Fridays for Future vs. Letzte Generation

Gestern war ich beim Scientists Responsibility Summit und hörte einen Vortrag von Michael Brüggemann (Universität Hamburg) mit dem Titel: How can disruptive climate protests be transformative? Inferences from media debates on Fridays for Future and Last Generation in Germany (Wie kann disruptiver Klimaprotest transformativ sein? Schlüsse aus der Diskussion von Fridays for Future und der Letzten Generation in den Medien.

Alter und Zusammensetzung der Gruppen

Michael Brüggemann merkte irgendwann an, dass die deutschen Fernsehzuschauer*innen im Fernsehen Menschen in ihrer Altersgruppe bevorzugen, weshalb es von Fridays for Future gut gewesen wäre, dass sie mit den Scientist For Future zusammengegangen wären.

Nun ging es bei der Forschungsfrage auch um Wahrnehmung, aber zumindest als Forschender sollte man dann zwischen Wahrnehmung durch die Medien/Gesellschaft und Realität trennen. Brüggemann zeigte ein Bild von einer Pressekonferenz (taz, 13.03.2019), auf dem man neben Luisa Neubauer und Jakob Blasel auch Maja Göpel, Volker Quaschning und Eckart von Hirschhausen sehen konnte.

In der Diskussionsphase habe ich angemerkt, dass die Letzte Generation die diverseste Klimagruppe in Deutschland gewesen ist. Alle Altersgruppen von 16 bis 86 waren vertreten.

Ronja, 16, blockiert mit dem Aufstand der Letzten Generation eine Straße in Berlin. Das Licht in ihren Augen kommt von den Scheinwerfern des Autos vor dem sie sitzt. Danziger Straße/Prenzlauer Allee, Berlin, 21.11.2022
Polizist wendet Nervendrucktechniken gegen 16jährigen Aktivisten der Letzten Generation an. Dieser schreit vor Schmerzen. Drei andere kräftige Polizisten stehen dabei. Sie hätten ihn ohne Probleme transportieren können. Dieser Einsatz von Polizeigewalt muss wohl als Folter gewertet werden. Nach Besetzung der Frankfurter Allee, Berlin, 13.04.2024
Zivilpolizisten tragen die 86jährige Aktivistin Jutta Heusinger von der Straße. Sie war Lehrerin an einer Hauptschule und hat im Audiobereich beim Bayrischen Rundfunk gearbeitet unter dem Namen Leskien. Während der Blockade Mollstraße/Prenzlauer Allee, Berlin, 19.09.2023
Ernst Hörmann (72, 8 Enkel), Aktivist vom Aufstand der Letzten Generation, bei der erkennungsdienstlichen Behandlung nach der Blockade der A100, Berlin, 04.02.22

Es gab eine weite Streuung unter den Berufen. Vom Geigenbauer, Krankenpfleger*innen, zum Ingenieur, über Physiker, die Gasturbinen entwickelt haben, Soziolog*innen, Biolog*innen, Köche, Zerspanungsfacharbeiter, Menschen aus der Automobilindustrie in Umschulung zu Elektrofacharbeitern, Pfarrer*innen, Nachrichtensprecher*innen, Hörspielautorinnen, Kirchenmusiker*innen, Afrikanist*innen, Umweltingenieure, Qualitätsmanager, Vertriebler*innen, Künstler*innen, Elektriker*innen, Tischler*innen (auch mit Meister), Ärzt*innen, (Kinder)psycholog*innen, Druckereibesitzer*innen, Designer*innen, Ökonom*innen, Sexarbeiter*innen, Informatiker*innen, Tanzlehrer*innen, Schauspieler*innen, Schüler*innen, Lehrer*innen, Student*innen, promovierte und Professoren und sogar eine Hauptkommissarin der Polizei (Portraits von Aktivist*innen mit Altersangabe und Beruf, Menschen der LG Ü50). Menschen mit Behinderungen, die auch immer wieder an Aktionen teilgenommen haben. Neurodiverse Menschen und auch diverse nicht Neurodiverse. Queere und Transpersonen. Menschen ohne Kinder, Menschen mit vielen Kindern (ich weiß von einer Mutter mit vier Kindern und Ernst Hörmann hat 8 Enkel). Menschen aus dem Osten und dem Westen Deutschlands, Menschen aus verschiedenen Regionen.

Slow walk der Letzten Generation. Penelope Frank wird von der Straße getragen. Aktivistenhände sind zu sehen, die anklagend auf die Polizisten weisen, weil diese vorher Penelope Frank den Arm verdreht und somit nicht das mildeste Mittel verwendet haben. Penelope Frank war vorher mehrfach auf die Straße zurückgelaufen. Sie ist eine Trans-Aktivistin. Rotes Rathaus, Berlin, 24.03.2023
Protestmarsch der Letzten Generation vom Brandenburger Tor zur Siegessäule, links vorn Almut Bellmann, Pfarrerin aus Berlin, in der Mitte mit Weste Sonja Manderbach, Kirchenmusikerin, zweite Reihe mit weißem Kittel Dr. Nana-Maria Grüning, Biologin von Scientist Rebellion, und Prof. Dr. Anne Bolliot, dahinter mit weißen Haaren Edmund Schultz, Berlin, 06.05.23
Rollstuhlfahrer mit Schild „Schützt die Aktionen der Letzten Generation“ bei der zweite Massenblockade der Letzten Generation und anderer Klimagruppen an der Siegessäule, im Hintergrund Christian Bläul, Berlin, 28.10.2023
Eva von der Letzten Generation verteilt im Mauerpark Info-Material. Berlin, 22.10.2023
Letzte Generation blockiert mit Mietwagen Autobahn. In der Mitte ein Rollstuhlfahrer, Messe Nord, 28.09.2023

Aus der Web-Übertragung merkte jemand an, dass die Letzte Generation nicht divers sei, weil es keine People of Color gegeben habe. Das ist nicht richtig, denn Sarah Kaden war Aktivistin der Letzten Generation. Mir sind noch zwei weitere bekannt, einer mit vietnamesischem Hintergrund.

