Verzicht und Verbote

Zuletzt geändert am 14. Dezember 2024

Auf der Mailingliste der Scientists4Future in Berlin/Brandenburg und auch unter den Aktiven von climatewednesday.org kommt immer wieder die Frage auf, ob es um Verzicht oder um politische Änderungen geht. Luisa Neubauer (die Hauptorganisatorin beim deutschen FridaysForFuture) schreibt auf twitter:

Tja, was wollen wir dann? Was wollen wir denn? F4F möchte eine CO2-Steuer von 180 € auf eine Tonne CO2-Emission. Die 180 € sind vom Umweltbundesamt ins Gespräch gebracht worden. Die Scientists4Future – ich gehöre dazu – unterstützen das. Sie gehen detailliert auf CO2-Kostenmodelle ein und geben Quellen an, die noch von viel höheren Kosten ausgehen, wenn man wirklich alle Klima- und sonstigen Schäden einrechnen will. (ScientistsForFuture zu CO2-Kosten). Die Grünen schlagen 40 € vor. Modelle der SPD eine schrittweise Erhöhung. Die Einnahmen sollen (je nach Partei) wieder an die Steuerzahlenden zurückgeführt werden, so dass die, die sich klimabewusster verhalten, mehr zurückbekommen, als sie ausgeben und die anderen eben weniger (S4F zur sozialen Gerechtigkeit von CO2-Preisen). Da wir genau wissen, welche von den Dingen, die wir lieben, klimaschädlich sind (Flüge, Autos, Fleisch), wissen wir auch, worauf wir verzichten müssen, wenn wir nicht mehr bezahlen wollen. Letztlich geht es darum, dass wir auf Flüge, Autos und Fleisch verzichten.

Nun die große Frage: Warum brauchen wir dazu die Steuer? Wir brauchen sie nur, weil wir – wie die kleinen Kinder – sagen: „Aber der Peter, der hat doch auch.“. Wir wollen nicht die Doofen sein, die sich einschränken, während alle anderen Party feiern (#leiderGeil). Wir wollen auch nicht von anderen ermahnt werden, wir wollen unsere Prasserei nicht vorgehalten bekommen. Appelle, die zu individueller Verhaltensänderung aufrufen, werden bekämpft (zum Beispiel in der Flugscham-Diskussion).

Verbote

In der Geschichte der Bundesrepublik gab es diverse Verbote und Regulierungen:

Das Rauchverbot in Gaststätten wollten 79 % der Deutschen. Das Verbot der Glühlampe wollte niemand. Die Energiesparlampen, die danach kamen, waren eine ökologische Sauerei mit Quecksilber, sie brauchten ewig, bis sie ein bisschen Licht emittierten. Aber inzwischen gibt es LED-Lampen, die sofort hell sind, ein Bruchteil der Energie verbrauchen, die Glühbirnen verbraucht haben, und deren Lichtspektrum halbwegs in Ordnung ist. Ein Erfolg. Auch ist die Saugleistung von Staubsaugern nicht unbedingt proportional zum Stromverbrauch. Das Gesamtdesign spielt eine Rolle. Auch diese Regulierung führte letztendlich dazu, dass wir jetzt bessere und sparsamere Geräte haben.

Heizpilze auf die Straße zu stellen, damit Menschen vor dem Restaurant sitzen können, ist ökologisch gesehen Wahnsinn. Wir versuchen, unsere Häuser zu isolieren, damit nicht so viel Heizenergie verlorengeht, und dann heizen RestaurantbesitzerInnen einfach gleich die Straße. Für diese scheint es sich gelohnt zu haben. Sie haben an den zusätzlich verkauften Speisen und Getränken mehr verdient, als das Gas für den Heizpilz kostet. Der Markt regelt hier nichts.

Verbote, die wir brauchen und/oder wollen

  • Tempolimit 130
  • überdimensionierte Autos (aka SUVs)
  • Werbeverbot für Reisen, die Flüge involvieren

63 % (Welt) bzw. 57 % (Bild/Targobank) der Deutschen sind inzwischen für ein Tempolimit. Das Tempolimit wäre aus Sicherheitsgründen (weniger Tote) und aus Klimagründen (auch weniger Tote) sinnvoll. Sicher würde damit die Freiheit von Menschen eingeschränkt. Aber muss eine Gesellschaft das zerstörerische Verhalten einiger weniger Personen akzeptieren?

