommen hat, ist eine Startup-Firma. Ist das schlimm?

Startups

Nein. Nicht unbedingt. Was sind Startup-Firmen? Wie funktionieren sie? Zuerst sind da ein paar Menschen, die eine Idee haben. Entweder sie können die Idee direkt umsetzen oder sie brauchen Geld für irgendwelche Dinge. Ich habe selbst von 2000–2001 in einer Startup-Firma gearbeitet. Ziel war es Computerschnittstellen zu bauen, so dass man mit natürlicher Sprache Datenbankanfragen stellen kann. Ich war für die Entwicklung computerverarbeitbarer Grammatiken zuständig. Wir waren am Anfang ein Team von 6–10 Leuten. Das wurde schnell größer und irgendwann 2002 oder 2003 waren es dann 100 Leute. Diese Menschen müssen irgendwie bezahlt werden. Wenn es noch keine Produkte gibt, für die irgendjemand Geld geben würde, dann braucht man einen Vorschuss. Den kann man sich entweder von der Bank holen oder von darauf spezialisierten Investoren. Es ist klar, dass bei solchen Investments das Geld verloren sein kann, wenn die Firma pleite geht, bevor das Produkt marktreif ist oder wenn sich herausstellt, dass das Produkt doch niemand braucht. Die Fernsehserie Silicon Valley liefert einen sehr lustigen Einblick in die kalifornische Start-Up-Szene.

Die Firma, bei der ich gearbeitet habe, ist krachen gegangen und die Spracheingabe ist inzwischen technisch gelöst.

Funny Van Dannen: „Baut kleine geile Firmen auf!“

Ich habe später selbst eine Firma gegründet. 2012 habe ich mit meinem Kollegen Martin Haspelmath begonnen, den Openaccess-Verlag Language Science Press aufzubauen. Inzwischen sind über 100 Bücher von AutorInnen aus aller Welt veröffentlicht, es gibt 23 Buchreihen. AutorInnen und LeserInnen bezahlen keinen Cent. Bei anderen Verlagen müssten AutorInnen für die Veröffentlichung eines Openaccess-Buches 10.000–15.000€ (Steuergeld) bezahlen. Preise für gedruckte wissenschaftliche Bücher liegen bei 60–250€.

Download-Zahlen der Top Language-Science-Press-Bücher. Darunter sind drei Lehrbücher mit 40.000 bzw. zweimal 30.000 Downloads. Da die Bücher frei verfügbar sind, sparen Studierende, Bibliotheken und die interessierte Öffentlichkeit viel Geld.

Der Verlag ist dezentral organisiert, die Reihenherausgeber leisten einen großen Beitrag zur Bucherstellung. Dennoch kostet Language Science Press Geld. Wir beschäftigen anderthalb Personen. Die Erstellung eines Buches (Verwaltung, Abstimmung Satz, Einpflegen der Dateien in Computersysteme usw.) kostet so zwischen 3000 und 4000€. Das Geld muss irgendwo herkommen. In unserem Fall kommt es von Universitäten und Forschungseinrichtungen, die letztendlich sehr viel Geld sparen, weil sie die Bücher nicht für Bibliotheken anschaffen müssen. Noam Chomsky und Steven Pinker haben uns dabei unterstützt, das Geld zusammenzubekommen. Die Firma ist gemeinnützig, d.h. wir dürfen nur einen bestimmten Betrag auf dem Konto haben und dürfen keine Gewinne an die Gesellschafter ausschütten.

Wer den Kapitalismus hasst, muss Language Science Press lieben (alle anderen auch), denn die Gewinnmargen von Elsevier, Wiley und Springer (dem Wissenschaftsverlag) liegen irgendwo zwischen 40% und 35%. Das sind Steuergelder, die wir alle bezahlen. Hier kann man gucken, was die Vorstände der großen Wissenschaftsverlage pro Jahr verdienen. Liegt so im Millionen-Bereich.

Das heißt: Nur weil jemand eine Firma gründet, ist er noch lange kein schlechter Mensch. Sorry, dass ich Euch gerade erklärt habe, warum ich kein schlechter Mensch bin.

Es sollte jetzt aber klar sein, was Startups sind und dass man für neue innovative Projekte Geld braucht und dass solche Projekte nicht unbedingt schlecht sein müssen.