Sarah Kaden und Anja Windl, Aktivistinnen der Letzten Generation, in Handschellen nach Blockade des Potsdamer Platzes, Berlin, 06.10.2023

Ansonsten sind zwei Dinge anzumerken: Die Letzte Generation hat anders als andere Klimagruppen immer mit offenem Gesicht und oft mit Angabe des Namens gearbeitet. (Sonst wären mir diese auch nicht bekannt.) Die Aktivist*innen haben die Repressionen in Kauf genommen und haben immer brav ihren Ausweis vorgezeigt, wenn die Polizei kam. Das ist für People of Color nicht so einfach möglich. Zweitens bedeutet die Verwendung des Komparativs nicht unbedingt, dass der Positiv gelten muss. Beispiel: Aus: Die Ameise ist größer als die Schlupfwespe. folgt nicht, dass die Ameise groß ist. Aus der Verwendung des Superlativs folgt auch nicht, dass ein mögliches Maximum erreicht wird. Beispiel: Von diesen drei Männern ist Klaus am klügsten. kann wahr sein, ohne das Klaus normalerweise als klug zu bezeichnen wäre. Also: Daraus, dass die Letzte Generation diverser als andere Bewegungen ist, folgt nicht, dass sie alle Kriterien für Diversheit erfüllt hat.

Brüggemann scheint derselbe Fehler unterlaufen zu sein, der immer wieder in den Medien zu beobachten war. Es wurde immer wieder von „jungen Menschen“ gesprochen, obwohl die Teams bei Pressekonferenzen so aussahen:

Bei der Pressekonferenz der Letzten Generation zur nächsten Protestwelle in Berlin hält Prof. Dr. Nikolaus Froitzheim (65, Strukturgeologe) ein Blatt mit den Temperaturentwicklungen der Meeresoberfläche in die Kameras. Er antwortet damit auf die Frage nach der Beliebtheit und den Protestformen der Letzten Generation. Links von ihm Rolf Meyer (56, Physiker), rechts Hauptkommissarin Chiara Malz und Pressesprecherin Clara Hinrichs, Lina Johnsen, Kanzleramt, Berlin, 08.09.2023

Über die „jungen Menschen“ habe ich auch in Unfried, Palmer und die Letzte Generation im Februar 2023 schon geschrieben.

Zusammengefasst: Wenn Medien jemanden in der Altersgruppe ihres Zielpublikums gesucht hätten, hätten sie jemanden finden können. Vom Kinderkanal bis zum Schunkeltreff auf ARD oder ZDF.

Aktionsformen und Disruption

Brüggemann zeigte genau dasselbe Unverständnis für die Aktionsformen der Letzten Generation wie die Kommentatoren in den Zeitschriften, die er untersucht hatte. So stellte er fest, dass der Auto- und Flugverkehr klimaschädlich sind und dass man deshalb entsprechende Blockaden nachvollziehen könne, aber Beschmadderung von Kunstwerken oder das Besprühen von Universitätsgebäuden sei nicht nachvollziehbar.

Besonders empört war er wegen einer Farbattacke auf Gebäude der Uni Hamburg, denn die Forscher*innen dort seien doch die Allies (Verbündeten) der Klimabewegung.

Michael Brüggemann spricht beim Scientists Responsibility Summit, Humboldt-Universität zu Berlin, 11.10.2025

Auch diese Aussagen bzgl. der Letzten Generation sind befremdlich, denn die Letzte Generation hat immer wieder in Pressemitteilungen und Interviews ihre Strategie und ihre Protestform erklärt. Die Proteste waren so ausgelegt, dass sie maximal disruptiv waren bzw. maximal Aufmerksamkeit erregten. Sie sollten die Menschen wachrütteln und auf das Problem der Klimakatastrophe hinweisen. Es ging nicht um den oder die einzelne Autofahrerin. Die Attacken auf Kunstwerke waren genau für Bildungsbürger*innen wie Michael Brüggemann (und mich) gedacht, die mit dem Fahrrad zur Uni fahren und die kilometerlange Staus auf Autobahnen nicht betreffen. In der Tat haben diese Attacken gegen Kunstwerke mich als Bildschaffenden am meisten bewegt, auch wenn schnell klar wurde, dass die Kunstwerke hinter Glas waren bzw. der Holzrahmen, an den sich Aktivist*innen angeklebt hatten, kein altes Original war.

Lina Eichler vom Aufstand der letzten Generation deeskaliert bei Straßenblockade am Hauptbahnhof. Sie erklärt aufgebrachten Autofahrern, warum blockiert wurde. Am Morgen desselben Tages wurde sie von einem Fahrer eines Lieferwagens mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Berlin, 22.08.2022

Die auf maximale Aufmerksamkeit ausgerichteten Proteste wurde in den Medien nicht verstanden oder bewusst anders geframet. Als Protestforscher sollte man das aber wissen und von der Medienberichterstattung trennen, die man untersucht.

Allianzen

Wenn man sagt, die Fridays seien strategisch geschickter gewesen, weil sie Allianzen mit den Scientists gebildet hätten, dann ist das unzulässig, denn es gab neben der Letzten Generation auch die Scientist Rebellion.

Wissenschaftler von Scientist Rebellion blockieren die Kronprinzenbrücke in Berlin, um auf die dramatischen Folgen der Kliamkatastrophe laut IPCC-Bericht hinzuweisen. In der Mitte mit Pyro Prof. Dr. Nikolaus Froitzheim, Geologe aus Bonn, Kronprinzenbrücke, Berlin, 06.04.22

Beide sind als Schwesterorganisationen anzusehen und haben auch gemeinsame Aktionen durchgeführt.

