Der moralische Druck der Öko-Gutmenschen ist ja wie in der DDR

Zuletzt geändert am 11. Juni 2024

Ich höre jetzt immer öfter, dass der Druck der sich ergibt, wenn man wahrnimmt, dass das eigene Handeln nicht mit den eigenen Werten kompatibel ist, und der durch FridaysForFuture verstärkt wird, mit dem sozialen Druck verglichen wird, der in der DDR aufgebaut wurde. Die Nazi-Partei AfD spielt geschickt damit und auch die Freien Wähler plakatieren gerade gegen Angstmacher.

Wahlplakat gegen die Überbringer der schlechten Nachricht. Die Besänftigung unsere kognitiven Dissonanzen ist den Freien Wählern ein Anliegen. Brandenburg 28.07.2019

Dieser Blog-Post soll zeigen, warum der Vergleich grundverkehrt ist.

Sozialer Druck in der DDR: Verpflichtung zum Militärdienst von 13jährigen

Ich gebe einfach mal ein Beispiel, wie das mit dem Druck in der DDR funktionierte und was für Konsequenzen es hatte, wenn man sich dem Druck entgegenstellte und dem Systrem verweigerte: Ich habe Mathematik geliebt, war Mitglied der Mathematischen Schülergesellschaft (MSG) und habe mich für die Matheschule Heinrich Hertz beworben. Das war 1981. Es gab zwei Bedingungen für die Aufnahme: einen 90-minütigen Test mit mathematischen Knobelaufgaben und ein einstündiges politisches Gespräch mit Mitgliedern der Schulleitung.

Der Schuldirektor Herr Ladewig, der die Aufnahmegespräche führte, hat es bis ins Stasi-Museeum geschafft.

Den Mathe-Test habe ich mit voller Punktzahl bestanden. Im Aufnahmegespräch wurde ich gefragt, ob ich den mit in das GST-Lager fahren würde und ob ich drei Jahre zur Armee gehen würde. Ich war 13 Jahre alt. Ich hatte noch nie über einen dreijährigen Wehrdienst nachgedacht, fand die Idee spontan aber scheiße. Irgendwann kam dann der Brief mit der Ablehnung.

Ich bin meinen Eltern sehr dankbar dafür, dass sie für mich gekämpft haben. Sie haben alles nur Erdenkliche in Bewegung gesetzt. Ich bekam ein unterstützendes Schreiben von der MSG, sie haben die Verantwortliche für Bildung in Friedrichshain angerufen, den Direktor meiner POS. Es gab dann ein zweites Gespräch mit dem Direktor der POS, in dem ich erklärt habe, dass ich natürlich sehr gerne drei Jahre zur Armee gehen würde und dass das irgendwie ja schon immer mein Wunsch gewesen sei (Sarkasmus muss man markieren, oder?).

Die Hertz-Schule war fantastisch! Ich bin immer noch sehr froh, dass ich dort vier Jahre meines Lebens lernen durfte. Ich habe dort viel Mathematik, Physik und Chemie gelernt, aber das Wichtigste, was ich dort gelernt habe, ist, strukturiert zu denken. Dank dafür!

Paramilitärische Ausbildung

Was nicht so schön war, war der Druck und die politische Einflussname, die wie überall in der DDR auf SchülerInnen ausgeübt wurde. Paramilitärische Ausbildung war fester Bestandteil des Unterrichts. Ich habe gelernt, mit automatischen Waffen zu schießen (obligatorisches Wehrlager in der 9. und 11. Klasse). Im Sportunterricht ab der fünften Klasse haben wir mit Eierhandgranaten geworfen.

Eierhandgranaten, wie sie im Sportunterricht verwendet wurden, Bild DDR-Museeum, 2019

Wer nicht mitgemacht hat, war raus. Ein Schüler ein Jahr über mir war der absolute Crack. Er hätte zur internationalen Matheolympiade fahren können, wenn man ihn gelassen hätte. Er hat das GST-Lager verweigert und ist dann Schäfer geworden. Schäfer. Nach einigen Jahren konnte er dann als Systemoperator in der Akademie der Wissenschaften einen Aushilfsjob bekommen. Nach der Wende hat er studiert.