SUVs sind größer, als das für ihre Aufgabe (Transport von Menschen) notwendig wäre. Da mehr Gewicht (bis zu 2,5 Tonnen) transportiert werden muss, ist der Energiebedarf auch höher und somit die Umwelt- und Klimabelastung größer. Die Lösung der Autoprobleme wird oft in der E-Mobilität gesehen. Aber da kommt zu dem ganzen Wahnsinn noch die Batterie hinzu. Bei einem neuen E-SUV von Mercedes wiegt die Batterie 650 kg, das gesamte Auto dann 2,5 Tonnen. Wenn wir irgendwie unsere Klimaprobleme lösen oder zumindest erträglicher machen wollen, dann müssen wir mit diesem Unfug aufhören. Das gelingt uns aber nicht. In Deutschland gehören SUVs mit 31,4 % zur meistverkauften Karosserievariante. Der Markt regelt das? Die eigenverantwortlichen Konsumenten kriegen das schon hin? Nee. Irgendwie nich. Hier wären wohl Limitierungen angebracht.

So, wie Tabakwerbung in bestimmten Bereichen verboten ist, sollte auch Werbung für Flugreisen verboten werden. So, wie man Schockbildchen auf Zigarettenschachteln druckt, könnte man auf jedes Flugticket bzw. auf den Boardingpass zumindest den CO2-Ausstoß pro Person aufdrucken. Beim Boardingpass kann man dann sogar die Anzahl der Passagiere korrekt mit einberechnen.

Verzicht, bevor die Verbote/die Steuererhöhungen vielleicht kommen

Unsere jetzige Regierung ist unfähig. Julia Klöckner (CDU) verhindert seit Jahren jegliche Änderung in der Agrarwirtschaft. Andy Scheuer (CSU) blockiert die Verkehrswende. Die SPD hat ab und zu mal schöne Ideen, wie man Umwelt- und Klimaschutz betreiben könnte, wird aber vom größeren Koalitionspartner einfach übergangen. Sie ist zu schwach, um sich zu wehren. Wir können nicht bis zu den nächsten Bundestagswahlen warten. Sie sind erst 2021. Das sind zwei kostbare Jahre in einem sich schließenden Zeitfenster. Selbst wenn wir zwei Jahre warten würden, käme dann eine Partei, die mit 40 € pro Tonne ins Rennen geht. Nach Koalitionsverhandlungen bleiben dann vielleicht 35 € übrig. Warten ist keine Option. Wir müssen jetzt anfangen. Von den 11 Tonnen, die jeder Deutsche im Durchschnitt verbraucht, können wir durch persönliche Bemühungen sicher auf 6 oder 7 runterkommen (zum Beispiel durch Verzicht auf (einige oder alle) Flüge. Durch Verzicht auf das Auto oder zumindest die Reduktion der gefahrenen Strecken. Einschränkung von Konsum, Umstieg auf 100 % erneuerbare Energie). Der Rest an CO2-Emission ist vor allem dem generellen Energiemix in Deutschland plus fehlender Gebäudeisolierung geschuldet. Ein schneller Kohleausstieg würde hier helfen. Aber den Zeitpunkt kann man als Einzelperson nur durch Demonstrationen, nicht durch Änderung des allgemeinen Verhaltens herbeiführen.

Flüge und Fleisch werden nie verboten werden. Alternative Antriebe/Kraftstoffe für Flugzeuge sind in weiter, weiter Ferne (siehe Diskussion von Power to Liquid). Das heißt, beide werden weiterhin zu unserem großen CO2-Ausstoß beitragen. Ohne Verzicht ist das nicht zu ändern. Ist Verzicht auf Fleisch schlimm? Sollten wir es einfach anders nennen? Gesunde Ernährung vielleicht? Die Deutschen essen viel zu viel Fleisch (1,2 kg pro Woche im Schnitt). Doppelt bis vier Mal so viel, wie die WHO empfiehlt (300–600 g pro Woche). Das heißt, die meisten Deutschen wären ohnehin gut beraten, wenn sie ihre Essgewohnheiten umstellen würden. Und wenn man erstmal damit anfängt, stellt man schnell fest, dass vegetarisches oder veganes Essen ganz lecker ist. Man muss ein bisschen anders kochen. Viele Urlaubsziele kann man mit der Bahn erreichen, statt zu fliegen. Auch hier ist ein Verzicht möglich. Das Schwierigste ist wahrscheinlich das Auto im Alltag. Ob man hier verzichten kann, hängt davon ab, wo man lebt. In der Stadt braucht man keins. Wie beim Essen: Es ist sogar gesünder, wenn man Rad fährt. Carsharing reicht für die wenigen Fälle, in denen es dann doch nicht ohne geht.

Also: Ja, wir müssen verzichten, und wenn wir es nicht schaffen, dann muss man uns Dinge verbieten. Wir sollten schnell mit dem Verzichten anfangen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert