Nazis raus aus den Stadien. Oder besser gar nicht erst rein

Vorwort

Zur Einordnung: Der Bruder meines Großvaters saß unter den Nazis im Zuchthaus, weil er Flugblätter verteilt hatte. Ich habe Auschwitz, Sachsenhausen und mehrmals Buchenwald besucht. Ich weiß, was Nationalsozialismus war und ist.

Graffito in Kahla/Thüringen, 07.2013, CC-BY Stefan Müller

Nolympia trendet im Twitter-Dorf

Du wachst im neuen Jahr auf, guckst auf dein Twitter und: „Oh, no! trendet.“ Was ist denn nun schon wieder los? Das Crowd-Funding war doch gerade erfolgreich und alles hatte sich etwas beruhigt. Zum Glück hatte ich gerade vorher einen Artikel von Rezo über Umweltsäue, die durchs Twitter-Dorf gejagt werden, gelesen, in dem erklärt wurde, warum man twitter nicht so ernst nehmen muss. Ich habe also tief durchgeatmet und mal drei vier tweets angesehen. Es ging um das JUNG&naiv-Video, das Tilo Jung mit Philip Siefer von Einhorn gemacht hat. Ein Tweet warf Philip Siefer Frauenfeindlichkeit und Sexismus vor. OK. Komplett absurd. Wer sich ein bisschen mit der Firma beschäftigt hat, weiß, dass das Quatsch ist. (Alle anderen sollten das Interview halt ganz ansehen.) Philip hat die Situation an der TU Ilmenau beschrieben und etwas über den Frauenanteil gesagt. Er hat das ironisch kommentiert. Versteht nicht jeder. Das andere Interview-Zitat ist leider viel, viel schlimmer. Auf die Nachfrage von Thilo Jung, ob denn auch Nazis im Stadion willkommen seien, antwortete Philip Siefer: „Ja, also, wenn sie sich konstruktiv an der Lösung der Probleme, die wir genannt haben, beteiligen möchten.“ OK. Die Antwort ist unterirdisch. Ich formulierte schon den tweet: „Wie blöd bzw. jung und naiv kann man denn sein?“ Ich habe den tweet nicht geschrieben, nicht abgeschickt. Ich habe erst mal gearbeitet und mir dann am Abend den zweistündigen Beitrag von JUNG&naiv angesehen.

Kommunikativ verunglückt. Massivst

Nachdem ich diese Ausschnitte gesehen hatte, hatte ich Bammel, was mich da erwartet: Ruiniert jetzt ein so ein blödes Video Olympia komplett? Hier ist die Stelle, um die es ging:

Auf die Frage, ob auch Nazis mitmachen dürfen, kam die Antwort „Ja, also, wenn sie sich konstruktiv an der Lösung der Probleme, die wir genannt haben, beteiligen möchten.“ Was hat ihn geritten? Man weiß es nicht. Ich bin auch jemand, der immer alle mitspielen lassen möchte. Wenn man den ganzen Osten als Nazis bezeichnet, dann sollten auch diese „Nazis“ einbezogen werden. Ich denke aber, dass es absolut falsch ist, alle AfD-WählerInnen als Nazis zu bezeichnen und habe das auch in Genau das ist das Problem: Selbstgefälligkeit und Arroganz begründet. Also, was er genau gedacht hat, weiß nur er. Die Äußerung war jedenfalls kommunikativ verunglückt.

Wenn man sich aber das Projekt insgesamt anguckt und auch was Philip danach gesagt hat, dann ist klar, dass Nazis da nicht reinpassen und auch überhaupt keine Motivation haben, dorthinzugehen. Olympia beschäftigt sich mit Ökothemen und ja, es gibt Öko-Nazis: Karl-Heinz Hoffmann ist so einer. Er bezeichnet sich selbst als Öko-Faschisten und hat wegen der Führung der rechtsterroristischen Wehrsportgruppe Hoffmann von 1973–1980 dann von 1981–1989 im Knast gesessen.1 Der Witz an Olympia ist nun, dass auch Fragen der globalen Gerechtigkeit und Probleme mit Rassismus Gegenstand der Petitionen sein werden und hier sind alle Nazis raus (aber nicht unbedingt alle AfD-WählerInnen, hoffe ich mal). Nazis finden es OK, wenn im Süden ein paar Menschen verhungern. Das passt in ihr Weltbild von survival of the fittest und ich habe das auch schon explizit so in Diskussionen gehört.

Also: Nazis, die für globale Gerechtigkeit und gegen Rassismus sind, gibt es nicht. Mathematisch betrachtet ist also die Anzahl der Nazis, die willkommen sind, gleich Null. Trotzdem hätte die Antwort statt „Ja, wenn …“ „Nein, denn …“ sein müssen.

Das war eine Stelle in einem zweistündigen Interview. Und Philip hat sie bitter bereut. Es gab sofort am Abend nach dem Online-Gehen des Videos noch eine Entschuldigung auf dem Einhorn-Kanal:

Und was ich gerade erst gesehen habe auch genau das, was ich oben geschrieben habe:

Das ganze kam dann noch mal in Schönschrift auf dem Olympia-Kanal:

Die taz lügt immer noch nicht

taz und Olympia werden wohl keine Freunde mehr. Es gab am Anfang zwei sehr negative und uninformierte Artikel, über die ich schon in taz lügt nicht geschrieben habe. Danach gab es zwei positive Artikel von Eike Peters am 27.12.2019 (Olympia kann kommen und Linke im Shitstrom-Modus). Und eine Kolumne von Hengameh Yaghoobifarah die statt Olympia eine Radikalisierung der linken Aktionen fordert. Darüber habe ich in RAF, Linksradikalismus und Revolution geschrieben.