Aktivistinnen der Letzten Generation blockieren gemeinsam mit Scientist Rebellion den World Health Summit 2022 in Berlin. 16.10.2022

Eine weitere Zusammenarbeit eines Hungerstreiks, der unabhängig von der Letzten Generation stattgefunden hat, aber von Aktivist*innen der Letzten Generation organisiert wurde, gab es ebenfalls mit Scientist Rebellion und sogar auch mit den Psychologists for Future und den Scientists for Future. Die S4F haben die vier Forderungen der Hungerstreikenden unterstützt (nachdem sie eine kleine Korrektur angeregt hatten). Die Psychologists haben sich der Unterstürzung angeschlossen.

Pressekonferenz von „Hungern bis Ihr ehrlich seid“ Am 62. Tag des Hungerstreiks. vlnr: Wolfgang Metzeler-Kick, 49, Umweltingenieur, Dr. Bernhard Steinberger, Scientists 4 Future, Lea Dohm, Psychologists 4 Future, Adrian Lack, ab heute im stillen Hungerstreik, Marlen Stolze, Moderatorin, PD Dr. Susanne Koch, Scientist Rebellion und betreuende Ärztin, Michael Winter, 22. Tag im Hungerstreik, BMI von 16. Ganz rechts außen Lebenspartnerin von WMK. Links im Bild die Forderungen. Hungerstreikcamp, Invalidenpark, Berlin, 07.05.2024

Aktivitäten der Letzten Generation

Die Letzte Generation hat nicht nur disruptiv protestiert. Sie haben auch für die EU-Wahl kandidiert, mit über 100.000 Stimmen in Bremen! Sie haben Haustürgespräche geführt, sie haben in Kirchen mit Gemeinden gesprochen, sie waren in Polizeischulen unterwegs und haben dort Polizist*innen erklärt, was sie tun und warum.

Letztendlich ist das alles aber egal, weil sich die Medien bewusst oder unbewusst dafür entschieden haben, sich auf die Krawallaspekte zu konzentrieren.

Protestformen von Fridays for Future

Jemand meinte in der Kaffeepause, dass ihm FFF zu lahm sei. Dazu muss man anmerken, dass die ursprüngliche Form der Schulstreiks eine radikale Form zivilen Ungehorsams war. Die Schüler*innen haben nicht das gemacht, was sie sollten. Das ware ein enormer Aufreger.

Profi von morgen auf Fridays For Future Demonstration in Berlin, 15.03.2019

Christian Lindner, FDP, ein inzwischen in Vergessenheit geratener Politiker, fand, die Kinder sollten mal zur Schule gehen und die Angelegenheit den Profis überlassen, woraufhin sich Scientist for Future gründete und als Profis den Jugendlichen bestätigte, dass ihr Anliegen berechtigt sei.

Es gab später Überlegungen mit Extinction Rebellion (XR) gemeinsam zu protestieren, weshalb das August Rise Up auch nicht Rebellion Week genannt wurde, sondern ein neutralerer, offener Name gewählt wurde. Verschiedene Ortsgruppen von FFF werden unter den Gruppen, die sich beteiligen auch genannt (August Rise Up! Wer wir sind, 12.10.2025). Insgesamt hat sich FFF dann aber wohl gegen eine Teilnahme entschieden.

Geklebte Aktivistin von Animal Rebellion wird von Polizei gelöst, Blockade Landwirtschaftsministerium durch verschiedene Klimagruppen beim August Rise Up!, Berlin, 19.08.2021
Breites Bündnis an Klimagruppen unterstützte das August Rise Up! Direkt vor der Bundestagswahl im Jahr 2021. Die Letzte Generation entwickelte sich aus dem Hungerstreik, der direkt nach dem August Rise Up! begann. Quelle: August Rise Up! Wer wir sind, 12.10.2025

Jedoch gab es eineige Monate später eine gemeinsame Blockade mit XR und anderen. Nach einem Protestmarsch von FFF sind Aktivist*innen verschiedener Klimagruppen zurückgekommen und haben vor der SPD-Parteizentrale die Straße blockiert. Carla Reemtsma und Pauline Brünger haben für FFF gesprochen. Man beachte die Traktoren!

Blockade der SPD-Parteizentrale durch Klimaaktivisten und Klimaaktivistinnen von Friday For Future, Extinction Rebellion und anderen Gruppierungen, Berlin, 22.10.2021
Pauline Brünger und Carla Reemtsma von Fridays For Future sprechen auf einem Traktor bei der Blockade der SPD-Parteizentrale, Berlin, 22.10.2021

Luisa Neubauer war auch vor Ort, aber da war ich schon weg.

Ich finde es verständlich, dass FFF sich zurückgehalten hat, schließlich waren und sind sie auch für Kinder und sehr junge Jugendliche verantwortlich.

Übrigens war die Letzte Generation ab einem gewissen Zeitpunkt auch bei den internationalen Klimastreiks von Fridays for Future dabei. 2023 stellte die Letzte Generation sogar den größten Demoblock.

Aktivist*innen der Letzten Genration beim 13. globalen Klimastreik von Fridays for Future, Berlin, 15.09.2023

Klimaproteste und Scientist for Future

In der Diskussion sagte Nana-Maria Grüning promovierte Biologin mit Promotion in Cambridge: Nein, die Wissenschaftler*innen seien nicht ihre Allies (Verbündeten). Sie säßen in ihren Büros und ließen ein paar Kinder den Protest machen.

Nana-Maria Grüning hat Recht, wenn sie darauf verweist, dass FFF die großen Proteste angestoßen hat. Letztendlich war es Greta Thunberg, die sich über das gemeinschaftliche Verdrängen hinweggesetzt und damit eine weltweite Bewegung ausgelöst hat. (Extinction Rebellion hat sich etwa zeitgleich aus diversen Vorläuferorganisationen entwickelt.)

Dann aber haben die Scientist for Future auch einige Zeit mit FFF gemeinsame Aktionen gemacht.