Einhorn

Vorweg: Ich habe mit Einhorn nichts zu tun. Ich habe den Namen zum ersten Mal im September 2019 beim Onboarding von Extinction Rebellion (XR) gehört. Ich dachte, das wäre ne Kneipe. Es waren aber die Büroräume, die Einhorn XR kostenlos zur Verfügung stellt. Zum ersten Mal gesehen habe ich sie auf der Kick-Off-Veranstaltung zum Crowdfunding am 18.11.2019. Ich habe dort erfahren, dass die Firma fair hergestellte vegane Kondome (kann man in Kondome Tiere reinmischen???)1 und Periodenprodukte herstellt. Kurz nach dem Kick-Off habe ich einen Fernsehbeitrag gesehen, in dem erklärt wurde, dass die Gründer ihre privaten Anteile an die Firma geben und die Firma jetzt so organisiert ist, dass niemand persönlich reich wird, wenn es der Firma gut geht. Mehr wusste ich bis vor kurzem nicht über die Firma.

Wenn mir jemand Werbung zuschickt, bestelle ich sie umgehend ab, weil ich den Quark eh nicht lese und das alles eine unglaubliche Ressourcenverschwendung ist (siehe Bestellt alles ab!). Ich habe mein Konto bei der GLS-Bank (Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken). Die GLS-Bank ist eine Genossenschaftsbank. Sie fördert solziale und ökologische Projekte. Um das zu unterstützen, bin ich zusätzlich auch Genossenschaftler. Die Bank schickt von Zeit zu Zeit einen Report (Bankspiegel 2/2019) und der lag noch bei mir rum, weil ich ihn abbestellen wollte. Beim Abbestellen fiel mein Blick auf einen Artikel über Einhorn. In diesem Artikel ist die Firma etwas genauer beschrieben. Die Firmenkultur ist sehr offen, es gibt keine Hierarchien, keine Chefs.

Denn 2017 entschieden die Gründer Zeiler und Siefer, dass sie keine klassischen Chefs mehr sein wollen. Ab dann standen die Mitarbeiter, oder „Mitunternehmer“ wie Zeiler sie nennt, mit in der Verantwortung. Sie müssen selber wissen, wann sie ins Büro kommen, wie viel Urlaub sie brauchen, welche Entscheidungen sie in ihrem Verantwortungsbereich treffen, und mit einem selbst gewählten Gehaltsrat untereinander den Lohn verhandeln. Inspiriert wurden sie durch Holacracy (Führen ohne Chefs), doch sie halten sich nicht zu eng daran. „Wofür wir eine Lösung brauchten und hier keine Antwort fanden, war, wie Innovation zustande kommt“, sagt Naranjo. Sie üben sich in gewaltfreier Kommunikation und versuchen, ihre eigenen dezentralen Entscheidungswege zu finden. „Wir kriegen in den Medien oft ein rein positives Bild. Man muss aber auch ehrlich mal sagen, so zu arbeiten, ist echt anstrengend“, meint Naranjo. Trotzdem hält sie diese neue und manchmal Unsicherheiten provozierende Arbeitskultur für richtig. Denn das macht die Haltung des Unternehmens aus.

Lisa Neal: Einhorn Bankspiegel 2/2019
Funding future: Elisa Naranjo (Einhorn, Head of fairstainability) bei der Auftaktveranstaltung zur Crowdfunding-Aktion zur Mietung des Olympiastadions für die größte BürgerInnenversammlung der Welt mit bis zu 90.000 Menschen, Berlin, 18.11.19

Im Prinzip müsste das eigentlich genau das sein, was auch die Kritiker von Einhorn und Olympia gut finden müssten: ein hierarchiefreies Kollektiv von Menschen, die gemeinsam an einer guten Sache arbeiten.

In derselben Ausgabe des Bankspiegels gibt es auch einen Beitrag Bürgerrat: „Krafträume für Demokratie“ über den Verein Mehr Demokratie e.V. Sowohl die GLS-Bank als auch dieser Verein unterstützen Olympia.