Wissenschaftlich fundiertes Weltbild

Die SED und ihre VertreterInnen haben von sich behauptet, dass sie ein wissenschaftlich fundiertes Weltbild haben. Irgendwie würde man dann annehmen, dass man darüber auch wissenschaftlich diskutieren kann. Wir hatten eine Pflichtveranstaltung, die sich FDJ-Studienjahr nannte, und einmal im Monat (?) stattfand. Bei uns hat das ein Stasi-Mann gemacht. Ich hatte im ESP-Unterricht gelernt, dass man den Kommunismus erst verwirklichen könne, wenn in allen Ländern der Sozialismus herrschte. Das war mir auch unmittelbar einleuchtend, denn sonst würden ja die Kapitalisten einfach kommen und unser Brot aufessen. Ich habe das in der Diskussion mit dem Stasi-Mann angeführt, was dann das Ergebnis hatte, dass es einen 10minütigen Vortrag vor dem Elternaktiv über mich gab (vielleicht auch vor den Genossen-Eltern, die sich immer vor dem Elternabend trafen, das weiß ich nicht mehr genau).

FDJ-Mitgliedschaft

Zum Ende der Schulzeit waren wir alle in der FDJ. Zu Beginn, gab es einen Jungen, der nicht in der FDJ war (ein Wunder, dass er es überhaupt auf die Schule geschafft hatte.1). In der 11 Klasse hat er dann einen Antrag auf Aufnahme gestellt. In der FDJ-Versammlung, in der es um seine Aufnahme ging, wurde er vom Agitator nach den Gründen für seinen Aufnahmewunsch gefragt. Die Erwartung war jetzt, dass etwas wie Weltfrieden, Klassenkampf, Einsicht käme. Seine Antwort war: „Ich möchte studieren.“ Ich habe in mich hinein gegrinst und ihn bewundert.

Verpflichtung zum dreijährigen Wehrdienst

Ich erinnere mich noch sehr gut an eine FDJ-Sitzung, in der es um den Wehrdienst ging. Der Grundwehrdienst in der DDR betrug 18 Monate. Loyale Staatsbürger verpflichteten sich für drei Jahre, ganz tolle für 4 Jahre (Offizierslaufbahn, Unterleutnant) und die tollsten für 25 Jahre. In der Sitzung saßen wir alle im Kreis und ich weiß noch, wie der Agitator mich fragte: „Und Stefan, was tust Du für den Frieden?“ Ich habe es gehasst. Einige Mädchen haben sich daran beteiligt und uns aufgefordert, drei Jahre zur Armee zu gehen. Im Neuen Leben gab es so Stories über Mädchen, die natürlich während der Armeezeit auf ihren Schatzi gewartet haben und den ganz doll moralisch unterstützt haben.

Die DDR wollte sicherstellen, dass diejenigen, die studieren, sich auch loyal zum System verhalten. Die Verpflichtung zum dreijährigen Wehrdienst war deshalb ein wichtiger Bestandteil bei der Bewerbung zum Studium. Es gab wohl auch Leute, die es ohne Verpflichtung geschafft haben, aber das wusste man nicht und das Risiko war groß: Einmal aus politischen Gründen abgelehnt bedeutete: Schäfer. Siehe oben. Alle Einrichtungen waren vernetzt. Menschen hatten Kaderakten, wenn da was drin stand, war es aus. Schäfer. Man kann sehr gut darüber im Tangospieler von Christoph Hein nachlesen. Selbst wenn Betriebe händeringend nach Arbeitskräften suchten, sie konnten die Leute nicht einstellen.