Alles gesagt: Schweigemarsch der Scientists for Future unterstützt von Fridays For Future und Students For Future am Bundeskanzlerinamt, Berlin, 15.11.2019

Auch gab es ab 2019 bis zum Beginn der Corona-Lockdowns „Streiks“, die denen von FFF ähnelten. Das lief unter Researchstrejk. Gisbert Fanselows Idee war, dass jeden Tag eine andere Berufsgruppe streiken sollte. Freitags die Schüler*innen, Mittwochs die Uni-Mitarbeiter*innen, Montags die Busfahrer*innen, Dienstags die Müll-Menschen … Diese Aktionen sind unter Climatewednesday.org dokumentiert. Sie fanden in Form von Mahnwachen und öffentlichen Lehrveranstaltungen in Berlin, Potsdam und Leipzig statt. Es waren so ca. 100 Wissenschaftler*innen beteiligt.

Researchmittagspause in Potsdam vor dem Bildungsforum, Mitte karriert Prof. Dr. Gisbert Fanselow und Dr. Hartmut Ehmler, vorn weißes T-Shirt Lorena Valdivia-Steel, Potsdam, 12.06.2019
Forschungspause mit Wissenschaftler*innen von der HU, FU und aus Potsdam vor der FU Berlin. Gelbes Shirt: Prof. Uli Reich, daneben in Rot: Dr. Bernhard Steinberger,kariert Dr. Hartmut Ehmler, rot Lorena Valdivia-Steel, weiß rechts Prof. Dr. Judith Meinschäfer, vorn kariert Gisbert Fanselow. 05.06.2019
Forschungspause am Klimahäuschen der Humboldt-Universität. Hinten Stefan Müller, vorn mit Warming Stripes Prof. Dr. Christoph Schneider, Klimageograph, der später Vizepräsident der HU wurde, Berlin, 18.09.2019

Diese Mahnwachen waren mit den Lockdowns sinnlos geworden, weil die Universitäten geschlossen waren.

Das verwaiste Klimahäuschen an der Humboldt-Universität in Corona-Zeiten, 15.05.2020

Später veranstaltet Berlin for Future die Klimamontage, ein besseres Konzept mit Vorträgen und Musik.

Der Researchstrejk fand in den Medien kein Interesse, obwohl es sogar eine unterstützende Pressemeldung von der HU-Öffentlichkeitsarbeit (Gemeinsam für mehr Klimaschutz, 02.07.2019) und eine Erwähnung in der taz gab (taz, 17.08.2019). Es gab Berichte, diese bezogen sich aber ausschließlich auf die Selbstverpflichtungsaktion zum Verzicht auf Kurzstreckenflüge. Übersicht) Wahrscheinlich wurde der Researchstrejk durch die viel interessanteren Schulstreiks überlagert.

Also: Es gab Wissenschaftler*innen von Scientists for Future, die Formen disruptiven Protests angedacht hatten. Das war allerdings eine kleine Gruppe, die auf Berlin, Potsdam und Leipzig begrenzt war. Diese Anmerkung ist also eher ein historisch interessanter Hinweis, der nichts daran ändert, dass Menschen aus der Klimabewegung, die die Klimakatastrophe mit der ihr gebührenden Dringlichkeit behandelten, Wissenschaftler*innen egal welcher Fachrichtungen nicht als ihre Verbündeten ansahen, sondern als Menschen, die es aus ihrer Passivität und Verdrängung zu reißen galt.

Zusammenfassung

Es existieren in den Medien und eventuell auch dadurch bedingt in der Forschung falsche Vorstellungen darüber, was die Ziele und Methoden bestimmter Klimagruppen sind bzw. waren. Auch gibt es immer noch Klischees bezüglich der Zusammensetzung der Gruppen.

Vielleicht kann meine Dokumentation mit inzwischen mehr als 15.000 Bildern zur Klimabewegung ab 2018 dazu beitragen, Vorstellungen mit der Realität abzugleichen.

Quellen

Telschow, Fabian. 2005. Sind koordinierte Lehrplanboykotte von Wissenschaftler:innen als Dringlichkeitssignal zur Klimakrise irgendwann notwendig? (doi:10.5281/zenodo.15331596)

RAF, Linksradikalismus und Revolution

Seit Beginn des Crowdfundings für das Olympia-Projekt (siehe Warum ich Olympia gut finde) gab es immer wieder tweets von denselben Accounts mit denselben Kommentaren. Einer dieser Accounts hat auch meinen Blogpost taz lügt nicht kommentiert. Auf die Frage, was sie denn eigentlich wollten, kam keine Reaktion. Nach einem Gesprächsangebot kam keine Antwort mehr. Bei einem anderen Account, war es sehr klar, was der Account-Inhaber möchte:

Twitter-Profil, 24.12.2019

Ich hatte als Antwort auf eine Kritik geschrieben, dass wir die gegenwärtigen Probleme nur zusammen lösen können und MarktIsMuell dazu aufgefordert, mitzumachen. Nachdem ich aber seine RAF-Statements gesehen hatte, habe ich die Aufforderung zurückgenommen:

Screenshot 30.12.2019

MarktIsMuell fordert: „Deutschland muss brennen.“ Ja, es wird brennen. Es hat bereits gebrannt. 2019 ist der bisher größte Schaden entstanden und die Schäden werden noch größer werden (Bericht vom rbb): Die Wälder in Brandenburg und anderswo sind ausgetrocknet, sie brennen wie Zunder. Solche bzw. noch schlimmere Brände gilt es zu verhindern. Die Frage ist wie.

Hengameh Yaghoobifarah argumentiert heute in der taz gegen Olympia und fordert, dass linke Protestkultur wieder radikal wird:

Lasst uns im neuen Jahr stattdessen dafür sorgen, dass linke Protestkultur wieder radikal wird.