Verkürzte Wiedergabe von Sachverhalten und Kritik an Crowdfunding

Nun ein Artikel, der die Nazi-Pleite aufgreift. Was man hätte schreiben können, ist, dass Philip Siefer gesagt hat, dass Nazis willkommen sind, wenn sie keine Rassisten sind. Stattdessen steht nur da:

„Ja, also, wenn sie sich konstruktiv an der Lösung der Probleme, die wir genannt haben, beteiligen möchten.“

Volkan Agar, taz, 07.01.2020, S. 14

Man hätte auch schreiben können, dass Philip sich am Tag der Veröffentlichung des Videos entschuldigt hat. Das hätte aber nicht so gefetzt. Stattdessen wird die falsche Behauptung wiederholt, dass der Eintrittspreis Menschen ausschließt. Mit Link auf den taz-Artikel von Hengameh Yaghoobifarah. Der Artikel ist nach dem Ende des Crowd-Fundings erschienen. Als feststand, dass 39% der Tickets Soli-Tickets sind. Nur mal so taz: Es gibt bei Euch LeserInnen, die einen politischen Preis fürs Abo (64,90€) bezahlen (ich zum Beispiel), damit andere die taz billiger lesen können (33,90€). Es gibt Leute, die ihre taz in den Knast schicken, wenn sie in den Urlaub fahren (ich zum Beispiel), statt das Abo für diese Zeit abzubestellen (was Euch schaden würde). Das ist Solidarität. OK? Solidarität mit Euch und mit anderen LeserInnen. Warum wiederholt ihr diesen Mist vom Ausschluss von Menschen immer wieder? Er war auch schon in den ersten beiden Artikeln drin (siehe taz lügt nicht). Das Stadion kostet Geld, es wird gebraucht, weil Menschen nicht 9 Stunden stehen können, weil die Infrastruktur gebraucht wird, weil es wetterfest ist. Das Geld wurde über Crowd-Funding eingesammelt. Wird alles im Interview besprochen.

Abschaltung der Statistiken wegen Überlast

Ein anderer Kritikpunkt ist, dass der Umgang mit den Großspendern nicht transparent ist. Dazu wird in der Online-Ausgabe auf einen Tweet des Spiegel-Journalisten Jan Petter verwiesen2, in dem moniert wird, dass am 24.12., dem Ende des Crowdfundings, die Anzahl der verschiedenen Spendenarten nicht angezeigt wurde. Philip Siefer erklärt den Grund dafür auch im Interview und das war auch völlig transparent von startnext kommuniziert worden:

Um Lastspitzen der Olympia-Crowd abzufangen, haben wir kurzfristig komplexe Berechnungen aus dem Projekt entfernt. Deshalb werden derzeit keine Buchungsanzahlen der Dankeschöns ausgegeben. Damit das ganze transparent bleibt, blenden wir nach dem Funding (wenn die Zugriffszahlen wieder normal sind) die Zahlen wieder ein. Die entscheidende Zahl ist ohnehin das Fundingziel.

Projekt-Update vom 23.12.2019 auf der startnext-Projektseite des Olympia-Projekts

Jan Petter beschwert sich im Thread auch darüber, dass die Buchungszahlen bei anderen Projekten angezeigt werden, bei Olympia aber nicht. Das zeugt von fehlender Sachkenntnis. Diese Zahlen hätten bei Olympia fortwährend aktualisiert werden müssen. Das ist nicht trivial, wenn mehrere Nutzer gleichzeitig auf der Plattform unterwegs sind: Es muss sichergestellt werden, dass das Update aus einer Buchung nicht Änderungen aus einer anderen Buchung überschreibt. Auf den Servern laufen mehrere Prozesse parallel, die müssen – über mehrere Rechner hinweg – synchronisiert werden. (Ich bin Informatiker, weiß also, wovon ich rede.) Die Server waren am 23.12. und am 24.12. am Limit, so dass startnext alles, was nicht unbedingt nötig war, abgeschaltet hat. Zum Beispiel auch die Mailbenachrichtigungen an die FunderInnen (was in einem anderen Projekt-Update kommuniziert wurde).

Diese Seite haben Crowdfunder am 23.12. und 24.12. öfter gesehen. Die Server waren überlastet, weshalb startnext alle Dienste, die nicht unbedingt nötig waren, abgeschlatet hat.

Wie versprochen sind die Zahlen der einzelnen Buchungen jetzt wieder einsehbar.

Crowdfunding und andere alternative Finanzierungsformen

Die Geschichte mit den SpenderInnen ist ein Dauerbrenner, aber auch sie ist eigentlich absurd, insbesondere aus taz-Sicht. Einerseits wurde im Netz verlangt, die Namen der SpenderInnen zu nennen. Andererseits wurde über Sponsoring geschimpft, weil nämlich irgendwo doch Namen genannt wurden. Ich habe das in Olympia: Startups, Sponsoring und Elon Musk besprochen. In meinem Blog-Post sind auch (einige?) Namen zu sehen. Wie ich in dem Post dargelegt habe, halte ich die Nennung der Namen für falsch.

Beim Nachdenken über die GroßspenderInnen hilft vielleicht ein Vergleich: Die taz ist als Genossenschaft organisiert. Am 7.1.2019 gehörte sie 19.545 GenossenschaftlerInnen (ich bin einer davon). Laut Mitgliederinfo 2019 betrug das Genossenschaftsvermögen der taz-Genossenschaft 31.12.2018 18 Mio €. Da diese Anteile an Wert verlieren, es nie irgendwelche Gewinnausschüttungen gibt, sind das praktisch Spenden (siehe auch Warum mein taz-Kreditplan nicht funktioniert hat). Früher stand auf der Titelseite immer etwas von einer „linken radikalen Tageszeitung“. Ist die taz jetzt weniger links, weniger unabhängig, weil sie GenossenschaftlerInnen gehört? Was ist, wenn Kai Diekmann (Bild-Zeitung) Anteile kauft?3 Werden die Namen der GenosenschaftlerInnen veröffentlicht? Die Summen der jeweiligen Einlagen einzelner Genossen?

