Zuletzt geändert am 19. April 2021
Am 5. August 2019 habe ich beschlossen, nicht mehr zu fliegen. Überhaupt nicht. Keine Privatflüge, keine Business-Flüge. Bis es möglich ist, CO2-neutral zu fliegen.
2008 habe ich aufgehört, privat zu fliegen, weil immer deutlicher wurde, welchen Schaden Flüge der Umwelt zufügen. Seit dem bin ich auch dienstlich wenig geflogen, der letzte Transatlantikflug war 2016 nach Seoul. Es war ein eingeladener Vortrag bei einer großen Konferenz, was eine ziemliche Ehre für einen Akademiker ist und etwas, das man in seinem Lebenslauf braucht (wir arbeiten daran, dies zu ändern). Mein letzter Flug war 2017 nach Oslo, wo ich für die Forskningrédet (die Organisation, die die Verteilung der norwegischen Forschungsgelder verwaltet) gearbeitet habe. Dies ist wichtig für die Selbstorganisation der Wissenschaft und auch eine Art Ehre, da das Panel aus vier Ausländern bestand, die über die Zukunft der norwegischen Linguistik entscheiden (ein bisschen übertreiben). Es gibt eine Liste meiner Konferenzvorträge auf meiner Webseite.
Die Entscheidung, nicht zu fliegen, war nicht einfach. Ich liebe es, im Ausland zu sein und fremde Kulturen kennenzulernen. Europa ist heutzutage ziemlich langweilig, da die Länder immer ähnlicher werden: das gleiche Zeug in Supermärkten, der gleiche touristische Nepp überall. Ich war oft im Ausland. Wenn man von Einschränkung der Urlaubsreisen spricht, kommt oft: „Ja, für Euch Akademiker ist es einfach, keine Privatflüge zu machen, da ihr sowieso unterwegs seid.“ Tja, ist was dran. Also: Keine Flüge? Überhaupt nicht? Ich war nie in Australien. Der Bereich der Linguistik, in dem ich arbeite, ist in Australien nicht vertreten (Dort wird LFG gemacht, nicht HPSG) und daher gab es dort nie eine Konferenz, an der ich wirklich teilnehmen wollte. Die Selbstverpflichtung bedeutet also, dass ich nie dorthin kommen werde. Afrika? Ich arbeite an germanischen Sprachen. Afrikaans, gesprochen in Südafrika, ist eine von ihnen. Man braucht für Afrika kein Flugzeug, prinzipiell könnte man auch über Land dorthin gelangen. Isländisch, auch eine germanische Sprache. Es gibt eine Fähre. China? Ich habe zwei Arbeiten über Mandarin-Chinesisch veröffentlicht und habe andere berufliche Verbindungen nach China: Mein Grammatiktheorie-Lehrbuch wird gerade ins Chinesische übersetzt. Korea? Ich habe Verbindungen nach Seoul. Dort für einige Zeit zu arbeiten, wäre toll. Ich könnte mit dem Zug dorthin fahren, aber es braucht Zeit. Hm.
Ich habe mit Kollegen und Freunden gesprochen und es stellt sich heraus, dass es eine ganze Reihe von sehr erfolgreichen gibt, die überhaupt nicht fliegen (Prof. Dr. Gisbert Fanselow, Prof. Dr. Shravan Vasishth und Prof. Dr. Isabell Wartenburger). Einige von ihnen PsycholinguistInnen und die wichtigsten Psycholinguistik-Konferenzen finden in den USA statt.
Also, Frage: Ist meine Forschung so wichtig, dass ich bereit bin, anderen Menschen Schaden zuzufügen? Unsere CO2-Emissionen tragen zur globalen Erwärmung bei, was zu schweren Dürren und anderen Katastrophen führt. Millionen von Menschen sind betroffen und werden sterben. Ist die Linguistik wichtiger? Wohl nicht. Ganz sicher nicht.
Wenn Reisen unvermeidbar sind, werde ich den Zug benutzen und ich habe bereits begonnen, auch längere Reisen mit dem Zug zu machen. In diesem Jahr bin ich zum Beispiel nach Bukarest zur HPSG-Konferenz gefahren.
Also: Nie wieder! Ich habe alle meine bisherigen Flüge kompensiert und bin jetzt sauber, zumindest was das Fliegen betrifft. Verpflichten Sie sich, weniger zu fliegen? Wenn ja, hinterlassen Sie Kommentare (siehe auch Kommentare zum englischen Artikel). Wenn Sie keine Kurzstreckenflüge mehr machen, wäre es gut, wenn Sie bei der Selbstverpflichtungsaktion der Berliner Hochschulen zum Verzicht auf Kurzstreckenflüge mitmachen oder eine ähnliche Aktion an Ihrer Hochschule starten.
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