Ich war dann drei Jahre bei der Armee. Bis auf zwei Ausnahmen haben sich alle Jungs in der Klasse für drei Jahre verpflichtet. Ich habe von 18–21 über 1000 Tage meines Lebens damit verbracht, mir zu wünschen, dieser Teil meines Lebens wäre vorbei.2 Ich bin Pazifist. Ich wäre im Westen nie in eine Armee gegangen. Diese Option gab es im Osten so nicht. Es gab Bausoldaten, diese trugen Uniform und bauten Raketenstellungen. Bausoldaten konnten höchstens noch Theologie studieren. Totalverweigerung bedeutete Knast.

Das war sozialer Druck!

Moralischer Druck der Gutmenschen

Wie ist die Situation heute? Seit einem Jahr gibt es FridaysForFuture und seit einigen Jahren sind die Folgen der Klimakrise verschärft sichtbar. Je nach Filterblase beginnen die Menschen aufzuwachen. Die Ereignisse bedrohen uns. Greta Thunberg hat gesagt, wir sollten so handeln, als würde die Welt brennen. Tja, und jetzt brennt sie. Wir haben die Berichte in der Presse, im Fernsehen, in den sozialen Medien. Die Gletscher schmelzen, die Permafrostböden tauen auf. 70 Jahre vor dem erwarteten Zeitpunkt. Kipppunkte könnten erreicht werden. Um noch Schlimmeres zu vermeiden, muss der CO2-Ausstoß auf eine Tonne pro Person und Jahr gesenkt werden. Der deutsche Durchschnitt liegt bei 11,61 Tonnen. 10 % der Deutschen haben einen Durchschnitt von sogar 17,7 Tonnen. Die Konsequenz ist, dass wir alles politisch mögliche fordern sollten, was eine Reduktion begünstigt, und aber auch dass wir durch Änderung unseres Verhaltens zu einer Reduktion beitragen müssen.

Das führt zu kognitiven Dissonanzen, die natürlich durch erneute Hinweise auf das Problem verstärkt werden. Vegetarier waren schon immer unangenehme Zeitgenossen. Selbst wenn sie gar nichts sagten und nur still ihren Veggie-Burger mampften. Sie waren der personifizierte Vorwurf. Das verstärkt und potenziert sich jetzt gerade: Der, der die Kollegin, den Kollegen mit dem Fahrradhelm sieht, denkt: „Oh, Mist, ich bin heute mit dem Auto gekommen. Hat ja genieselt.“ Der, der von seiner Konferenz in Tokio berichten will, denkt: „Oh, Mist, der fliegt ja gar nicht mehr. Ich halte mal lieber den Mund.“

Das alles ist schwierig, aber man kann das nicht denen anlasten, die deutlich aussprechen, dass wir als Menschheit ein Problem haben. Menschen sind gut darin, zu verdrängen. Das nennt sich Terror-Management, wie ich von den PsychologistsForFuture gelernt habe.

In der gegenwärtigen Situation dürfen wir nicht mehr verdrängen (sagen auch die PsychologistsForFuture). Wir müssen uns der Realität stellen und überlegen, was wir tun können. Jeder ein bisschen. So viel wie geht.

Schlussfolgerung

Der soziale Druck der Gutmenschen ergibt sich aus den akuten Gegebenheiten, er ist nicht – in keiner Weise – vergleichbar mit dem, was in der DDR war, denn es gibt keine negativen Auswirkungen, wenn jemand Fleisch isst oder mit dem Flugzeug durch die Gegend fliegt. Das einzige, was es gibt, ist eine kognitive Dissonanz. Und wenn es die schon mal gibt, dann ist das gut! Fürchtet Euch!

  1. Wir waren in der 9.4. Das war die vierte Klasse, die für den Rest. Die komischen Fälle, die es über Eingaben usw. auf die Schule geschafft hatten.
  2. Die DDR-Armee ist nicht mit der Bundeswehr vergleichbar. Wer einen Eindruck gewinnen möchte, lese Der Turm von Uwe Tellkamp.

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