Uninformierte oder wissentliche Flaschdarstellungen

Der Gipfel im letzten taz-Artikel ist aber das hier:

Und das Unbehagen ist berechtigt. Denn Siefers Antwort zeigt: Für wen die Weltrettung eine Ware ist, dem ist der Käufer wurscht. Was den Verkäufer einzig interessiert, ist sein Ertrag. So gesehen ist der Kaufmann der toleranteste Mensch der Welt.

Volkan Agar, taz, 07.01.2020, S. 14

Das ist fies und es zeigt, dass Volkan Agar seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Die Einhörner sind Marketing-Leute und sie haben mit Spaß und Schwung die Weltrettung für 29,95€ angeboten. Schon der Preis, wo man ja nicht mal 30€ bezahlen muss, ist ein grandioser Witz. Das kommt bei Allergikern aber nicht so gut an. Über Asthma macht man schließlich auch keine Witze. Hier sind Welten aufeinander geprallt, das haben die Einhörner jetzt sicher auch gelernt. Aber, hey, sie haben die 2 Mio € zusammenbekommen. So falsch kann das Marketing also nicht gewesen sein. Nur, dass die Presse sie nicht liebt. Aber zurück zu dem Punkt, dass der zitierte Satz daneben ist: Hätte sich Volkan Agar die ganzen zwei Stunden angesehen, dann hätte er gelernt, wie die Firma Einhorn aufgebaut ist. Er hätte gesehen, dass die Firma dieselben Ideale hat, wie die taz. Bei der taz arbeiten viele tolle JournalistInnen in einer flachen Hierarchie. Am Anfang gab es bei der taz ein Einheitsgehalt. Das wurde aufgegeben, weil die ChefredakteurInnen immer weggekauft wurden. Bei den Einhörnern wird das Gehalt in der Belegschaft ausgehandelt. Wenn jemand wegen einer fiesen Mieterhöhung in Bedrängnis kommt, gibt es Geld aus einem Reservetopf. Die Firmengründer haben sich überlegt, wie man aus diesem üblen Startup-Szenario rauskommt, bei dem es nur darum geht, den shareholder value zu maximieren. Sie haben beschlossen, die Hälfte aller Gewinne zu reinvestieren und nur maximal 50% zu entnehmen. Im Fall von Einhorn haben sie diese 50% nie entnommen. Stattdessen wurden von dem überschüssigen Geld zum Beispiel zwei ArbeiterInnen bezahlt, die Unkraut auf den Kautschuk-Plantagen jäten, so dass kein Glyphosat eingesetzt werden muss.

Hätte Volker Agar das Video gesehen, wüsste er, dass die Einhorn-Gründer ihre Anteile an die Firma geschenkt haben und dass die Firma jetzt eine Self-owned Company ist, die nicht verkauft werden kann. Das wurde durch eine Übertragung in die Purpose-Stiftung sichergestellt. Hier ist die entsprechende Stelle im Video:

Erklärung der Besitzverhältnisse von Einhorn durch Gründer Philip Siefert

Im Video wird erklärt, dass die Firmenanteile vorher zu 100% den beiden Gründern gehört haben, dass die Firma 6 Mio € im Jahr Umsatz gemacht hat und durchaus etwas Wert ist. Die Gründer haben die Firma weggegeben bzw. den MitarbeiterInnen der Firma die Firma geschenkt. Aus Idealimus. So wie die taz nur mit einer gehörigen Portion Idealismus funktioniert. Ich will nicht alles aus diesen zwei Stunden wiederholen, möchte aber jedem Meckerkopp nahelegen, dass ganze Video komplett anzusehen. Für die taz-Chefredaktion würde ich vorschlagen, dass sie immer, wenn sie einen neuen Beitrag zum Thema Olympia bekommt, die AutorInnen fragt, ob sie schon JUNG&naiv geguckt haben.

Fazit: Was die von mir kritisierten taz-Artikel gemacht haben, ist twitter-Journalismus: Man guckt, was gerade trendet, zitiert ein paar tweets und fertig ist die Laube.4 Aber so einen twitter-Journalismus brauchen wir nicht, twitter haben wir selber.

Beim nächsten zu diskutierenden taz-Artikel werde ich den Blog analog zum Bild-Blog in taz-Blog umbenennen.

Nazis raus

Der erste Tweet von einhorn enthielt „Nazis raus“ und auch Luisa Neubauer hat schon am 5.1. „Nazis raus.“ getwittert:

Diese Äußerung ist in ihrer wörtlichen Bedeutung merkwürdig, was Die Goldenen Zitronen schon vor 14 Jahren auf den Punkt gebracht haben:

Und dann fragt man sich dann doch:
Wer soll eingentlich wo raus? Raus aus wo oder rein wohin?
Rein und raus, raus wohin? Wer soll eigentlich wo raus und rein wohin?

Was solln die Nazis raus aus Dütschland?
Was hätte das für ein Sinn?
Die Nazis können doch nich raus, denn hier jehörn se hin

Die Goldenen Zitronen, Flimmern, 2006

Hab das Video schon mal auf twitter versucht, hat nicht geklappt. Ich hoffe, hier funktioniert es. Die meisten haben eh nicht bis hierher gelesen.