Hengameh Yaghoobifarah, taz, 30.12.2019

Was ist damit genau gemeint? Linksradikalismus? Laut Wikipedia ist der Begriff Linksradikalismus eine Selbstzuschreibung und nicht genau definiert. Was brauchen wir jetzt? Wir brauchen radikale Schritte: eine radikale Energiewende, eine radikale Verkehrswende, eine radikale Agrarwende, radikale Veränderungen beim Konsum und bei den Finanzen. Aus dem ganzen Klimaschlamassel kommen wir nicht raus ohne Gerechtigkeit zwischen Nord und Süd, zwischen oben und unten, global, national, regional. Wir brauchen linke Politik. Das alles muss sehr schnell gehen, wenn wir uns nicht selbst abschaffen wollen. Wir brauchen eine Revolution! Revolution ist wie folgt definiert:

Eine Revolution ist ein grundlegender und nachhaltiger struktureller Wandel eines oder mehrerer Systeme, der meist abrupt oder in relativ kurzer Zeit erfolgt. Er kann friedlich oder gewaltsam vor sich gehen. Revolutionen gibt es in den verschiedensten Bereichen des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Als Antonyme gelten die Begriffe Evolution und Reform: Sie stehen für langsamer ablaufende Entwicklungen beziehungsweise für Änderungen ohne radikalen Wandel.

Eintrag für Revolution in Wikipedia, 30.12.2019

Brauchen wir eine gewaltsame Revolution? Wenn wir eine wollten, wer würde die machen? Sollte das nicht eine Mehrheit sein? Wenn es keine Mehrheit ist, was kommt dann nach der Revolution? Die Diktatur dieser Minderheit? Wenn es eine Mehrheit ist, sollten wir dann nicht mit dieser Mehrheit etwas ausrichten? Sollten wir nicht dafür sorgen, dass wir in einer Gesellschaft miteinander leben können, die handlungsfähig ist? Dazu brauchen wir mehr BürgerInnenbeiteiligung und Lobby-Kontrolle. Viele PolitikerInnen haben jede Scham verloren: Sie wechseln nach dem Ende ihrer Amtszeit direkt in den Vorstand von Auto-, Gas- oder Kohlefirmen. Und mit solch einer Art „Altersabsicherung“ in Aussicht machen sie auch entsprechende Politik. Das muss sich ändern. Dafür und für die Erweiterung unserer Demokratie durch repräsentative BürgerInnenversammlungen kämpft der Verein Mehr Demokratie e.V., einer der Berater des Olympia-Projekts.1

Was meint Hengameh Yaghoobifarah mit radikal? Ziviler Ungehorsam kann es nicht sein, denn den haben wir ja schon: Ende Gelände, Extinction Rebellion, Sand im Getriebe und Am Boden bleiben gibt es bereits (Bilder). All diese Bewegungen sind gewaltfreie Protestformen. Es kann nur gewaltfrei gehen. Ich war am 8.10.1989 in der Gethsemanekirche. Die Polizei stand davor. Mit Gewalt hätten wir keine Chance gehabt und auch jetzt ist Gewalt keine Lösung (siehe auch Fun with Extinction Rebellion). Unsere Kinder kämpfen seit einem Jahr für eine Zukunft. Wollt Ihr, dass sie zu Waffen greifen? Wollt Ihr das?

TheoRadicals live auf der FridaysForFuture-Demo am U-Bahnhof Französische Straße, Friedrichstraße, Berlin, 29.11.2019, sehr gute Texte (soundcloud), aber sie singen auch von der Zeit nach der Revolution. Was für eine Revolution ist gemeint? Eine friedliche? Wie kommen wir da hin?

Die Situation jetzt ist anders als vor 30 Jahren. Damals gab es eine Krise im Ostblock, die Krise, in der wir uns jetzt befinden, ist eine globale. Ich habe mich in London mit einem XR-Mitglied unterhalten und er hat mir von einer Handvoll Superreicher erzählt, die jemanden von XR zum Vortrag eingeladen haben. Er wollte ihnen den üblichen Klimavortrag halten, hat dann aber festgestellt, dass sie nur wissen wollten, was sie tun müssten, um nach der Revolution am Leben gelassen zu werden. Das ist eine lustige Geschichte, denn XR möchte die Demokratie durch repräsentative BürgerInnenversammlungen ergänzen und nicht Superreiche umbringen und die Demokratie abschaffen, aber der Punkt ist, dass, wenn wir nicht jetzt sofort handeln, niemand am Leben bleiben wird, jedenfalls nicht so, wie wir jetzt leben und auch der ganze akkumulierte Reichtum wird einfach wertlos sein.

K.I.Z: Hurra die Welt geht unter. Wird gern auf FFF-Demos gespielt. Im Video ist der Anfang ein Atomschlag. Alternativ kann man dort auch die Klimakatastrophe einsetzen.

Die Revolution im Osten war gewaltlos. Sie hätten geschossen. Die Armee stand bereit. Nach dem Oktober und November gab es runde Tische. Die Ossis wurden drüber gezogen, weil sie keine Ahnung hatten. Olympia könnte der Prozess sein, bei dem sich die Gesellschaft (zumindest in einem Land) darüber klar wird, was geht und wie. Die Transformationen sind nur zu bewerkstelligen, wenn wir alle mitnehmen. Sorry, auch wenn das manchen Linksradikalen weh tut: Wir brauchen alle oder zumindest viele, wir brauchen die 27%, die uns schon abhanden gekommen sind. Es hilft nicht, wenn wir Revolution machen und dann hinterher feststellen: Ups, der einzige hier draußen bin leider wieder ich.

Nochmal: Die entscheidende Frage ist, wie man den radikalen Wandel einleiten kann, den wir jetzt brauchen. Die RAF hatte irgendwie die Idee, ein paar miese Typen umzubringen und dann würden die Massen ihnen zustimmen und dann wäre alles gut. Das hat nicht ganz geklappt, was die RAF auch eingesehen hat, weshalb sie sich dann aufgelöst hat.