Sponsoring

Auf der Kick-Off-Veranstaltung für das Crowdfunding wurde gesagt, dass das Crowdfunding gebraucht wird, weil das Ereignis ohne Sponsoren durchgeführt werden soll. Das fand ich gut, und es hat mich sehr gewundert, dass KritikerInnen von Olympia plötzlich dieses Bild auf twitter posteten:

Wieso stehen diese Firmennamen dort? Das Hotel? Ist das nicht genau das, was Sponsoring ausmacht? OK, man kann noch sagen, dass im Stadion selbst alles werbefrei ist, aber dass Unternehmen mit dem Projekt assoziiert werden, ist verkehrt. Die meisten Firmen kannte ich vorher nicht und sie interessieren mich auch nicht. Es sind meist Öko-Firmen, weshalb sie schon zu einem Weltrettungsprojekt passen. Dennoch hätten gewinnorientierte Firmen nicht auf dem Bild auftauchen dürfen.

Ich selbst habe dieses Bild übrigens nie auf den Webseiten gesehen, obwohl ich mich seit dem 18.11.2019 für das Projekt interessiere, Olympia auf twitter folge und die Web-Seiten des Projekts und die Seiten bei Startnext angesehen habe. Ich habe mich erst heute mit den Firmen beschäftigt und einige nachgeschlagen. Es scheint also paradoxerweise so zu sein, dass die Olympia-Kritiker diesen Firmen zu Publicity verhelfen, indem sie dieses Bild teilen.

Olympia selbst hat inzwischen den Fehler erkannt und die Firmen-Namen entfernt.

Tweet von Olympia zur Liste der UnterstützerInnen vom 25.12.2019

Lush

Als links-grün versiffter Gutmensch wasche ich mich nie. OK, heute habe ich geduscht, aber es ist auch der erste Tag im Jahr. Dann dusche ich noch einmal im Mai vor der Geburtstagsparty. Kosmetik-Zeug interessiert mich deshalb nicht. Ich habe den Artikel über Lush in der taz bei Erscheinen zwar gesehen, aber nicht gelesen. Nun wurde Lush aber als Unterstützer genannt und das wurde auch prompt aufgegriffen und kritisiert. Ich habe den taz-Artikel und noch einen weiteren bei t-online (Lush: eine schmierige Naturkosmetikkette) gelesen und ja: Lush ist eine Öko-Sekte, so was wie die Öko-Version von Schlecker.2 Ich denke, dass das Investment von Lush sich nicht gelohnt hat. Viele Leute wissen jetzt Bescheid und ich freue mich, wenn ich auch mit diesem Beitrag noch ein bisschen dazu beitragen kann, dass mehr Menschen die Arbeitsweise dieses Unternehmens mit den „glücklichen“ Öko-Prostituierten kennenlernen.

Elon Musk

Auch immer wieder gern diskutiert wird der folgende Tweet des offiziellen Twitter-Accounts von Olympia an Elon Musk:

Tweet von Olympia an Elon Musk, 23.12.2019

Elon Musk ist der Mann, der die Auto-Firma Tesla gegründet hat. Ich halte diesen Olympia-Tweet für einen großen Fehler. Warum soll dieser Mensch für Olympia Geld geben? Ja, er ist irgednwie öko. So wie Lush ja auch. Aber auch E-Autos sind keine Lösung für unsere Verkehrsprobleme. Zumindest nicht in den Städten und schon gar nicht die Autos, die Musk baut. Musk will auch in Brandenburg SUVs bauen. SUVs sind absurd unökologisch und es ist eine Schande für unser Land, dass so viele Menschen hier immer noch SUVs neu anschaffen.

Nice shirt: Klimakativist Tadzio Müller hält eine mitreißende Rede am Brandenburger Tor bei der Klimademo #AlleFürsKlima vor 270.000 Menschen am Brandenburger Tor, Berlin, 20.09.19

Der Gipfel der Unsinnigkeit sind aber Elektro-SUVs. Nicht nur, dass man wie bei den Verbrenner-SUVs 1,5 Tonnen Zeug bewegen muss, um 80kg Mensch zu transportieren. Bei Elektro-SUVs kommen noch 650kg für Batterien dazu. Einfach Irrsinn und an den Erfordernissen unserer Zeit vorbei. In der Stadt braucht man gar keine Autos. Man kann das (Lasten-)Rad benutzen oder den ÖPNV oder, wenn es nicht anders geht, ein Taxi oder Mitauto (siehe Automobilstrejk for klimatet). Ich selbst habe nie ein Auto besessen. Das geht. Auch mit zwei Kindern. Und ich bin 1993 zum ersten und letzten Mal PKW gefahren (nur mal so zum Probieren, hab 1989 LKW-Fahrerlaubnis gemacht).