Die Abwandlung des Spruches ist: „Nazis raus aus den Köpfen!“ Ist irgendwie gut gemeint, funktioniert aber auch nicht. Es müsste heißen: „Nazi-Ideen raus aus den Köpfen!“ So lange es noch Nazis gibt, müssen diese natürlich in unseren Köpfen bleiben. Leider. Die Überschrift dieses Blog-Posts funktioniert aber: „Nazis raus aus den Stadien!“ Wenn man sowohl die Faschos aus den Fußballstadien kriegt und keine zu Olympia reinlässt, ist viel erreicht.

So und jetzt gehe ich schlafen und morgen machen wir dann mit Inhalten weiter, OK?

RAF, Linksradikalismus und Revolution

Seit Beginn des Crowdfundings für das Olympia-Projekt (siehe Warum ich Olympia gut finde) gab es immer wieder tweets von denselben Accounts mit denselben Kommentaren. Einer dieser Accounts hat auch meinen Blogpost taz lügt nicht kommentiert. Auf die Frage, was sie denn eigentlich wollten, kam keine Reaktion. Nach einem Gesprächsangebot kam keine Antwort mehr. Bei einem anderen Account, war es sehr klar, was der Account-Inhaber möchte:

Twitter-Profil, 24.12.2019

Ich hatte als Antwort auf eine Kritik geschrieben, dass wir die gegenwärtigen Probleme nur zusammen lösen können und MarktIsMuell dazu aufgefordert, mitzumachen. Nachdem ich aber seine RAF-Statements gesehen hatte, habe ich die Aufforderung zurückgenommen:

Screenshot 30.12.2019

MarktIsMuell fordert: „Deutschland muss brennen.“ Ja, es wird brennen. Es hat bereits gebrannt. 2019 ist der bisher größte Schaden entstanden und die Schäden werden noch größer werden (Bericht vom rbb): Die Wälder in Brandenburg und anderswo sind ausgetrocknet, sie brennen wie Zunder. Solche bzw. noch schlimmere Brände gilt es zu verhindern. Die Frage ist wie.

Hengameh Yaghoobifarah argumentiert heute in der taz gegen Olympia und fordert, dass linke Protestkultur wieder radikal wird:

Lasst uns im neuen Jahr stattdessen dafür sorgen, dass linke Protestkultur wieder radikal wird.

Hengameh Yaghoobifarah, taz, 30.12.2019

Was ist damit genau gemeint? Linksradikalismus? Laut Wikipedia ist der Begriff Linksradikalismus eine Selbstzuschreibung und nicht genau definiert. Was brauchen wir jetzt? Wir brauchen radikale Schritte: eine radikale Energiewende, eine radikale Verkehrswende, eine radikale Agrarwende, radikale Veränderungen beim Konsum und bei den Finanzen. Aus dem ganzen Klimaschlamassel kommen wir nicht raus ohne Gerechtigkeit zwischen Nord und Süd, zwischen oben und unten, global, national, regional. Wir brauchen linke Politik. Das alles muss sehr schnell gehen, wenn wir uns nicht selbst abschaffen wollen. Wir brauchen eine Revolution! Revolution ist wie folgt definiert:

Eine Revolution ist ein grundlegender und nachhaltiger struktureller Wandel eines oder mehrerer Systeme, der meist abrupt oder in relativ kurzer Zeit erfolgt. Er kann friedlich oder gewaltsam vor sich gehen. Revolutionen gibt es in den verschiedensten Bereichen des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Als Antonyme gelten die Begriffe Evolution und Reform: Sie stehen für langsamer ablaufende Entwicklungen beziehungsweise für Änderungen ohne radikalen Wandel.

Eintrag für Revolution in Wikipedia, 30.12.2019

Brauchen wir eine gewaltsame Revolution? Wenn wir eine wollten, wer würde die machen? Sollte das nicht eine Mehrheit sein? Wenn es keine Mehrheit ist, was kommt dann nach der Revolution? Die Diktatur dieser Minderheit? Wenn es eine Mehrheit ist, sollten wir dann nicht mit dieser Mehrheit etwas ausrichten? Sollten wir nicht dafür sorgen, dass wir in einer Gesellschaft miteinander leben können, die handlungsfähig ist? Dazu brauchen wir mehr BürgerInnenbeiteiligung und Lobby-Kontrolle. Viele PolitikerInnen haben jede Scham verloren: Sie wechseln nach dem Ende ihrer Amtszeit direkt in den Vorstand von Auto-, Gas- oder Kohlefirmen. Und mit solch einer Art „Altersabsicherung“ in Aussicht machen sie auch entsprechende Politik. Das muss sich ändern. Dafür und für die Erweiterung unserer Demokratie durch repräsentative BürgerInnenversammlungen kämpft der Verein Mehr Demokratie e.V., einer der Berater des Olympia-Projekts.5

Was meint Hengameh Yaghoobifarah mit radikal? Ziviler Ungehorsam kann es nicht sein, denn den haben wir ja schon: Ende Gelände, Extinction Rebellion, Sand im Getriebe und Am Boden bleiben gibt es bereits (Bilder). All diese Bewegungen sind gewaltfreie Protestformen. Es kann nur gewaltfrei gehen. Ich war am 8.10.1989 in der Gethsemanekirche. Die Polizei stand davor. Mit Gewalt hätten wir keine Chance gehabt und auch jetzt ist Gewalt keine Lösung (siehe auch Fun with Extinction Rebellion). Unsere Kinder kämpfen seit einem Jahr für eine Zukunft. Wollt Ihr, dass sie zu Waffen greifen? Wollt Ihr das?

TheoRadicals live auf der FridaysForFuture-Demo am U-Bahnhof Französische Straße, Friedrichstraße, Berlin, 29.11.2019, sehr gute Texte (soundcloud), aber sie singen auch von der Zeit nach der Revolution. Was für eine Revolution ist gemeint? Eine friedliche? Wie kommen wir da hin?