Ted Gaier von den Goldenen Zitronen: „Damals haben wir gegen einen Sozialstaat gekämpft, weil wir dachten, es gäb noch was Besseres“ beim Konzert im Festsaal Kreuzberg, Berlin, 01.05.2019

Die auf Wettbewerb und Maximalprofit ausgerichteten Gesellschaften haben nun eine Situation herbeigeführt, in der unsere Weiterexistenz bedroht ist. Man kann jetzt darauf warten, dass sich eine revolutionäre Situation ergibt und irgendwie RAF 2.0 spielen. Oder man versucht, ein paar Bremsen einzuziehen: Grenzen für Kapitalakkumulation, Vermögenssteuer, Finanztransaktionssteuern usw. Bessere Beiteilung aller an demokratischen Entscheidungen, weniger Lobbyeinflußmöglichkeiten usw. Olympia ist mehr oder kann mehr sein, als ein paar Petitionen. Es könnte ein großer runder Tisch werden, an dem wir uns alle klar darüber werden, wie ein Weiterleben möglich sein könnte. Warum sollte so etwas funktionieren? Warum sollten die 1% uns irgendetwas abgeben? Die Antwort ist einfach: Auch sie wollen leben. Ihr Reichtum würde ihnen nichts nützen, wenn sie niemanden mehr hätten, der ihn mehren würde. Also: Bevor die gewaltsamen Revolutionen kommen, lasst es uns noch ohne Gewalt versuchen. Gemeinsam mit Extinction Rebellion, Ende Gelände, Am Boden Bleiben, Sand im Getriebe kann Olympia eine weitere Komponente in der politischen Landschaft sein, die Druck auf die Regierenden aufbaut.

taz lügt nicht

In diesem Post geht es um das Demokratie-Projekt 12062020olympia. Ich habe das Projekt im Blog-Post Warum ich Olympia gut finde bereits beschrieben, hier geht es nicht um das Projekt selbst sondern um die Berichterstattung darüber in meiner Lieblingszeitung der taz. Am 18.11.2019 gab es in der Markthalle neun in Kreuzberg eine Auftaktveranstaltung der OrganisatorInnen und UnterstützerInnen. Ich war da und habe Bilder gemacht. Die taz war wohl nicht da, hat aber eine Woche später negativ berichtet. Ich habe diesen Bericht auf Uninformiertheit zurückgeführt, denn viele Behauptungen, die in diesem Artikel enthalten sind, sind falsch oder einseitig präsentiert. Zudem ist der Artikel von Neid und Mißgunst geprägt, letztendlich auch basierend auf falschen Annahmen. Für die Uninformiertheit muss man leider die OrganisatorInnen verantwortlich machen, denn es gab zum Start des Crowdfunding keine Web-Seite, die alles schön übersichtlich erklärt hätte. Ehm, es gab gar keine Web-Seite. Von der taz hätte man – anders als von der Bild-Zeitung, die ähnlich berichtete – erwarten können, dass sie zum Treffen in der Markthalle kommen, da scheinen sie nicht getan zu haben, denn ihr Artikel bezeugte ihre Ahnungslosigkeit.

OK. Fehler passieren. Auch ist die taz eine Zeitung, in der man durchaus unterschiedliche Meinungen antreffen kann. Auch gibt es ein pro/contra-Format, das ich sehr schätze. So habe ich gehofft, dass es noch weitere Artikel und Diskussion in der taz geben würde. Heute ist ein zweiter Artikel erschienen. Und dieser Artikel ist eine große Enttäuschung. Ich bin nicht nur enttäuscht, ich bin wütend! Ich lese die taz seit fast dreißig Jahren und ich habe mich schon öfter geärgert (z.B. über die Werbung des Rüstungs- und Autokonzerns Daimler in der Jugendtaz), aber wütend war ich eigentlich noch nie. Die „Ich-kündige-mein-Abo“-LeserInnenbriefe fand ich immer irgendwie lustig, sie gehörten zur taz-Folklore dazu. Ich habe nie darüber nachgedacht, mein Abo zu kündigen und denke auch jetzt nicht darüber nach. Aber es fehlt jetzt Geld und ich werde es mir von der taz borgen. Dazu gleich mehr, jetzt erstmal zum Artikel.

Der Artikel in der heutigen Printausgabe der taz hat die folgende Überschrift:

Tendenziöses Framing in der taz, Printausgabe 21.12.2019, S. 7

Framing

Im Artikel selbst wird das Wort Hipster wieder aufgegriffen und zwar mit Zitaten:

„Eine Hipsterveranstal­tung für eine weiße Mittel­standsblase“ nannten Twitter­ User*innen das Event

In Kombination mit der Überschrift könnte man vermuten, dass die taz behauptet, dass es sich bei den OrganisatorInnen/zukünftigen TeilnehmerInnen nicht um Hipster handelt. Trotzdem wird in der Überschrift dick und fett das Klischee wiederholt. Die Negation spielt dabei keine Rolle, was man aus der sprachwissenschaftlichen Forschung weiß. Auch wenn man ein falsches Frame negiert, wird es gestärkt. (Das passiert mit dieser Diskussion leider auch, bitte betrachten Sie den Beitrag als wissenschaftlichen Fachbeitrag, ich bin Linguist.)2 Ich habe das auch mit dem Titel des Beitrags gezeigt: In bestimmten Teilen Berlins sieht man Grafitti mit „taz lügt“. Selbst wenn ich diesen Spruch negiere, bleibt immer etwas haften bei der LeserIn, denn die Assoziation zwichen taz und lügen wird bei jedem gemeinsamen Vorkommen der beiden Wörter gestärkt.