Steffen Zeisig hat Recht, wenn er Musks Ablehnung des ÖPNVs kritisiert:

Tweet zu Elon Musk und seinen Ansichten in Bezug auf öffentlichen Personennahverkehr

Aber der Mann will Autos verkaufen. Was soll man von ihm erwarten? Über die Ankündigung, dass Tesla nach Brandenburg gehen will, habe ich mich dennoch gefreut. Aus mehreren Gründen: 1) Macht Tesla den verschlafenen deutschen Autofirmen Druck. 2) Ist es politisch gut, wenn die Region Brandenburg Arbeitsplätze und Steuern bekommt, wo wir ihr doch die Kohle wegnehmen werden. 3) Und hier scheine ich mir zu widersprechen: Es ist gut, dass es diese teuren und luxuriösen E-Autos gibt. Der Grund ist, dass die Super-Reichen einen enorm hohen CO2-Abdruck haben. Sie sind gleichzeitig aber auch Vorreiter und Vorbild für viele andere Menschen, die nach Reichtum und Wohlstand streben. Wenn Reichtum mit E-Autos und Solarzellen assoziiert wird, werden auch in anderen Bevölkerungsschichten E-Autos usw. begehrenswert.3

Musk war bei der E-Mobilität Pionier und dafür können wir ihm danken, wir sollten aber dafür kämpfen, dass seine Monster nicht letztendlich die Städte übernehmen.

Demonstration in Kreuzberg für ein autofreies Berlin, 26.10.2019

Keine Gras-roots-Bewegung?

Auf twitter gibt es viele merkwürdige Behauptungen und wahrscheinlich muss ich dringend lernen, diese zu ignorieren (nehme ich mir für’s neue Jahrzehnt vor). Eine Behauptung war, dass die Tatsache, dass es die SpenderInnen gab, zeigt, dass Olympia keine Gras-Roots-Bewegung sei. Aber, wenn man sich die Zahl der SpenderInnen ansieht und dann die 12 GroßspenderInnen abzieht, bleiben immer noch: Tja, 12 weniger. Trotzdem noch viele übrig. Mit heutigem Stand sind das 26966 Spender, die ein Ticket oder mehrere Tickets für sich gekauft haben. 4.833 haben Einzeltickets gespendet, 2.585 haben für sich ein Ticket gekauft und eins gespendet und 3.711 haben 15€ gespendet. 36 Personen haben 100er Tickets gespendet. Wie viele Personen das letztendlich sind, weiß der Wind, weil ja Personen sowohl Tickets gekauft haben können als auch gespendet haben können, aber in jedem Fall ist es eine beeindruckende Crowd. Ja, vielleicht wäre die Summe von 1,8 Mio Euro zu Weihnachten nicht im Kasten gewesen, aber Olympia hätte dennoch stattgefunden: Es gab Angebote aus anderen Städten, es dort in Stadien mit geringeren Mietkosten durchzuführen. Und man hätte die Tickets sicher noch nach Bekanntgabe der auftretenden KünstlerInnen verkaufen können.

Ich bin in jedem Fall aber sehr froh, dass es jetzt in Berlin stattfindet, denn so kann ich die 16km zum Stadion mit dem Fahrrad zurücklegen. In eine andere Stadt wäre ich wahrscheinlich nicht gefahren. Dann wäre es wohl eine Online-Teilnahme geworden.

Transparenz und Rückgabe

Was würde ich jetzt machen? Ich würde einfach alle Großspender kontaktieren und ihnen ihr Geld zurücküberweisen. Das wären 359.400€ bzw. 12.000 Tickets. Die 12.000 Tickets würde ich einfach in den normalen Verkauf geben. Die gehen schon noch weg. Der Nachteil wäre, dass dann nur Menschen diese Tickets kaufen könnten, die sich das leisten können. Dass nur diejenigen teilnehmen können, die sich Tickets leisten können, war ja einer der (unbegründeten) Vorwürfe der Olympiagegner. Der Anteil der Soli-Tickets würde dann aber leider von derzeit 39% auf 21% sinken. Irgendwie scheint man es nicht allen recht machen zu können.

Hm.

Vielleicht geben die OrganisatorInnen wenigstens die Lush-Spende zurück ….