Die Situation jetzt ist anders als vor 30 Jahren. Damals gab es eine Krise im Ostblock, die Krise, in der wir uns jetzt befinden, ist eine globale. Ich habe mich in London mit einem XR-Mitglied unterhalten und er hat mir von einer Handvoll Superreicher erzählt, die jemanden von XR zum Vortrag eingeladen haben. Er wollte ihnen den üblichen Klimavortrag halten, hat dann aber festgestellt, dass sie nur wissen wollten, was sie tun müssten, um nach der Revolution am Leben gelassen zu werden. Das ist eine lustige Geschichte, denn XR möchte die Demokratie durch repräsentative BürgerInnenversammlungen ergänzen und nicht Superreiche umbringen und die Demokratie abschaffen, aber der Punkt ist, dass, wenn wir nicht jetzt sofort handeln, niemand am Leben bleiben wird, jedenfalls nicht so, wie wir jetzt leben und auch der ganze akkumulierte Reichtum wird einfach wertlos sein.

K.I.Z: Hurra die Welt geht unter. Wird gern auf FFF-Demos gespielt. Im Video ist der Anfang ein Atomschlag. Alternativ kann man dort auch die Klimakatastrophe einsetzen.

Die Revolution im Osten war gewaltlos. Sie hätten geschossen. Die Armee stand bereit. Nach dem Oktober und November gab es runde Tische. Die Ossis wurden drüber gezogen, weil sie keine Ahnung hatten. Olympia könnte der Prozess sein, bei dem sich die Gesellschaft (zumindest in einem Land) darüber klar wird, was geht und wie. Die Transformationen sind nur zu bewerkstelligen, wenn wir alle mitnehmen. Sorry, auch wenn das manchen Linksradikalen weh tut: Wir brauchen alle oder zumindest viele, wir brauchen die 27%, die uns schon abhanden gekommen sind. Es hilft nicht, wenn wir Revolution machen und dann hinterher feststellen: Ups, der einzige hier draußen bin leider wieder ich.

Nochmal: Die entscheidende Frage ist, wie man den radikalen Wandel einleiten kann, den wir jetzt brauchen. Die RAF hatte irgendwie die Idee, ein paar miese Typen umzubringen und dann würden die Massen ihnen zustimmen und dann wäre alles gut. Das hat nicht ganz geklappt, was die RAF auch eingesehen hat, weshalb sie sich dann aufgelöst hat.

Ted Gaier von den Goldenen Zitronen: „Damals haben wir gegen einen Sozialstaat gekämpft, weil wir dachten, es gäb noch was Besseres“ beim Konzert im Festsaal Kreuzberg, Berlin, 01.05.2019

Die auf Wettbewerb und Maximalprofit ausgerichteten Gesellschaften haben nun eine Situation herbeigeführt, in der unsere Weiterexistenz bedroht ist. Man kann jetzt darauf warten, dass sich eine revolutionäre Situation ergibt und irgendwie RAF 2.0 spielen. Oder man versucht, ein paar Bremsen einzuziehen: Grenzen für Kapitalakkumulation, Vermögenssteuer, Finanztransaktionssteuern usw. Bessere Beiteilung aller an demokratischen Entscheidungen, weniger Lobbyeinflußmöglichkeiten usw. Olympia ist mehr oder kann mehr sein, als ein paar Petitionen. Es könnte ein großer runder Tisch werden, an dem wir uns alle klar darüber werden, wie ein Weiterleben möglich sein könnte. Warum sollte so etwas funktionieren? Warum sollten die 1% uns irgendetwas abgeben? Die Antwort ist einfach: Auch sie wollen leben. Ihr Reichtum würde ihnen nichts nützen, wenn sie niemanden mehr hätten, der ihn mehren würde. Also: Bevor die gewaltsamen Revolutionen kommen, lasst es uns noch ohne Gewalt versuchen. Gemeinsam mit Extinction Rebellion, Ende Gelände, Am Boden Bleiben, Sand im Getriebe kann Olympia eine weitere Komponente in der politischen Landschaft sein, die Druck auf die Regierenden aufbaut.

Warum mein taz-Kreditplan nicht funktioniert hat

Die taz hatte am 21.12. einen unsäglichen Artikel über Olympia geschrieben und das Scheitern des Crowdfunding-Projektes verkündet. Der Artikel war tendenziös, personenbezogen und klischeehaft und hat Diskussionsstandpunkte wiederholt, die falsch und einen Monat alt waren (siehe taz lügt nicht). Sie hat damit das Crowd-Funding erschwert und taz-LeserInnen nicht ausgewogen über das Projekt informiert. Ich hatte mir nun überlegt, wie man zum Ausgleich des Schadens Tickets sponsorn kann und wie man das Crowdfunding ankurbeln kann. (Es sah zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht gut aus.) Die Idee war, 100 Tickets zu spenden (3000€) und den Betrag von der taz zu borgen. Ich bin taz-Genossenschaftler und habe Anteile für 2500€ gezeichnet. Wie ich in taz lügt nicht dargestellt habe, war der Plan, die Anteile nach und nach zurückzuzahlen. Beginnen wollte ich im Juli 2020, also nach der Veranstaltung im Olympiastadion. Die Genossenschaftsanteile können nur in Vielfachen von 500€ gezeichnet werden. Ich hatte im vorigen Jahr einen Anteil gezeichnet, die anderen waren älter. Aus der Satzung wusste ich schon, dass ich den gerade gezeichneten Anteil nicht zurückbekommen würde, da es eine Sperrfrist von zwei Jahren gibt. Die restlichen Anteile habe ich gekündigt. Ich bekam dann auch Post von der taz-Genossenschaft:

Antwortschreiben der taz-Genossenschaft vom 23.12.2019

Aus dem Schreiben geht hervor, dass der Rest meiner 2000€ frühestens im Herbst 2022 ausgezahlt werden können. Da ich nun aber ab Juni 2020 ohnehin die Anteile wieder einzahlen wollte, geht mein Plan also nicht auf. Schade, aber letztendlich muss das ja genau so sein, denn sonst könnten Ich-künige-mein-Abo/meine-Anteile-Wüteriche den Geschäftsbetrieb der taz erheblich stören.

Finanziell macht es für mich keinen Unterschied, ob ich der taz jetzt mitteile, dass ich von der Kündigung zurücktrete oder ob ich das erst im Juli 2020 tue, denn das Geld würde ich so wie so erst 2022 bekommen. Damit bis Juli zu warten entspräche aber dem Ich-kündige-mein-Abo-Ansatz, der verlangt, dass die Artikel 100%ig der eigenen Meinung entsprechen und den ich immer doof fand. Auch wenn die taz manchmal schräges Zeug schreibt (bzw. Steile Thesen raushaut wie Billigflüge sind ein Segen), so ist sie doch eine gute Zeitung und eine, die wir gerade jetzt brauchen.

Also: taz kann die Anteile behalten und ich gucke mal, wie ich die Tickets ohne taz-Kredit bezahle.

taz lügt nicht

In diesem Post geht es um das Demokratie-Projekt 12062020olympia. Ich habe das Projekt im Blog-Post Warum ich Olympia gut finde bereits beschrieben, hier geht es nicht um das Projekt selbst sondern um die Berichterstattung darüber in meiner Lieblingszeitung der taz. Am 18.11.2019 gab es in der Markthalle neun in Kreuzberg eine Auftaktveranstaltung der OrganisatorInnen und UnterstützerInnen. Ich war da und habe Bilder gemacht. Die taz war wohl nicht da, hat aber eine Woche später negativ berichtet. Ich habe diesen Bericht auf Uninformiertheit zurückgeführt, denn viele Behauptungen, die in diesem Artikel enthalten sind, sind falsch oder einseitig präsentiert. Zudem ist der Artikel von Neid und Mißgunst geprägt, letztendlich auch basierend auf falschen Annahmen. Für die Uninformiertheit muss man leider die OrganisatorInnen verantwortlich machen, denn es gab zum Start des Crowdfunding keine Web-Seite, die alles schön übersichtlich erklärt hätte. Ehm, es gab gar keine Web-Seite. Von der taz hätte man – anders als von der Bild-Zeitung, die ähnlich berichtete – erwarten können, dass sie zum Treffen in der Markthalle kommen, da scheinen sie nicht getan zu haben, denn ihr Artikel bezeugte ihre Ahnungslosigkeit.

OK. Fehler passieren. Auch ist die taz eine Zeitung, in der man durchaus unterschiedliche Meinungen antreffen kann. Auch gibt es ein pro/contra-Format, das ich sehr schätze. So habe ich gehofft, dass es noch weitere Artikel und Diskussion in der taz geben würde. Heute ist ein zweiter Artikel erschienen. Und dieser Artikel ist eine große Enttäuschung. Ich bin nicht nur enttäuscht, ich bin wütend! Ich lese die taz seit fast dreißig Jahren und ich habe mich schon öfter geärgert (z.B. über die Werbung des Rüstungs- und Autokonzerns Daimler in der Jugendtaz), aber wütend war ich eigentlich noch nie. Die „Ich-kündige-mein-Abo“-LeserInnenbriefe fand ich immer irgendwie lustig, sie gehörten zur taz-Folklore dazu. Ich habe nie darüber nachgedacht, mein Abo zu kündigen und denke auch jetzt nicht darüber nach. Aber es fehlt jetzt Geld und ich werde es mir von der taz borgen. Dazu gleich mehr, jetzt erstmal zum Artikel.

Der Artikel in der heutigen Printausgabe der taz hat die folgende Überschrift:

Tendenziöses Framing in der taz, Printausgabe 21.12.2019, S. 7

Framing

Im Artikel selbst wird das Wort Hipster wieder aufgegriffen und zwar mit Zitaten:

„Eine Hipsterveranstal­tung für eine weiße Mittel­standsblase“ nannten Twitter­ User*innen das Event

In Kombination mit der Überschrift könnte man vermuten, dass die taz behauptet, dass es sich bei den OrganisatorInnen/zukünftigen TeilnehmerInnen nicht um Hipster handelt. Trotzdem wird in der Überschrift dick und fett das Klischee wiederholt. Die Negation spielt dabei keine Rolle, was man aus der sprachwissenschaftlichen Forschung weiß. Auch wenn man ein falsches Frame negiert, wird es gestärkt. (Das passiert mit dieser Diskussion leider auch, bitte betrachten Sie den Beitrag als wissenschaftlichen Fachbeitrag, ich bin Linguist.)6 Ich habe das auch mit dem Titel des Beitrags gezeigt: In bestimmten Teilen Berlins sieht man Grafitti mit „taz lügt“. Selbst wenn ich diesen Spruch negiere, bleibt immer etwas haften bei der LeserIn, denn die Assoziation zwichen taz und lügen wird bei jedem gemeinsamen Vorkommen der beiden Wörter gestärkt.

Tendenziöse Berichterstattung mit Bezug auf alten Diskussionsstand

Der zitierte Tweet (im PDF der taz verlinkt) ist vom 21.11. also ganz vom Anfang der Diskussion, als noch nicht allen klar war, was genau geplant ist. Wie ich in meinem ersten Blog-Post zum Thema mit Bezug zur nun vorhandenen Web-Seite der OrganisatorInnen dargestellt habe, findet Olympia nicht nur im Stadion statt. Die Veranstaltung wird gestreamt und alle können teilhaben, ob nun am eigenen Bildschirm oder beim Public Viewing vor dem EM-Eröffnungsspiel. Außerdem sind mehr als die Hälfte der Tickets Spenden, so dass Menschen, die es sich nicht leisten können, dennoch teilnehmen können (zu spendenfinanzierten Kliamveranstaltungen siehe unten). Das war der taz auch vor dem Schreiben des Beitrags bekannt. Das weiß ich genau, denn ich hatte meinen Blog-Post mit Hinweis auf die Unterstützung durch Scientists4Future Berlin-Brandenburg und das Erreichen der Millionengrenze an die Redaktion und die LeserInnenbriefabteilung geschickt.