Tendenziöse Berichterstattung mit Bezug auf alten Diskussionsstand

Der zitierte Tweet (im PDF der taz verlinkt) ist vom 21.11. also ganz vom Anfang der Diskussion, als noch nicht allen klar war, was genau geplant ist. Wie ich in meinem ersten Blog-Post zum Thema mit Bezug zur nun vorhandenen Web-Seite der OrganisatorInnen dargestellt habe, findet Olympia nicht nur im Stadion statt. Die Veranstaltung wird gestreamt und alle können teilhaben, ob nun am eigenen Bildschirm oder beim Public Viewing vor dem EM-Eröffnungsspiel. Außerdem sind mehr als die Hälfte der Tickets Spenden, so dass Menschen, die es sich nicht leisten können, dennoch teilnehmen können (zu spendenfinanzierten Kliamveranstaltungen siehe unten). Das war der taz auch vor dem Schreiben des Beitrags bekannt. Das weiß ich genau, denn ich hatte meinen Blog-Post mit Hinweis auf die Unterstützung durch Scientists4Future Berlin-Brandenburg und das Erreichen der Millionengrenze an die Redaktion und die LeserInnenbriefabteilung geschickt.

Auch bei diesem Zitat lügt die taz nicht:

Auch ihre Berliner Orts­gruppe hat mittlerweile ein ablehnendes Statement veröf­fentlicht. Das Olympia-Projekt komme einem „Event näher als einer repräsentativen demokra­tischen Versammlung“, schreiben sie in einem Statement.

taz zitiert FFF-Statement

Das ist wohl wahr, nur geht es am Punkt vorbei. Es hat nie jemand behauptet, dass Olympia eine repräsentative Versammlung werden solle. FridaysForFuture ist auch nicht repräsentativ. Wir verdanken FFF sehr viel und gerade auch der Berliner Gruppe. Ich denke, dass das die taz auch anerkennt. Die Situation in Bezug auf das Klima ist schrecklich, aber sie wäre noch viel schlimmer, wenn wir FFF nicht (gehabt) hätten. Zu sagen, die Bewegung XY ist nur eine dämliche Mittelschichtsveranstaltung, ist Bildzeitungsniveau. Genauso wurde nun schon ein Jahr gegen FFF argumentiert und wird nun eben auch gegen Olympia argumentiert. Paradoxerweise auch von FFF selber. Hey FFF, Ihr seid auch nicht repräsentativ, aber trotzdem großartig!

Die taz macht sich also formal die Hände nicht schmutzig, sie zitiert ja nur. Das macht sie aber selektiv und tendenziös. Sie hätte erwähnen können, dass die PsychologInnen for Future, die Parents For Future und die Scientists for Future Olympia unterstützen. Sie hätte erwähnen können, dass die Genossenschaftbank GLS-Bank, der Grundeinkommen-Verein, Günter Faltin und die Entrepreneurs For Future, Mehr Demokratie e.V., Open Petition German, Zerochange.org, Demokratie in Bewegung und Schule im Aufbruch dabei sind. Sie hätte erwähnen können, dass es ein Potential gibt, nicht nur das Klimaproblem sondern auch Probleme mit Gleichstellung, Diversität und sozialer Teilhabe Gegenstand von Petitionen sein werden. Das sind alles Anliegen der taz, weshalb diese selektive Berichterstattung sehr verwundert.

Und. Und! Und sie hätte wissen können, dass Olympia am Freitag vor und während der regulären -Demo bei FFF im Invalidenpark war.

Olympia und FFF Berlin am 13.12.2019 gemeinsam im Invalidienpark

Ey, taz, vielleicht habt Ihr die Verbindung zu den Bewegungen verloren. Vielleicht seid Ihr einfach alt und keine Hipster und keine Jugendlichen. Wird’s jetzt unsachlich? Ja! Ich bin wütend! Ich darf das. Ich schreibe hier nur meinen Blog, aber Ihr, Ihr macht ’ne Zeitung und da hat alles sachlich zu sein, außer auf der Meinungsseite oder bei „Die steile These“ vielleicht, aber der Beitrag war auf der Politikseite.

Hipster

Vorweg: Ich mag Hipster auch nicht. Irgendwann so zwischen 2001 und 2010 gab es eine Initiative, den Gneistplatz im Prenzlauer Berg verkehrszuberuhigen. Ich bin da hingegangen und da waren 10 Menschen, die mit sich selbst beschäftigt waren, mich überhaupt nicht wahrgenommen haben und mit Sekt angestoßen haben. Mir war klar: Das ist nicht meine Welt. Ich bin inzwischen aus dem Prenzlauer Berg weggezogen. Wegen der Hipster.3 Aber, liebe taz, kennt Ihr denn die VeranstalterInnen? Habt Ihr mit ihnen gesprochen? Das sind inzwischen sehr viel mehr, als die Einhorn-Leute. Und die Einhorn-Leute persönlich sind auch sehr ok. Was Ihr macht, sind direkte Ad Hominem-Argumente (Ihr greift Personen an, statt Euch mit Inhalten auseinaderzusetzen) und das ist unterste Schublade. Es geht nicht um zehn Personen, die es gern an ihrer Kreuzung leise und abgasfrei haben wollen. Es geht um Menschen, die die drängendsten Probleme unserer Zeit lösen wollen, genauer: Die NGOs und anderen eine Plattform zur Verfügung stellen wollen, mit der wir dann gemeinsam die Probleme lösen können. Warum hasst Ihr sie dafür?

Deniese von Extinction Rebellion und Parents For Future diskutiert bei der Auftaktveranstaltung in der Markthalle neun mit Frauen, die sich in Arbeitsgruppen zur Ausarbeitung von Petitionen bzgl. Diversität und Teilhabe einbringen wollen.

Kommunisten, Sozialdemokraten und Nazis

Lieber taz, was gerade in diesem Land passiert ist genau dasselbe, wie vor 1933. Die Kommunisten und Sozialdemokraten hauen sich die Köppe ein, die Nazis geben ihnen den Rest und übernehmen dann. Wir können die zu lösenden Problem nicht in kleinen Gruppen lösen. Schon gar nicht in der noch zur Verfügung stehenden Zeit. Es wäre also sehr schön, wenn wir uns nicht dauernd selbst die Beine weghauen würden.