Auch bei diesem Zitat lügt die taz nicht:

Auch ihre Berliner Orts­gruppe hat mittlerweile ein ablehnendes Statement veröf­fentlicht. Das Olympia-Projekt komme einem „Event näher als einer repräsentativen demokra­tischen Versammlung“, schreiben sie in einem Statement.

taz zitiert FFF-Statement

Das ist wohl wahr, nur geht es am Punkt vorbei. Es hat nie jemand behauptet, dass Olympia eine repräsentative Versammlung werden solle. FridaysForFuture ist auch nicht repräsentativ. Wir verdanken FFF sehr viel und gerade auch der Berliner Gruppe. Ich denke, dass das die taz auch anerkennt. Die Situation in Bezug auf das Klima ist schrecklich, aber sie wäre noch viel schlimmer, wenn wir FFF nicht (gehabt) hätten. Zu sagen, die Bewegung XY ist nur eine dämliche Mittelschichtsveranstaltung, ist Bildzeitungsniveau. Genauso wurde nun schon ein Jahr gegen FFF argumentiert und wird nun eben auch gegen Olympia argumentiert. Paradoxerweise auch von FFF selber. Hey FFF, Ihr seid auch nicht repräsentativ, aber trotzdem großartig!

Die taz macht sich also formal die Hände nicht schmutzig, sie zitiert ja nur. Das macht sie aber selektiv und tendenziös. Sie hätte erwähnen können, dass die PsychologInnen for Future, die Parents For Future und die Scientists for Future Olympia unterstützen. Sie hätte erwähnen können, dass die Genossenschaftbank GLS-Bank, der Grundeinkommen-Verein, Günter Faltin und die Entrepreneurs For Future, Mehr Demokratie e.V., Open Petition German, Zerochange.org, Demokratie in Bewegung und Schule im Aufbruch dabei sind. Sie hätte erwähnen können, dass es ein Potential gibt, nicht nur das Klimaproblem sondern auch Probleme mit Gleichstellung, Diversität und sozialer Teilhabe Gegenstand von Petitionen sein werden. Das sind alles Anliegen der taz, weshalb diese selektive Berichterstattung sehr verwundert.

Und. Und! Und sie hätte wissen können, dass Olympia am Freitag vor und während der regulären -Demo bei FFF im Invalidenpark war.

Olympia und FFF Berlin am 13.12.2019 gemeinsam im Invalidienpark

Ey, taz, vielleicht habt Ihr die Verbindung zu den Bewegungen verloren. Vielleicht seid Ihr einfach alt und keine Hipster und keine Jugendlichen. Wird’s jetzt unsachlich? Ja! Ich bin wütend! Ich darf das. Ich schreibe hier nur meinen Blog, aber Ihr, Ihr macht ’ne Zeitung und da hat alles sachlich zu sein, außer auf der Meinungsseite oder bei „Die steile These“ vielleicht, aber der Beitrag war auf der Politikseite.

Hipster

Vorweg: Ich mag Hipster auch nicht. Irgendwann so zwischen 2001 und 2010 gab es eine Initiative, den Gneistplatz im Prenzlauer Berg verkehrszuberuhigen. Ich bin da hingegangen und da waren 10 Menschen, die mit sich selbst beschäftigt waren, mich überhaupt nicht wahrgenommen haben und mit Sekt angestoßen haben. Mir war klar: Das ist nicht meine Welt. Ich bin inzwischen aus dem Prenzlauer Berg weggezogen. Wegen der Hipster.7 Aber, liebe taz, kennt Ihr denn die VeranstalterInnen? Habt Ihr mit ihnen gesprochen? Das sind inzwischen sehr viel mehr, als die Einhorn-Leute. Und die Einhorn-Leute persönlich sind auch sehr ok. Was Ihr macht, sind direkte Ad Hominem-Argumente (Ihr greift Personen an, statt Euch mit Inhalten auseinaderzusetzen) und das ist unterste Schublade. Es geht nicht um zehn Personen, die es gern an ihrer Kreuzung leise und abgasfrei haben wollen. Es geht um Menschen, die die drängendsten Probleme unserer Zeit lösen wollen, genauer: Die NGOs und anderen eine Plattform zur Verfügung stellen wollen, mit der wir dann gemeinsam die Probleme lösen können. Warum hasst Ihr sie dafür?

Deniese von Extinction Rebellion und Parents For Future diskutiert bei der Auftaktveranstaltung in der Markthalle neun mit Frauen, die sich in Arbeitsgruppen zur Ausarbeitung von Petitionen bzgl. Diversität und Teilhabe einbringen wollen.

Kommunisten, Sozialdemokraten und Nazis

Lieber taz, was gerade in diesem Land passiert ist genau dasselbe, wie vor 1933. Die Kommunisten und Sozialdemokraten hauen sich die Köppe ein, die Nazis geben ihnen den Rest und übernehmen dann. Wir können die zu lösenden Problem nicht in kleinen Gruppen lösen. Schon gar nicht in der noch zur Verfügung stehenden Zeit. Es wäre also sehr schön, wenn wir uns nicht dauernd selbst die Beine weghauen würden.

Wirklich? Andere Protestformen sind kostenlos?

Und übrigens: Auch Eure Bildunterschrift ist falsch: Der Straßenprotest ist nicht kostenlos.

Falsche Bildunterschrift in der taz: Umsonst ist der Tod.

Am Anfang der Proteste haben FFF-Berlin Geld gesammelt, damit sie ihre Anlage kaufen konnten. Bei den Großveranstaltungen wird eine PA gestellt, die es in sich hat.

Seeed spielen live auf der FridaysForFuture-Demo am Brandenburger Tor, Berlin, 29.11.19, „Boxentürme massieren deine Seele.“ Man sieht die Türme im Hintergrund.

Die gibt es auch nicht für Umme. Und? Wo kommt das Geld her? Von uns, von SpenderInnen. Teilweise in Aktionen eingeworben, teilweise auf den Veranstaltungen selbst.

SpendensammlerInnen mit großen Geldsammelgefäßen bei NeustartKlima am 29.11.2019 inBerlin

Bei Olympia geht das nicht, denn das Stadion, die Telekom-Infrastruktur, die Bühnen, die Security muss vorher finanziert werden.

Konsequenz: Ich borg mir mal Geld von der taz

Eine positive Berichterstattung in der taz hätte vielleicht 100.000–200.000€ gebracht. Dieses Geld fehlt nun. Ich habe mich deshalb entschlossen, noch 100 Tickets zu kaufen.

Crowdfunding-Optionen auf startnext

Das geht nicht mal eben so. Deshalb werde ich mir das Geld von der taz borgen. Ich bin taz-Genossenschaftler. Schon in den 90er Jahren habe ich überlegt, was mir eine solche Tageszeitung wert ist, und habe seit dem immer wieder Genossenschaftsanteile gekauft. Auch der taz-Stiftung habe ich Geld für das neue Redaktionsgebäude gespendet. Die Genossenschaftanteile habe ich erst vor kurzem wieder aufgestockt, weil wir die taz auf alle Fälle als Stimme in der Klimakrise brauchen. Die Anteile hole ich mir nun aber zurück. Wenn ich nach Olympia dann wieder Geld habe, dann zahle ich es wieder ein.

Ich werde dann sagen können, dass ich dabei gewesen bin. Die taz wird zumindest beim Crowd-Funding nicht dabei gewesen sein. Vielleicht verstehen sie ja, was passiert, wenn die Arbeitsgruppen mit ihrer Arbeit beginnen.

Wer noch unterstützen/Tickets kaufen will, kann das bei startnext tun. Egal ob 15€ oder 30.000€, jeder Euro zählt. Haut rein!

Anhang: Unerwiderte Liebe

Nur damit das wirklich klar ist: Ich liebe die taz! Ich verbringe je nach Arbeitsbelastung 30–60 Minuten täglich mit ihr. Ich frühstücke mit ihr, ich gehe mit ihr ins Bett und ich nehme sie mit auf’s Klo. Die Artikel über Umweltfragen sind hervorragend (meistens), Ulrike Herrmann schreibt sehr aufschlussreich und anders als AutorInnen in anderen Zeitungen über Wirtschaftsthemen. Berichterstattung über den Osten ärgert mich manchmal, aber es gibt mit Anja Meier und Simone Schmollak auch da sehr gute AutorInnen und die taz hat zumindest das Problem mit der Berichterstattung über den Osten erkannt.

Seit ich Geld verdiene (1994), bezahle ich den politischen Preis der taz, der höher liegt als der normale Preis und AbonentInnen mit dem Leider-leider-Preis subventioniert. Seit einiger Zeit habe ich ein online-Abo noch dazu.

Auf twitter hat jemand geschrieben, ich würde mich wie ein vierjähriges Kind benehmen, dem man sein Lieblingsspielzeug nicht gekauft hat. Ich habe dem zugestimmt, möchte das aber revidieren. Die Emotion ist ungleich stärker, denn es handelt sich um unerwiderte Liebe. Ich denke immer noch, dass die taz Olympia gutfinden müsste. Und wer weiß, vielleicht tut sie das ja auch. Wir haben bisher zwei Stimmen aus der taz gehört und das waren jeweils nicht die Umwelt-RedakteurInnen. Diese zwei Artikel haben bei den Olympioniken sehr viel kaputt gemacht, aber meine Liebe ist so groß, dass ich uns eine zweite Chance geben würde.

NeustartKlima: taz-Mitarbeiterin verteilt die Klima-taz bei der FridaysForFuture-Demo , Berlin, 29.11.19

Die Aktion mit den Anteilen ist ohnehin symbolischer Natur, weil ich die Anteile ja wieder einzahlen werde. Das heißt, dass der Schaden, der entstehen wird, der Höhe der Zinsen/Kursgewinne entspricht, die die taz für das Geld in der Zeit bekäme, die ich zum Rückzahlen brauche. Ich weiß nicht, wie viel das genau ist, weil ich nicht weiß, was die taz mit dem Geld macht, aber der Betrag wird nicht groß sein. Und ich habe auch vor, weiterhin neue Anteile zu erwerben, so dass wirklich kein wirtschaftlicher Schaden entsteht. Ein politischer Schaden ist natürlich entstanden, aber das liegt an dem unterirdischen Artikel, diesen Schaden hat sich die taz selbst zuzuschreiben.

Zusammenfassung: Liebe taz, Ich hoffe, wir sehen uns im Olympiastadion. Vielleicht könnt Ihr drinnen keinen Stand haben, weil Ihr eine kommerzielle Einrichtung seid. Aber RedakteurInnen sind natürlich herzlichst willkommmen und Ihr dürft die taz natürlich vor dem Stadion verteilen.

NeustartKlima: taz-Mitarbeiter verteilt die Klima-taz bei der FridaysForFuture-Demo , Berlin, 29.11.19