Wirklich? Andere Protestformen sind kostenlos?

Und übrigens: Auch Eure Bildunterschrift ist falsch: Der Straßenprotest ist nicht kostenlos.

Falsche Bildunterschrift in der taz: Umsonst ist der Tod.

Am Anfang der Proteste haben FFF-Berlin Geld gesammelt, damit sie ihre Anlage kaufen konnten. Bei den Großveranstaltungen wird eine PA gestellt, die es in sich hat.

Seeed spielen live auf der FridaysForFuture-Demo am Brandenburger Tor, Berlin, 29.11.19, „Boxentürme massieren deine Seele.“ Man sieht die Türme im Hintergrund.

Die gibt es auch nicht für Umme. Und? Wo kommt das Geld her? Von uns, von SpenderInnen. Teilweise in Aktionen eingeworben, teilweise auf den Veranstaltungen selbst.

SpendensammlerInnen mit großen Geldsammelgefäßen bei NeustartKlima am 29.11.2019 inBerlin

Bei Olympia geht das nicht, denn das Stadion, die Telekom-Infrastruktur, die Bühnen, die Security muss vorher finanziert werden.

Konsequenz: Ich borg mir mal Geld von der taz

Eine positive Berichterstattung in der taz hätte vielleicht 100.000–200.000€ gebracht. Dieses Geld fehlt nun. Ich habe mich deshalb entschlossen, noch 100 Tickets zu kaufen.

Crowdfunding-Optionen auf startnext

Das geht nicht mal eben so. Deshalb werde ich mir das Geld von der taz borgen. Ich bin taz-Genossenschaftler. Schon in den 90er Jahren habe ich überlegt, was mir eine solche Tageszeitung wert ist, und habe seit dem immer wieder Genossenschaftsanteile gekauft. Auch der taz-Stiftung habe ich Geld für das neue Redaktionsgebäude gespendet. Die Genossenschaftanteile habe ich erst vor kurzem wieder aufgestockt, weil wir die taz auf alle Fälle als Stimme in der Klimakrise brauchen. Die Anteile hole ich mir nun aber zurück. Wenn ich nach Olympia dann wieder Geld habe, dann zahle ich es wieder ein.

Ich werde dann sagen können, dass ich dabei gewesen bin. Die taz wird zumindest beim Crowd-Funding nicht dabei gewesen sein. Vielleicht verstehen sie ja, was passiert, wenn die Arbeitsgruppen mit ihrer Arbeit beginnen.

Wer noch unterstützen/Tickets kaufen will, kann das bei startnext tun. Egal ob 15€ oder 30.000€, jeder Euro zählt. Haut rein!

Anhang: Unerwiderte Liebe

Nur damit das wirklich klar ist: Ich liebe die taz! Ich verbringe je nach Arbeitsbelastung 30–60 Minuten täglich mit ihr. Ich frühstücke mit ihr, ich gehe mit ihr ins Bett und ich nehme sie mit auf’s Klo. Die Artikel über Umweltfragen sind hervorragend (meistens), Ulrike Herrmann schreibt sehr aufschlussreich und anders als AutorInnen in anderen Zeitungen über Wirtschaftsthemen. Berichterstattung über den Osten ärgert mich manchmal, aber es gibt mit Anja Meier und Simone Schmollak auch da sehr gute AutorInnen und die taz hat zumindest das Problem mit der Berichterstattung über den Osten erkannt.

Seit ich Geld verdiene (1994), bezahle ich den politischen Preis der taz, der höher liegt als der normale Preis und AbonentInnen mit dem Leider-leider-Preis subventioniert. Seit einiger Zeit habe ich ein online-Abo noch dazu.

Auf twitter hat jemand geschrieben, ich würde mich wie ein vierjähriges Kind benehmen, dem man sein Lieblingsspielzeug nicht gekauft hat. Ich habe dem zugestimmt, möchte das aber revidieren. Die Emotion ist ungleich stärker, denn es handelt sich um unerwiderte Liebe. Ich denke immer noch, dass die taz Olympia gutfinden müsste. Und wer weiß, vielleicht tut sie das ja auch. Wir haben bisher zwei Stimmen aus der taz gehört und das waren jeweils nicht die Umwelt-RedakteurInnen. Diese zwei Artikel haben bei den Olympioniken sehr viel kaputt gemacht, aber meine Liebe ist so groß, dass ich uns eine zweite Chance geben würde.

NeustartKlima: taz-Mitarbeiterin verteilt die Klima-taz bei der FridaysForFuture-Demo , Berlin, 29.11.19

Die Aktion mit den Anteilen ist ohnehin symbolischer Natur, weil ich die Anteile ja wieder einzahlen werde. Das heißt, dass der Schaden, der entstehen wird, der Höhe der Zinsen/Kursgewinne entspricht, die die taz für das Geld in der Zeit bekäme, die ich zum Rückzahlen brauche. Ich weiß nicht, wie viel das genau ist, weil ich nicht weiß, was die taz mit dem Geld macht, aber der Betrag wird nicht groß sein. Und ich habe auch vor, weiterhin neue Anteile zu erwerben, so dass wirklich kein wirtschaftlicher Schaden entsteht. Ein politischer Schaden ist natürlich entstanden, aber das liegt an dem unterirdischen Artikel, diesen Schaden hat sich die taz selbst zuzuschreiben.

Zusammenfassung: Liebe taz, Ich hoffe, wir sehen uns im Olympiastadion. Vielleicht könnt Ihr drinnen keinen Stand haben, weil Ihr eine kommerzielle Einrichtung seid. Aber RedakteurInnen sind natürlich herzlichst willkommmen und Ihr dürft die taz natürlich vor dem Stadion verteilen.

NeustartKlima: taz-Mitarbeiter verteilt die Klima-taz bei der FridaysForFuture-Demo , Berlin, 29.11.19